Grimma: Prozess zu tödlicher Poolparty in Gerichshain endet mit Freispruch
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Der Verlauf einer privaten Weihnachtsparty in Gerichshain wurde am Montag am Amtsgericht Grimma aufgearbeitet. Verhandelt wurde gegen zwei Angeklagte, denen die Staatsanwaltschaft fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung vorwirft. Die Verhandlung endete mit Freisprüchen.
Grimma/Machern. Am Amtsgericht Grimma mussten sich am Montag zwei Männer wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung verantworten. Bei einer privaten Weihnachtsfeier waren Ende 2019 im Macherner Ortsteil Gerichshain zwei Männer ums Leben gekommen. Die Opfer – einer 20 und einer 39 Jahre alt – stammten aus Leipzig und Brandis. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass ihnen der unbedachte Einsatz von Trockeneis zum Verhängnis wurde, das im Laufe der Nacht in einen Pool gekippt wurde. Ein Spaß mit tödlichem Ausgang.
Mehrere Zeugen am Amtsgericht Grimma
Die Verhandlung gegen die beiden Männer – den 49-jährigen Thomas H. aus Brandis und den 44-jährigen Eric S. aus Gerichshain – hatte 8 Uhr begonnen. Am Vormittag traten ein Sachverständiger und mehrere Zeugen auf. Zudem gab es mehrere Nebenkläger, die sich ebenfalls anwaltschaftlich vertreten ließen. Insgesamt hatten sich elf Prozessbeteiligte inclusive Richter und Staatsanwaltschaft in Saal 209 versammelt. Zahlreiche Angehörige waren persönlich erschienen, um zu erfahren, was in der Nacht auf einem privaten Grundstück in Gerichshain wirklich passiert ist.
Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft sollen die beiden Angeklagten in der Nacht auf den vierten Advent 2019 Trockeneis in einen Pool gekippt haben. Ein Vorgang, den die Anwälte des Gerichshainers und des Brandisers vor Gericht auch einräumten. Dadurch waren zwei Partygäste erst bewusstlos geworden und in der Folge ertrunken. Ein dritter Mann, der als Zeuge geladen war, konnte damals reanimiert werden.
Nach Trockeneis-Tragödie: Angeklagter noch immer in medizinischer Behandlung
Der 44-jährige Eric S., auf dessen elterlichem Grundstück das Treiben stattfand, befinde sich nach wie vor in ärztlicher Behandlung, ließ er seinen Anwalt vortragen. Er selbst äußerte sich nicht, sondern hielt während der gesamten Verhandlung den Kopf gesenkt. „Mein Mandant hat keinen Gedanken daran verschwendet, dass Trockeneis unter freiem Himmel gefährlich sein könnte“, erklärte der Vertreter des Gerichshainers. Der Ausgang des Abends sei ihm unbegreiflich, so der gelernte Straßenbauer laut Schilderungen seines Anwalts. An dem Abend habe eine ausgelassene Stimmung geherrscht, auch Alkohol sei reichlich geflossen. Für Kinder sei sogar der Weihnachtsmann gekommen.
Nachdem man im Sommer schon einmal mit Trockeneis hantiert und schöne Effekte erzielt hatte, besann man sich dieses Party-Gags erneut. 15 Kilo Trockeneis standen bereit – das hatte der Gastgeber einige Tage vorher geordert, um angeblich geschlachtete Enten zu kühlen, die als Weihnachtsbraten gedacht waren.
Trockeneis erweist sich als verhängnisvoller Badezusatz
Kurz nach 2 Uhr landete der verhängnisvolle Badezusatz dann im Pool. Thomas H., der an diesem Abend für den Bierwagen zuständig war, half dem Veranstalter, die Styropor-Kiste zum Becken zu tragen und die Stücke hineinzuschütten. Es sei sogar noch Nachschub verlangt worden, weil das Wasser „so schön blubberte“ und Nebel aufstieg. Auch Handys wurden gezückt, um das Spektakel zu filmen.
Wenig später habe es geheißen: „Eric, da stimmt etwas nicht.“ Er sei sofort zum Pool geeilt und habe Körper im Wasser treiben sehen. Der 49-Jährige, der als erster rausgezogen und reanimiert wurde, überlebte. Für die zwei anderen Männer kam jede Hilfe zu spät.
Trockeneis: Kohlendioxid macht Männer bewusstlos
Sachverständiger Christian König erläuterte, warum sich die Eiswürfel so verheerend auswirkten. „Trockeneis ändert sofort seinen Aggregatzustand, wenn es ins Wasser fällt und wird gasförmig. In der Folge wird Kohlendioxid freigesetzt.“ Dieses wiederum sei leichter als Luft und habe sich deshalb an der Wasseroberfläche gesammelt. Die Männer hätten das Gas eingeatmet. In der Folge wurden sie bewusstlos und ertranken.
Einzelheiten der Obduktionsergebnisse, die der Rechtsmediziner vortrug, waren für die Angehörigen im Gerichtssaal nur schwer zu ertragen. Ob der reichlich konsumierte Alkohol ursächlich für das Ertrinken war, verneinte der Sachverständige: „Der Alkohol kann die narkotische Wirkung des Gases begünstigt haben, aber entscheidend war das Einatmen des Kohlendioxids.“ Bei weniger Promille intus, so der Mediziner, wären die Personen aber möglicherweise in der Lage gewesen, noch aufzustehen. „Dann hätten sie mit hoher Wahrscheinlichkeit überlebt.“
Gerichshain: Pool war nicht überdacht
Die Frage, die sich im Gerichtssaal stellte: Muss man wissen, dass Trockeneis auch zur tödlichen Gefahr werden kann? Hätte der Gastgeber Sicherheitshinweise studieren und den Spaß lieber lassen sollen? In dieser Frage kamen Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Gericht zu unterschiedlichen Ergebnissen. Laut Anklage hätten sich die beiden Männer der mit der Substanz verbundenen Gefahren bewusst sein können und hätten dies einkalkulieren müssen.
Die Verteidiger plädierten auf Freispruch. Im Internet werde teilweise für Trockeneis geworben – und zwar ohne jeglichen Hinweis, dass es auch gefährlich werden könne. Zudem sei der Pool auch nicht überdacht gewesen, so dass man davon hätte ausgehen können, dass das entstehende Kohlendioxid schnell abzieht. „Dass der angedachte Show-Effekt einen so tragischen Ausgang nimmt, daran hat niemand ansatzweise gedacht“, nahm der Verteidiger von Eric S. seinen Mandanten in Schutz.
Amtsgericht spricht Angeklagte nach tödlicher Poolparty frei
Nach rund dreistündiger Verhandlung gab es noch vorm Mittag das Urteil: Richter Götz-Karsten Weimann sprach beide Angeklagte frei. Er wisse, dass dieser Richterspruch für die Angehörigen schwer zu ertragen sei. „Was passiert ist, ist ein schrecklicher Unfall und eine Tragödie, aber nicht jeder Unfall und jede Tragöde sind mit Mitteln des Strafrechts zu ahnden.“ Die tückische Eigenschaft von Trockeneis, dass es im Wasser sofort Kohlendioxid freisetzt, „kennt im Grunde genommen kein Mensch“, begründete Weimann sein Urteil. Der Veranstalter habe von einem Bekannten, der die Substanz in dessen Auftrag besorgte, auch keine Warnhinweise erhalten. Trockeneis, so Weimann, werde vielfach verwendet – ob in der Disko oder bei anderen Events. Es sei kein Gefahrenstoff, sondern für jedermann frei käuflich.
Gerichshain: Richter kann keine Fahrlässigkeit erkennen
„Deshalb kann den Angeklagten keine Fahrlässigkeit vorgeworfen werden“, so Weimann. Beide müssten damit leben, dass durch ihr Handeln zwei Menschen zu Tode gekommen sind. „Strafbar gemacht haben sie sich aber nicht.“
Das Urteil ist noch nichts rechtskräftig. Vertreter der Angehörigen wollten sich vorerst nicht zum Ausgang des Prozesses äußern. Staatsanwaltschaft und Nebenklage hatten jeweils Geldstrafen gefordert.