Propaganda im Sommerkino? Leipziger Filmfestival GlobaLE in der Kritik
Das globalisierungskritische Filmfestival GlobaLE plant für Donnerstag die Vorführung des Dokumentarfilms „Ukraine on Fire“ von Produzent Oliver Stone – und erntet dafür scharfe Kritik. Die Stadt Leipzig distanziert sich von dem Film. Worum geht es?
Das Leipziger Filmfestival GlobaLE, das seit 2004 jährlich eine Reihe von Dokumentarfilmen öffentlich und kostenlos aufführt, sieht sich scharfer Kritik ausgesetzt. Grund ist die für diesen Donnerstag um 20 Uhr am Richard-Wagner-Hain geplante Vorführung von „Ukraine on Fire“ und die daran anschließende Diskussionsrunde. In dem 2016 erschienenen Film soll laut Zusammenfassung auf der GlobaLE-Webseite gezeigt werden, dass die Maidan-Revolution von 2014 „in Wirklichkeit ein Staatsstreich“ war, „der von nationalistischen Gruppen und dem US-Außenministerium geplant und inszeniert wurde“.
Oliver Stone (Regie bei „Platoon“, „Natural Born Killers“, „Wall Street“) agierte als Produzent für den Film und spricht darin unter anderem mit dem 2014 suspendierten ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch und Russlands Präsidenten Wladimir Putin. „Ukraine on Fire“ war bereits zu seiner Veröffentlichung umstritten, wurde einerseits als „Kreml-Propaganda“ (Pavel Shekhtman) bezeichnet, andererseits wurde ihm zugute gehalten, dass er die russische Seite des Ukraine-Konflikts sichtbar mache (Rod Dreher). Oliver Stone gilt seit jeher als scharfer, auch polemischer Kritiker der US-Regierungen. Im März sprach er davon, dass Putin „weder ein neuer Hitler noch ein Stalin“, sondern ein „guter Sohn seines Landes“ sei. 2017 veröffentlichte er die vierteilige Dokureihe „Die Putin-Interviews“.
Auf Twitter kritisierte Marco Fieber vom Verein Libereco, der sich seit 2014 für humanitäre Hilfe in der Ukraine einsetzt, die Vorführung eines „Propagandafilms“ des „Putin-Freundes Oliver Stone“. Und weiter: „Nicht nur der Film selbst ist hochproblematisch, sondern auch die geladenen Gäste“, die bei der anschließenden Diskussionsrunde zu Wort kommen sollen. Die Kritik zielt dabei auf Iwana Steinigk, die Vorstandsmitglied im Verein „Aktionsbündnis Zukunft Donbass“ ist. Reiner Braun, der als zweiter Gast auftreten sollte, sagte bereits vergangene Woche aus privaten Gründen ab.
Laut dem Twitter-Kanal @Chronik_ge_Reb hat Iwana Steinigk zuletzt wiederholt die russische Invasion der Ukraine als Verteidigungsmaßnahme relativiert. Ihr Verein leiste darüber hinaus zwar humanitäre Hilfe in der Ukraine, allerdings nur in von Russland besetzten Gebieten und kooperiere dabei mit rechten Gruppen wie den „Patrioten Noworossija“.
Laut Fieber ist nicht allein die Vorführung des Films, sondern die „gesamte Gemengelage“ problematisch. „Ich erwarte nicht, dass der Film, der ja Falschnachrichten verbreitet, von den Anwesenden im Anschluss kritisch eingeordnet wird“, erklärt er gegenüber LVZ.de.
Mike Nagler vom Team der GlobaLE erklärt die Auswahl des Films damit, dass man in diesem Jahr angesichts des Krieges in der Ukraine eine Dokumentation habe zeigen wollen, die den Hergang des Konflikts aufzeigt. Man habe „Ukraine on Fire“ bereits 2017 bei der GlobaLE gezeigt, er biete eine „gute Grundlage für eine anschließende Diskussion“, auch da er „die andere Seite zu Wort kommen lässt“, sagte Nagler zu LVZ.de. „Ich würde ihn nicht als Propagandafilm bezeichnen.“
Iwana Steinigk, so Nagler, sei bereits im vergangenen Jahr zur Vorführung der Doku „Sommerkrieg“ geladen gewesen, ihre familiären Wurzeln liegen in Russland und in der Ukraine. „Ich halte sie für eine integere Person, mit der man gut diskutieren kann, auch wenn sie eine andere Position vertritt.“ Die Leipziger seien mündig genug, um sich aufgrund des Gesehenen selbst eine Meinung zu bilden. Demokratischer Austausch lebe von Diskussionen und verschiedenen Positionen auf Augenhöhe und nicht von Vorverurteilung, so Nagler.
Die Leipziger Stadtverwaltung äußerte sich am Nachmittag ebenfalls auf Twitter: Man distanziere sich ausdrücklich vom Film und unterstütze die Ukraine „nach Kräften gegen die brutale russische Aggression“. Allerdings achte man auch die Freiheit der Kunst: „Im Unterschied zu einem autoritären Regime hält eine Demokratie das Zeigen eines Films zweifelhaften Inhalts aus.“