Eine Organisatorin von Coronaprotesten musste sich vor Gericht verantworten. Ihr Verteidiger verstieg sich zu bemerkenswerten Aussagen.
Es kommt nicht häufig vor, dass die Publikumsplätze im Zwickauer Amtsgericht nicht ausreichen. Die Verhandlung am Freitagmittag war jedoch eine Ausnahme. Die Hauptperson hatte selbst dazu aufgerufen, dem Termin beizuwohnen. Das Ergebnis war, dass Richterin Eva-Maria Ast mehreren Anwesenden den Zutritt verwehren musste, weil für Öffentlichkeit und Presse nur fünf Stühle zur Verfügung standen.Überraschend kam das große Interesse nicht. Schließlich musste sich eine Person vor Gericht verantworten, die auch sonst viele Menschen anzieht: Es handelte sich um eine 51-Jährige aus dem Süden des Landkreises Zwickau, die seit geraumer Zeit montags Versammlungen auf dem Zwickauer Hauptmarkt veranstaltet. Bei ihren dortigen Reden hat sie sich wiederholt als scharfe Gegnerin der Coronamaßnahmen und resolute Impfgegnerin hervorgetan. Zudem nimmt sie in Kauf, dass auch Rechtsextreme für die Kundgebungen werben und auf dem Hauptmarkt vertreten sind.Der Ausgangspunkt für die Gerichtsverhandlung lag aber nicht in der Muldestadt, sondern in Kirchberg. Dort hatte die Frau am 5. Dezember vergangenen Jahres eine Versammlung angemeldet, zu der nach Angaben der Polizei 60 bis 70 Personen kamen. Das Problem: Laut der damals gültigen Corona-Notfallverordnung waren nur maximal zehn Teilnehmer erlaubt. Die Polizei hatte deshalb eine Ordnungswidrigkeitsanzeige erstattet, das Landratsamt in der Folge ein Bußgeld von 500 Euro verhängt. Dagegen legte die 51-Jährige Einspruch ein, weswegen es zur Verhandlung kam. Im Gerichtssaal stellte sich schnell heraus, dass der Verteidiger die Coronaregeln genauso bewertet wie seine Mandantin. Er bezeichnete die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie als „willkürlich, menschenrechtswidrig und satanistisch“. Ihre Wirkung lasse sich nicht wissenschaftlich belegen. Das ist eine Falschbehauptung – zum Beispiel sind mehrere Studien zu dem Ergebnis gekommen, dass das Tragen von medizinischen Masken die Verbreitung von Viren wirkungsvoll verhindert.
Der Rechtsanwalt bediente sich zudem einer Rhetorik, wie man sie aus extremistischen und Reichsbürgerkreisen kennt. Die Corona-Notfallverordnung habe gegen das Grundgesetz verstoßen und Grundrechte unverhältnismäßig eingeschränkt, argumentierte er. Mehrmals berief er sich auf Artikel 20 des Grundgesetzes, nach dem alle Deutschen unter bestimmten Voraussetzungen das Recht zum Widerstand haben. Richterin Ast ließ sich davon nicht beirren und bekräftigte, sie habe eine andere Rechtsauffassung. Zudem empfahl sie allen Anwesenden den Besuch von Jura-Vorlesungen an einer Universität.
Als einziger Zeuge trat ein Polizist auf, der an jenem Abend in Kirchberg vor Ort war. Er berichtete, die 51-Jährige habe sich als Versammlungsleiterin zu erkennen gegeben und sei über den Inhalt der Corona-Notfallverordnung aufgeklärt worden. Dass mehr als zehn Personen vor Ort waren, sei offensichtlich gewesen, so der Beamte. „Deshalb hätte die Versammlung gar nicht erst eröffnet werden dürfen.“ Die Polizisten ließen die Anwesenden zunächst gewähren, nahmen aber Personalien auf, nachdem Verstärkung eingetroffen war.
Der Verteidiger der 51-Jährigen plädierte auf Rücknahme des Bußgeldes. Für Richterin Ast kam das jedoch nicht in Frage, weil für sie die Ordnungswidrigkeit zweifelsfrei erwiesen war. Sie reduzierte das Bußgeld jedoch mit Blick auf die finanziellen Verhältnisse der 51-Jährigen auf 250 Euro. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.