Soldaten aus der Erzgebirgskaserne haben eines ihrer Militärfahrzeuge nach einem Artilleriegeschütz benannt, das im Ersten und Zweiten Weltkrieg zum Einsatz kam. Geschmacklos oder kriegsverherrlichend? Ein Versehen oder bewusste Anspielung?
Kleiner Schriftzug, große Wirkung. Soldaten des Panzergrenadierbataillons 371 in Marienberg haben eines ihrer militärischen Transportfahrzeuge auf „Dicke Bertha“ getauft und den Namen gut lesbar an der Front des Lkw angebracht. Ein aufgrund der Größe des Lasters liebevoller Kosename, könnte man meinen. Doch wer sich in der Geschichte etwas auskennt, verbindet mit der Dicken Bertha etwas anderes. Auch einem „Freie Presse“-Leser stößt der Name bitter auf. Die Bundeswehr weist die Vorwürfe vehement zurück, ermittelt intern aber dennoch.Die Dicke Bertha war ein sehr bekanntes deutsches Geschütz, das hauptsächlich im Ersten, aber auch noch im Zweiten Weltkrieg zum Einsatz kam. Ein heutiges Militärfahrzeug danach zu benennen, sei skandalös, findet der Leser. Wissen die Marienberger Jäger nicht, dass mit diesem Geschütz zahlreiche Menschen im Ersten Weltkrieg getötet wurden, fragt sich der Mann. Er erachtet die Bezeichnung als höchst unsensibel, zumal der am Lkw angebrachte Name obendrein altdeutscher Schrift ähnelt.“Die Dicke Bertha ist ein Kosename ohne gewollten/bewussten Bezug zu den Artilleriegeschützen aus der Vergangenheit“, entgegnet Hauptmann Rony Dröscher. Auch handelt es sich nicht um die altdeutsche Schriftform, sondern um Old English, ergänzt der Presseoffizier. „Der Schriftzug wurde durch mehrere Soldaten, die das Fahrzeug benutzen, angebracht. Das war unsensibel, aber ohne gewollte Verherrlichung der beiden Weltkriege.“ Auf die Frage, ob Kosenamen bei der Bundeswehr üblich sind, antwortet Dröscher: „Kosenamen für Fahrzeuge, Spielzeuge, Gegenstände und auch für Freunde sind kein rein militärisches Phänomen. Überall in der Gesellschaft geben wir seit unseren Kindertagen Dingen, die für uns eine große Rolle spielen, einen Namen.“
Bei der Verwendung von Begrifflichkeiten, die mit der Reichswehr und der Wehrmacht in Verbindung stehen, orientiere sich die Bundeswehr an den ohnehin geltenden Gesetzen und am Traditionserlass. Dabei handelt es sich um eine Dienstvorschrift der Bundeswehr, die Verhaltensregeln im Umgang mit der Geschichte enthält. Fakt ist: Der Begriff „Dicke Bertha“ ist nicht verboten. Sogar ein Golfschläger wurde nach dem Geschütz benannt.
Trotzdem sind in der Erzgebirgskaserne wegen des Vorfalls Ermittlungen eingeleitet worden, um zu prüfen, ob es sich um ein Dienstvergehen oder einen Verstoß gegen geltende Gesetze handelt. „Das Einleiten hat nichts mit der Schwere der möglichen Verfehlung zu tun, sondern dient einer lückenlosen Aufklärung“, sagt Dröscher. Ob die Vorgesetzten von dem Schriftzug wussten und nicht einschritten, lässt der Presseoffizier mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen unbeantwortet. Aber: „Sollte es sich um einen Verstoß gegen Vorschriften handeln, müssen die Verantwortlichen mit Konsequenzen rechnen.“