Queer-Feindlichkeit in Taucha? Warum die Parthestadt in den Fokus von Aktivisten gerät
Der erste Christopher Street Day in Taucha wurde 2021 von Rechten gestört – die Gruppe „Queer Liberation Leipzig“ ruft daher für Samstag zu einer Demonstration auf. Dem Vorwurf, queere Menschen seien in Taucha nicht willkommen, widerspricht der Bürgermeister entschieden. Was ist da los?
Leipzig/Taucha. Der erste Christopher Street Day in Taucha sollte, so hatten es die Organisatoren der Linksjugend geplant, ganz im Zeichen der Liebe stehen, queeres Leben auch jenseits der Großstädte ins Rampenlicht rücken. Am Ende blieb davon aber nicht viel übrig: Menschen, die im August 2021 dabei waren, berichteten von Beleidigungen, verbalen Attacken – und schließlich vom Abbruch. Teilnehmerinnen und Teilnehmer seien von „Personen aus dem rechten Spektrum“ verbal attackiert und beleidigt worden, teilte die Leipziger Polizei damals mit. Mehrere Platzverweise seien erteilt worden.
Ein gutes Jahr später rücken die Ereignisse wieder in den Vordergrund. Die Protestgruppe „Queer Liberation Leipzig“ hat unter Verweis auf die Ereignisse im August 2021 eine Demonstration angekündigt. „Wir existieren, ob ihr wollt oder nicht“, lautet das Motto am Samstag.
Es gebe Fortschritte, heißt es in der Szene
Versehen haben es die Aktivisten mit einem Satz, der schon im Vorfeld für Diskussionen sorgt: „Die Botschaft der Faschistinnen und Faschisten ist klar: Queere Menschen sind in Taucha nicht erwünscht, queere Menschen sind in Taucha nicht sicher.“ Das wolle man nicht hinnehmen, heißt es in dem Aufruf. Nicht hinnehmen wollen indes Menschen in Taucha, dass die Schlagworte „queer“, „nicht erwünscht“ und „nicht sicher“ im Zusammenhang mit ihrer Stadt fallen. Was stimmt also?
Wer sich in Taucha, Leipzig und anderswo in Sachsen umhört, bekommt ein differenziertes Bild – auch bei jenen, die sich für die Rechte queerer Menschen einsetzen. Man sehe durchaus „begrüßenswerte Entwicklungen“, heißt es etwa beim Verein „Solidarische Alternativen für Taucha“: „Es gibt sowohl an der Oberschule als auch am Gymnasium Taucha jeweils noch recht junge Regenbogen-AGs, in der sich queere Schülerinnen und Schüler austauschen und gegenseitig unterstützen“, berichtet ein Mitglied. Und auch die Regenbogenflagge sei vor dem Rathaus gehisst worden – „ohne uns bekannte Probleme“, wie der Verein erklärt.
„Klienten berichten immer wieder von Ängsten“
Was folgt, ist ein großes Aber, nicht nur von dem Tauchaer Verein, der sich laut Selbstverständnis für ein „gleichberechtigtes und solidarisches Miteinander“ in der Stadt einsetzt. Auch der Verein Leipziger Rosalinde, ein zivilgesellschaftlicher Verein mit Beratungsangeboten, der auf der Demo ebenfalls Präsenz zeigen möchte, verweist auf Vorfälle wie den abgebrochenen CSD im vergangenen Jahr.
„Klientinnen und Klienten aus Taucha berichten uns in der Beratung immer wieder von Ängsten vor rechten beziehungsweise rechtsextremen Aktivitäten und Übergriffen“, sagt Vera Ohlendorf, bei Rosalinde Projektkoordination von der Aktion „Que(e)r durch Sachsen“. Sie erwähnt auch homophobe Plakate, die von der rechtsextremen Kleinstpartei „Der III. Weg“ rund um den Tauchaer Bahnhof angebracht worden seien. Entsprechende Bilder kursieren im Internet.
Verschiedene Sexualitäten „in der Mitte der Gesellschaft“
Dass Queer-Feindlichkeit in Taucha verbreitet sei, weist Bürgermeister Tobias Meier (FDP) zurück. „Es leben in Taucha Menschen, die sich der LGTBQ-Gruppe zugehörig fühlen, in der Mitte unserer Stadtgemeinschaft. Hoffentlich so glücklich auf- wie unauffällig sie das mögen und wünschen“, sagt er. Meier stellt klar: „Es gibt keine Erkenntnisse, dass die Tauchaer Bevölkerung in Mehrheit alternative Lebensmodelle oder unterschiedliche Sexualitäten ablehnt. Dies war in der Vergangenheit kein Thema in der Stadt. Queer-feindliche Vorfälle sind nicht bekannt.“ Allerdings gebe es in einer 16.000-Einwohner-Stadt sicher auch differenzierte Meinungen – „und es wird leider auch Menschen geben, die queer-feindliches Gedankengut in sich tragen“.
Wer waren dann aber die Menschen, die in Taucha den CSD gestört haben? Eine gesicherte Information gibt es nicht. Das „Queere Netzwerk Sachsen“ beobachtet jedoch, dass „rechtsextreme und vielfaltsfeindliche Gruppen gezielt solche Veranstaltungen angreifen“, wie Sprecher Martin Wunderlich sagt. „Die Angriffe in Taucha im vergangenen Jahr sind vor diesem Hintergrund zu sehen“, stellt er klar. Sie seien somit „nichts Besonderes, aber gleichzeitig symptomatisch für die Entwicklung in Sachsen“.
Größere Herausforderungen im ländlichen Raum
Im Freistaat, zu dem Schluss kommt das Sächsische Ministerium der Justiz, Demokratie, Europa und Gleichstellung, hätten es queere Menschen in ländlicheren Regionen allgemein schwerer als in Großstädten. In einer vor Kurzem veröffentlichten Studie heißt es, dass der Anteil ungeouteter Menschen – also jener, die ihre Sexualität für sich behalten – in den Landkreisen deutlich höher sei. Viele erlebten im ländlichen Raum Diskriminierungen oder Stigmatisierungen. Aussagen darüber zu bekommen, wie betroffen einzelne Städte sind, gestaltet sich schwierig: Die polizeiliche Kriminalstatistik ist in diesem Punkt wenig aussagekräftig, die Staatsanwaltschaft Leipzig äußerte sich am Donnerstag zur Anzahl der Verfahren zunächst nicht. Der Stellenwert von Vereinen und Verbänden sei daher umso größer, heißt es in der Szene. Der Großteil der Übergriffe werde von den Betroffenen gar nicht angezeigt – aus vielschichtigen Gründen.
Zwar seien queer-feindliche Einstellungen auch Großstädten wie Leipzig verbreitet, berichtet Vera Ohlendorf vom Verein Rosalinde. „Queere Personen in Taucha beziehungsweise in den sächsischen Landkreisen allgemein sehen sich aber mit deutlich größeren Herausforderungen konfrontiert, da Wissen und Sensibilität für queere Lebensrealitäten in kleinen Städten und ländlichen Räumen deutlich weniger in der Allgemeinbevölkerung verbreitet sind“, erläutert sie. Auch fehlten queere Strukturen und Angebote.
Anfang Oktober steigt der zweite CSD
Entsprechende Schlagzeilen kämen indes nicht allein aus Taucha, sondern auch aus anderen sächsischen Städten: In Döbeln etwa hätten rechte Gruppierungen homophobe Aufkleber verteilt; in Wurzen seien am Rande einer Kundgebung zum Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Trans- und Interfeindlichkeit Personen bei einer queer-feindlichen Gegenkundgebung aufmarschiert.
In Taucha wird die Polizei die Demonstration am Samstag auch entsprechend absichern. Nach LVZ-Informationen sind neben Einsatzkräften des Polizeireviers Leipzig-Nord zwei Einsatzzüge vorgesehen. Es dürfte nicht der letzte Einsatz gewesen sein: Laut Bürgermeister Meier ist am 2. Oktober ein weiterer Christopher Street Day geplant, organisiert von Nachwuchsorganisationen nordsächsischer Parteien und Vereinen. Dann, kündigt Meier an, solle auch die Regenbogenfahne vor dem Rathaus wieder gehisst werden.