Der Bock als Pförtner

Prominenter NPD-Politiker als Sicherheitsmann am Sitz von Sachsens Verfassungsschutz beschäftigt.

Wer sich auch nur ober­fläch­lich mit der NPD in Sach­sen beschäf­tigt, der kennt Hart­mut Kri­en. Der Dresd­ner Poli­ti­ker saß von 2004 bis 2018 für die rechts­ex­tre­me Par­tei im Stadt­rat der Lan­des­haupt­stadt. In den zehn Jah­ren nach 2004, in denen die NPD mit bis zu zwölf Abge­ord­ne­ten im Land­tag des Frei­staats ver­tre­ten war, gehör­te er zu den Mit­ar­bei­tern der Frak­ti­on. Jen­seits des Par­la­ments mel­de­te Kri­en aus­län­der­feind­li­che Kund­ge­bun­gen unter dem Slo­gan »Nein zum Heim« an und war nicht zuletzt Vor­sit­zen­der der Kom­mu­nal­po­li­ti­schen Ver­ei­ni­gung (KPV) der NPD, deren Mis­si­on es war, dass die Nazi­par­tei »über die Stadt­par­la­men­te und Kreis­ta­ge in die Land­ta­ge und in den Bun­des­tag« gelangt. Dort habe er eine »domi­nan­te Schlüs­sel­rol­le« gespielt, hieß es 2011 im »Anti­fa­schis­ti­schen Infoblatt«.

Das säch­si­sche Lan­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz (LfV) soll­te sich eigent­lich mit der NPD zumin­dest im Frei­staat aus­ken­nen. Die Behör­de gilt als »Früh­warn­sys­tem der Demo­kra­tie« und soll ein beson­de­res Augen­merk auf den Rechts­ex­tre­mis­mus legen, der »nicht nur in quan­ti­ta­ti­ver Hin­sicht die größ­te Her­aus­for­de­rung« dar­stel­le, wie Sach­sens neu­er Innen­mi­nis­ter Armin Schus­ter (CDU) erst am Diens­tag bei der Vor­stel­lung des Jah­res­be­rich­tes 2021 betonte.

Zwei­fel dar­an, wie gut das Amt für die­sen Teil sei­ner Arbeit gewapp­net ist, bestärkt ein Vor­fall, der jetzt bekannt wur­de. Dem­nach saß Kri­en rund zwei Mona­te lang an der Pfor­te des Gebäu­de­kom­ple­xes im Dresd­ner Nor­den, in dem neben dem Geheim­dienst auch das Lan­des­kri­mi­nal­amt (LKA) unter­ge­bracht ist. Der NPD-Mann war bei einem pri­va­ten Sicher­heits­dienst beschäf­tigt, der mit Wach­diens­ten in der Lie­gen­schaft betraut wor­den war. Eine for­ma­le Über­prü­fung durch den Ver­fas­sungs­schutz war in Kri­ens Fall nicht vor­ge­se­hen, weil es sich um eine exter­ne Fir­ma han­del­te. Erkannt wor­den sei er erst nach gerau­mer Zeit von Besu­chern. Danach sei die Fir­ma vom LKA auf­ge­for­dert wor­den, ihn nicht mehr an der Stel­le ein­zu­set­zen. Der Innen­mi­nis­ter will nach Anga­ben des MDR jetzt Vor­sor­ge tref­fen, damit ähn­li­che Vor­fäl­le künf­tig nicht mehr mög­lich sind. Betont wur­de aber, es habe kei­ne recht­li­chen Ver­säum­nis­se gegeben.

Die Pos­se sorg­te für Kopf­schüt­teln und spöt­ti­sche Kom­men­ta­re. In sozia­len Netz­wer­ken ist die Rede davon, man habe den »Bock zum Pfört­ner« gemacht. Kers­tin Ködi­tz, Abge­ord­ne­te der Lin­ken im säch­si­schen Land­tag, frag­te sar­kas­tisch, woher die Behör­de auch einen Mann ken­nen sol­le, der 15 Jah­re für die NPD im Stadt­rat geses­sen habe: »Schließ­lich muss man sich um den Links­ex­tre­mis­mus küm­mern.« Ihre Thü­rin­ger Kol­le­gin Katha­ri­na König-Preuss merk­te an, täg­lich sei­en Ver­fas­sungs­schüt­zer an Kri­en vor­bei­ge­lau­fen, die »dafür bezahlt wer­den, Nazis zu erken­nen«. Sie nann­te es eine »Dop­pel­deu­tig­keit«, dass »Nazis beim VS die Türen öffnen«.

Das Innen­mi­nis­te­ri­um beton­te gegen­über dem MDR, Kri­en habe bei sei­ner Tätig­keit kei­nen Zugriff auf fach­li­che Daten­ban­ken gehabt, son­dern ledig­lich auf Tele­fon­ver­zeich­nis­se. Kri­ti­ker mer­ken an, dass etwa Opfer rechts­ex­tre­mer Über­grif­fe die Pfor­te pas­sie­ren. Pikant ist zudem, dass eine mög­li­che Über­wa­chung durch den Ver­fas­sungs­schutz stets ein bri­san­tes The­ma inner­halb der NPD war. Das »Anti­fa­schis­ti­sche Info­blatt« berich­te­te 2011, Kri­en habe im Jahr zuvor von allen Mit­glie­dern des KPV-Bun­des­vor­stan­des eine nota­ri­ell beur­kun­de­te »Per­sön­li­che Erklä­rung zur Ver­schwie­gen­heit« ver­langt. Sie sah eine Stra­fe von 15 000 Euro vor, falls ver­trau­li­che Infor­ma­tio­nen aus der NPD wei­ter­ge­ge­ben wür­den – an Medi­en, poli­ti­sche Geg­ner oder die Sicherheitsbehörden.