So will Sachsens Polizei erstmals kritisch ihre Geschichte öffentlich machen

Sachsens Polizei geht erstmals kritisch mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit und ist damit die erste im Osten.

Die sächsische Polizei will bis zum Jahresende mitten in der Museumslandschaft der Dresdner Altstadt das „Forum Polizeigeschichte“ eröffnen. Es wäre das erste dieser Art in den neuen Bundesländern. Eine Grundlage des wissenschaftlich kuratierten Museums ist seit Mittwoch im Chemnitzer Rathaus zu besichtigen.

Früher verlängerter Arm des Königs und zweier Diktaturen

Dort ist erstmals für eine breite Öffentlichkeit die Ausstellung „Im Spannungsfeld Demokratie – 30 Jahre Polizei Sachsen“ zu sehen. Wie das Museum soll sich die Ausstellung auch an polizeiskeptische Menschen richten und den Wandel vom verlängerten Arm des Königs über zwei deutsche Diktaturen hin zu einer Institution der Demokratie zeigen. Zeitzeugen bieten bis 21. September im Foyer des Chemnitzer Rathauses jeden Donnerstag um 10 Uhr und 12 Uhr Führungen an.

Hauptkommissar Wolfgang Schütze ist einer von ihnen. 41 Jahre im Dienst, hat er noch zu DDR-Zeiten angefangen. Die Volkspolizei, sagt Schütze, sei eine militärische Organisation gewesen, die nach 1989 demilitarisiert werden musste, um mit der deutschen Einheit ins neue System übergehen zu können. Früher, so Schütze, habe gegolten: „Ein zackiges Auftreten ersetzt fehlendes Fachwissen.“

Hauptkommissar Schütze trug drei Uniformen in seinem Leben

Themenbereiche wie „Wilder Osten! Rechtsfreier Raum?“ zeigen die Entwicklung nach 1990, als das alte System verschwand, das neue aber noch nicht wirklich Einzug gehalten hatte und, was das für die Polizisten bedeutete, die plötzlich in eine Uniform schlüpfen mussten, die bis eben noch als die des Klassenfeindes galt. Er habe mit der blauen inzwischen schon die dritte in seinem Leben an, sagt Schütze. Es sei die Beste.

Eine der ausgestellten Uniformen war relativ kurz bis vor etwa eineinhalb Jahren im Einsatz und darf dennoch als historisch gelten. Es ist der Anzug der heutigen Chefin des Landeskriminalamts Sonja Penzel, die in Chemnitz seit 2018 die erste Frau an der Spitze einer sächsischen Polizeidirektion war.

Die Ausstellung widmet sich teils mit Original-Asservaten auch außergewöhnlichen Kriminalfällen, wie den des Kofferbombers von Dresden aus dem Jahr 2003, des Leipziger Teenie-Drogendealers, dessen Leben vom Streaminganbieter Netflix verfilmt wurde, oder jenes zufälligen Fundes scharfer Granaten vor dem Dresdner Hauptbahnhof, weil die Besitzer ihren Wagen im Halteverbot geparkt hatten.

An anderer Stelle können Besucher erahnen, was Polizisten erleben, die ein Fußballspiel absichern. Teile des Funkverkehrs der heftigsten Fußballrandale der letzten Jahre vom Aufstiegsspiel der SG Dynamo Dresden im Mai 2021 sind dort zu hören und ein von einem Pflastersteinwurf getroffener Helm zu besichtigen.

Umgang mit Pegida und Rechtsextremismus

Sachsens Polizei zeigt sich mit der Ausstellung auch selbstkritisch, etwa wenn es um jenen Mitarbeiter des Landeskriminalamts geht, der als „Hutbürger“ 2018 den durch den Umgang mit Pegida-Protesten ohnehin schon ramponierten Ruf der Polizei weiter verschlechterte. Auch der Umgang mit dem Rechtsextremismus wird thematisiert.

Ein von einem Pressefotografen geschossenes Bild bei Anti-Asyl-Protesten in Freital 2015 bebildert den Wandel. Ein älterer Mann zeigt den Hitlergruß, ein Bereitschaftspolizist fällt dem Senior buchstäblich in den Arm und nimmt ihn vorläufig fest. In den Neunzigern wurde noch weggeschaut oder diskutiert, wie ein echter Hitlergruß aussehen müsse.

Dennoch gehe es Landespolizeipräsident Jörg Kubiessa zufolge auch im künftigen Museum im historischen Gebäude der Dresdner Polizeidirektion nicht darum, Helden auszustellen oder unkommentiert historische Waffen und Ausrüstungsgegenstände zu zeigen.

Das Ensemble soll sich auch an Polizeischüler und -studentenrichten und soll die Demokratie in den Köpfen verankern. „Wenn wir Haltung in der Polizei wollen, wenn wir sicherstellen wollen, dass die Verfassung nicht nur eine auswendig gelernte Textpassage ist, dann muss man sich auch mit seinem Beruf beschäftigen“, so Kubiessa. „Wer Geschichte nicht einzuordnen versucht, hat keine Chance die Gegenwart zu erkennen.“