Auch Galgen erlaubt: Rechtsextreme dürfen am Sonntag mit Fahnen durch Plauen ziehen

Das Verwaltungsgericht Chemnitz hat die von der Versammlungsbehörde des Vogtlandkreises für die Demonstration der rechtsextremistischen Partei Dritter Weg am Sonntag in Plauen verhängten Auflagen in Teilen wieder zurückgenommen.

Wie ein Gerichtssprecher am Abend mitteilte, hatte ein Eilantrag der vom Verfassungsschutz beobachteten Partei damit Erfolg.

Die Neonazis wollen am Sonntag durch Plauen ziehen. Im Vorfeld der Demonstration hatte die Kreisbehörde von Landrat Thomas Hennig (CDU) eine Reihe von Auflagen erteilt. Unter anderem hatte sie das Mitführen von Trommeln untersagt, ebenso das Mitführen eines Galgens, die Block- und Formationsbildung wurde verboten und auch Fahnen sollten nur sehr eingeschränkt verwendet werden dürfen. Die Kreisbehörde begründete die Auflagen mit dem Ziel, verhindern zu wollen, „dass von der Versammlung des Dritten Weges durch deren Ausgestaltung ein paramilitärisches Gesamtgepräge entsteht oder anderweitige Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen“. Am 1. Mai 2019 waren Rechtsextreme in Plauen mit Fahnen, Trommeln und einheitlicher Parteikleidung durch Plauen gezogen – die Bilder erinnerten an Nazi-Aufmärsche aus den 1930er-Jahren und sorgten bundesweit für Entsetzen. Der Vogtlandkreis hatte deshalb diesmal strengere Regeln festgelegt.

Der Dritte Weg legte gegen diese Auflagen allerdings Rechtsmittel ein. Die Zweite Kammer des Verwaltungsgerichts Chemnitz hat am Freitag darüber entschieden, wie Gerichtssprecher Peter Franke am Abend auf „Freie Presse“-Anfrage erklärte.

Die Verfassungsfeinde hätten sich ihm zufolge gegen vier konkrete Beschränkungen gewandt. Dies war erstens die Untersagung „der Block- und Formationsbildung, des Marschierens im Gleichschritt und des Schlagens bzw. Abspielens von Marschtakt durch Lautsprecher, trommelähnliche Gegenstände oder ggf. auch technische Hilfsmittel wie beispielsweise Marschmusik – während des gesamten Aufzuges sind auch andere Handlungen zu unterlassen, die geeignet sind, dem Aufzug ein militärisches oder paramilitärisches Gesamterscheinungsbild zu verleihen“. Dazu erklärt das Gericht: „Die erste Auflage war nicht bestimmt genug“, so der Gerichtssprecher. Weitere Details dazu nannte er nicht.

Zweite Beschränkung: Die Kreisbehörde hatte die Anzahl händisch getragener Fahnen auf maximal vier begrenzt. Dazu erklärt das Verwaltungsgericht: „Hinsichtlich der Beschränkung der Anzahl der Fahnen geht die Kammer davon aus, dass es sich um zulässige Meinungsäußerungen handelt, die keinen Straftatbestand erfüllen. Zwar mag das Mitführen einer übergroßen Anzahl solcher Fahnen geeignet sein, an die Fahnenaufmärsche zur Zeit des Nationalsozialismus zu erinnern und einschüchternd auf die Bevölkerung zu wirken. Derartiges ist im vorliegenden Fall vor allem angesichts der zahlreichen vom Vogtlandkreis verfügten und insoweit vom Dritten Weg nicht angegriffenen Beschränkungen allerdings nicht zu erwarten.“

Auch hinsichtlich des Trommelverbots ist das Gericht anderer Auffassung als die Versammlungsbehörde, die Trommeln dürfen damit nach aktuellem Stand verwendet werden. Der Gerichtssprecher erklärt dazu: „Hinsichtlich der Auflage mit den Trommeln trägt die Gefahrprognose des Vogtlandkreis im Bescheid das generelle Verbot des Verwendens von Trommeln jedenfalls hinsichtlich des Mitführens und Verwendens einer Snare-Trommel und einer Pauke nicht.“

Und schließlich, Punkt 4: Der Vogtlandkreis hatte das Mitführen eines Galgens untersagt. Das Verwaltungsgericht hob mit seinem Beschluss jedoch auch diese Beschränkung auf. „Beim Aufstellen des Galgens ist die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch die beabsichtigte Darstellung nicht hinreichend gefährdet“, erklärte dazu der Gerichtssprecher. Ein Straftatbestand sei dadurch nicht erfüllt.

Die Rechtsextremen wollen am Sonntag einen Galgen aufstellen in Verbindung mit der Aufschrift des aufgehängten Schildes („Rechtsstaatlichkeit“, „Grundrechte“) sowie des daneben stehenden Schildes mit einer darüber hängenden Schlinge und der Aufschrift „Der Rechtsstaat in der Schlinge der BRD“. Dies lasse sich aus Sicht des Gerichts sowohl dahingehend verstehen, dass der Rechtsstaat und die Grundrechte zur Änderung der jetzigen Situation gehängt – das heißt abgeschafft – werden sollen, als auch dahingehend, dass der Rechtsstaat und die Grundrechte bereits durch Dritte hingerichtet – das heiß beseitigt – worden seien. Der Gerichtssprecher: „Weil nach den Ausführungen des Antragstellers im Verwaltungsverfahren keine szenische Darstellung der Hinrichtung mittels Galgen erfolgen, sondern das Plakat mit den Worten ‚Rechtsstaatlichkeit‘ und ‚Grundrechte‘ am Endkundgebungsplatz schon am Galgen befestigt ist, lässt sich die erstgenannte Auslegungsmöglichkeit objektiv nicht zweifelsfrei feststellen.“
Nach den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäben sei die szenische Darstellung demnach (gerade noch) von der Meinungsfreiheit gedeckt und enthalte – anders als in Fällen, in denen symbolisch Personen „gehängt“ werden – keine explizite Aufforderung zu strafbarem Handeln bzw. keine Aufforderung zu Gewalt, so der Sprecher.

Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Der Vogtlandkreis kann noch Beschwerde zum Sächsischen Oberverwaltungsgericht einlegen.

Thomas Hennig hatte bereits im Vorfeld der Neonazi-Demo angekündigt, die rechtlichen und gesetzlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, „um den Rechtsextremisten im Vogtland keine Bühne zu bieten“.


Nazi-Aufzug in Plauen: Amt untersagt Trommeln und Marsch im Gleichschritt – Rechtsextremisten ziehen vor Gericht

Am Sonntag wollen Anhänger der rechtsextremistischen Kleinstpartei Dritter Weg in Plauen demonstrieren. Damit sich die Bilder des militant wirkenden Aufmarsches von 2019 nicht wiederholen, hat die Kreisbehörde diesmal strengere Regeln festgelegt.

Keine Trommeln, kein Galgen und Marsch im Gleichschritt verboten: Diese Regeln hat die Versammlungsbehörde für die am Sonntag in Plauen geplante Demonstration der rechtsextremistischen und vom Verfassungsschutz beobachteten Kleinstpartei Dritter Weg festgelegt. Das Amt will damit verhindern, dass sich die Bilder vom 1. Mai 2019 wiederholen. Neonazis waren damals in einheitlicher Parteikleidung, mit Trommeln im Marschtakt sowie in Reihe geordneten Fahnenträgern durch Plauen gezogen. Fackeln wurden gezündet, ein Galgen war im Umlauf, auch auf einer EU-Flagge trampelten die Neonazis herum. Die Bilder sorgten für Entsetzen, selbst die „New York Times“ berichtete.

Wegen dieser Ereignisse von 2019 hat die Kreisbehörde unter Leitung des neuen Landrats Thomas Hennig (CDU) diesmal mehr Beschränkungen erteilt. Die Teilnehmer dürfen zum Beispiel nicht in gleichfarbiger Oberbekleidung auftreten in Kombination mit militärischer oder militärähnlicher Marschordnung, sie dürfen keine Blöcke oder Formationen bilden, nur zwei händisch getragene Fahnen mitführen. Ziel sei es, „mit praktikablen Auflagen effizient zu verhindern, dass von der Versammlung des Dritten Weges durch deren Ausgestaltung ein paramilitärisches Gesamtgepräge entsteht oder anderweitige Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen“, erklärte die Kreisbehörde. Ob die amtlich veranlassten Beschränkungen am Sonntag Bestand haben, ist allerdings noch offen – der Dritte Weg hat nach Angaben des Landratsamtes Rechtsmittel gegen den Auflagenbescheid eingelegt. Das Verwaltungsgericht Chemnitz muss nun darüber entscheiden. „Der Landkreis hat hierzu bereits eine Erwiderung gegenüber dem Verwaltungsgericht abgegeben. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts wird spätestens Samstagvormittag ergehen“, erklärte die Pressestelle des Landrats am Freitag auf Anfrage.

Thomas Hennig hatte bereits im Vorfeld der Neonazi-Demo angekündigt, die rechtlichen und gesetzlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, „um den Rechtsextremisten im Vogtland keine Bühne zu bieten“.

Zudem setzt die Kreisbehörde diesmal selbst ein Zeichen für Vielfalt und Offenheit. Dazu sind am Freitag die Schaufenster des Plauener Landratsamts mit großen, bunten Plakaten beklebt worden. Es handelt sich um 24 Motive der Ausstellung „The Tolerance Project“ des Künstlers Mirko Ilic, die bereits in der Galerie Forum K und in Zusammenarbeit mit dem Kunstverein Plauen zu sehen war. Die Schau war nach Angaben der Kreisbehörde bereits an 130 Orten in 40 Ländern ausgestellt, darunter in London, New York und Peking. Für das Projekt haben Künstler Poster kreiert – alle versehen mit dem Wort „Toleranz“ und in der jeweiligen Muttersprache. Darüber hinaus ließ der Landrat die Schaukästen des Amtes mit dem Schriftzug „Das Vogtland ist bunt“ ausgestalten, eine Ausstellung mit weiteren Motiven im Foyer des Landratsamtes soll die Aktion abrunden. „Damit möchten wir ein deutliches Zeichen gegen Rechts setzen: sichtbar und farbenfroh“, erklärte Hennig.

Vertreter der Zivilgesellschaft wollen am Sonntag ebenfalls Gesicht zeigen gegen die Rechtsextremisten. An mehreren Orten in der Stadt gibt es unter dem Motto „Wir setzen bunte Punkte“ verschiedene Mitmachaktionen. Nach Angaben des Landratsamtes wurden fünf stationäre Kundgebungen von Parteien und Initiativen angemeldet, zudem gibt es Gesprächsangebote und einen Brunch am Altmarkt. Ein überparteiliches Bündnis hatte in dieser Woche bereits einen Aufruf für ein offenes und tolerantes Plauen verbreitet. „Plauen und das Vogtland stehen gemeinsam gegen Faschismus und rechte Hetze, für eine vielfältige, offene und tolerante Stadtgesellschaft“, heißt es darin.

Der Dritte Weg plant sein Treffen am Oberen Bahnhof, anschließend wollen die Anhänger in einem Aufzug zum Wartburgplatz ziehen. Nach Informationen der „Freien Presse“ plant der Dritte Weg bereits für Samstag einen Infostand am Postplatz.


Tino Moritz – Freie Presse 30.09.2022

Rechtsextreme melden Demos in Plauen an: „Missbrauch“ des Einheitsfeiertages

Wie der Verfassungsschutz die in Plauen für Sonntag und Montag von Rechtsextremisten angemeldeten Demonstrationen einstuft.

In Plauen haben rechtsextremistische Parteien an zwei Tagen hintereinander Demonstrationen angemeldet – am Sonntag zunächst der Dritte Weg, am Montag dann die „Freien Sachsen“. Deren Spitzenfunktionäre würden damit „nicht nur das gegenwärtige Protestgeschehen rund um die Themen Energiepreise, Inflation und Ukrainekrieg abermals für die Verbreitung ihrer verfassungsfeindlichen Agenda ausnutzen“, sagte Verfassungsschutzpräsident Dirk-Martin Christian auf Anfrage der „Freien Presse“ am Freitag. „Sie missbrauchen darüber hinaus auch die Feierlichkeiten rund um den Tag der Deutschen Einheit und das Gedenken an die Friedliche Revolution.“

Nach Einschätzung des Landesamtes will der Dritte Weg an die aus seiner Sicht erfolgreichen Demonstrationen 2014 (rund 700 Teilnehmer), 2016 (900) und 2019 (500) anknüpfen. Plauen sei für die Aktivitäten der Partei „der zentrale Dreh- und Angelpunkt“. Auf einem Info-Flyer seien Kleiderausgabe sowie kostenlose Speisen und Getränke angekündigt worden. Erwartet würden auch Angehörige der überregionalen Neonazi-Szene. Für die Parteimitglieder – laut dem aktuellen Jahresbericht des Bundesamtes 650, darunter 140 aus Sachsen – sei die Teilnahme in Plauen eine „Pflichtveranstaltung“, schreibt Sachsens Verfassungsschutz weiter.

Im Unterschied dazu rechnet er zur Kundgebung der „Freien Sachsen“ am Montag nicht nur mit regionalen und überregionalen Rechtsextremisten, sondern auch mit einer „beachtlichen Teilnehmerzahl von Personen aus der gesellschaftlichen Mitte“. Zwar werde von einem friedlichen Verlauf ausgegangen. Allerdings könne die „vereinzelte Teilnahme von gewaltbereiten Rechtsextremisten“ aus der Fußballfan- und Kampfsportszene nicht ausgeschlossen werden. Gleiches gelte für eine möglicherweise kurzfristige Mobilisierung zu Gegenprotesten von Linksextremisten, für die jedoch gegenwärtig keine Erkenntnisse vorlägen. Dritter Weg und „Freie Sachsen“ wollten „in die Mitte der Gesellschaft vordringen“, warnte Christian. Die Ängste und Sorgen der Menschen seien dabei nur Mittel zum Zweck – die freiheitliche demokratische Grundordnung abzuschaffen. Dies aber sei „das genaue Gegenteil von dem, wofür die Menschen 1989 auf die Straße gegangen sind“.