Wieder Gewalt bei Corona-Demos in Sachsen

Erneut wurde in mehreren Orten Sachsens gegen die Corona-Politik protestiert. Nicht überall blieb es dabei friedlich. Der Überblick.

Leipzig. Auch in dieser Woche wurde der Montagabend zum Demo-Tag: In vielen Städten und Gemeinden in Sachsen hatten unter anderem die rechtsextremen „Freien Sachsen“ sowie die Alternative für Deutschland zu mehr als 150 Corona-Demonstrationen im Freistaat aufgerufen.

Die Polizei musste sich erneut mit einem Großaufgebot auf die Proteste vorbereiten. Denn noch gilt im Freistaat die Corona-Notfall-Verordnung, nach der sich höchstens zehn Personen ortsfest versammeln dürfen. Nicht überall blieben die Proteste friedlich.

In Freiberg etwa marschierten einige Hundert Menschen durch die Stadt und versuchten dem Zugriff der Polizei zu entkommen. Angemeldet waren hier nach Behördenangaben 13 Versammlungen, zwischenzeitlich versammelten sich hier ersten Schätzungen zufolge rund 700 Demonstrierende. Die Polizei war zahlenmäßig deutlich unterlegen. 100 Beamte der Bereitschaftspolizei waren im Einsatz. Demonstranten durchbrachen die Ketten, Polizisten setzten Schlagstöcke ein. Zudem hatten zwei Demonstranten beim Durchbruch einer Sperre laut Behörde ein Polizeifahrzeug beschädigt, es wurden Anzeigen wegen Sachbeschädigung aufgenommen. Generell sei gesteigertes Gewaltpotential zu merken, sagte ein Sprecher.

Nach dem Einschreiten der Polizei hatte sich die Demonstration über die Stadt verteilt. Ein kleiner Teil versuchte sich in der Innenstadt neu zu sammeln, die Beamten probierten indes, die Lage unter Kontrolle zu bekommen. Es gab von vielen Seiten Beschimpfungen gegen die Einsatzkräfte, die Behörden sprechen von „mehreren hundert Personen“, die sich „zu unzulässigen Aufzügen zusammengeschlossen haben.“ Schließlich wurden die Seitenstraßen und -gassen des Freiberger Obermarktes blockiert, um den Zulauf an Demonstranten zu verhindern. Gegen 20.20 Uhr meldete die Polizei, dass sich die Lage mittlerweile beruhigt und die Personengruppen sich aufgelöst hätten.

Schon in der vergangenen Woche hatten sich mehr als 500 Gegner der Corona-Maßnahmen zu einem illegalen Demo-Zug versammelt. Demonstranten durchbrachen dort eine Polizeisperre und griffen Beamte der Bundespolizei tätlich an.

Mehrere Demonstrationen in Dresden

Für die Landeshauptstadt Dresden war neben einzelnen Protesten unter anderem am Wiener Platz und am Goldenen Reiter auch erneut ein Autokorso unterwegs, der diesmal mit etwa 130 Fahrzeugen nach Pirna führte.

Im Dresdner Stadtteil Bühlau waren rund 250 Menschen seit 18 Uhr von der St. Michaelskirche ohne Masken unterwegs. In Dresden-Pieschen hatten sich 150 Menschen versammelt, die Polizei forderte anders als in den vergangenen Wochen auf, die Demonstration aufzulösen. An der Wurzener Straße wurde der Zug dann von der Polizei blockiert, die Demo kehrte um und löste sich in mehrere kleinere Gruppierungen auf.

Im Bereich der viel befahrenen Leipziger Straße seien jedoch 200 Maßnahmen-Gegner auf rund 70 Gegendemonstranten getroffen. Die Beamten konnten eigenen Angaben zufolge eine Auseinandersetzung verhindern und die Lager trennen. Durch den Einsatz war zeitweise auch der Straßenbahnverkehr eingeschränkt.

Der Stadtteil Pieschen blieb nicht der einzige Einsatzort der Polizei: Am Schillerplatz hatten sich 250 bis 300 Menschen versammelt, die Demonstration kam aus Richtung Elbe. Hier stoppten Bundespolizisten den Aufzug und nahmen Personalien auf.

Weitere Versammlungen gab es laut Polizei auf dem Altmarkt (ca. 100 Personen), der Bautzner Landstraße (300), dem Neumarkt (200), der Leubener Straße (200), am Wasaplatz (200) sowie am Wiener Platz (20). Auf der Bautzner Landstraße ist den Angaben der Polizei zufolge ein Schweizer Journalist von Unbekannten geschlagen worden. Ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung wurde eingeleitet.

Gegenproteste in Leipzig

Auch in der Region Leipzig kam es bei Corona-Protesten an mehreren Orten zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. In Engelsdorf, Liebertwolkwitz, Borna, Eilenburg und Grimma protestierten teils mehrere Hundert Menschen mit Aufzügen gegen die Corona-Maßnahmen. Sie wurden von der Polizei gestoppt, von einigen Teilnehmern wurden die Personalien festgestellt.

In der Leipziger Innenstadt stellten sich mehrere Hundert Gegendemonstranten den Kritikern der Corona-Maßnahmen in den Weg. An wechselnden Positionen in der Innenstadt versuchten sie mit Menschenketten, vermeintliche Spaziergänge von Corona-Leugnern ohne Masken aufzuhalten. Die Polizei musste sich immer wieder zwischen die rivalisierenden Gruppen drängen und sie stoppen. Mehrfach wurden Anhänger beiden Seiten zur Identitätsfeststellung abgeführt. Eine größere Gruppe von Gegnern der Corona-Maßnahmen wurden am Nikolaikirchhof eingekesselt. Beim Wurf eines ohrenbetäubenden Böllers in einer Einkaufsstraße wurden zwei Menschen verletzt.

„Grundsätzlich verliefen die Versammlungen friedlich, mussten aber von uns getrennt werden“, sagte Polizeisprecher Olaf Hoppe in einem Zwischenfazit. Allerdings war die Polizei nur mit knapp 100 Beamten in der Leipziger Innenstadt präsent. „Unsere Schwerpunkte waren an anderen Orten“, so Hoppe. Das Bündnis „Leipzig nimmt Platz“ hatte unter dem Slogan „Das Ende der Geduld“ zu Kundgebungen am Augustusplatz, vor der Nikolaikirche und am Markt aufgerufen, um Aufmärsche wie der Freien Sachsen zu verhindern.

„Es wird höchste Zeit, dass wir mit stillem Protest zeigen, dass eine Mehrheit unserer Stadtgesellschaft für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheitsrechte der Gemeinschaft eintritt“, sagte Grünen-Politikerin Gisela Kallenbach. Das stellenweise Nichtagieren der Polizeikräfte sei nicht länger hinnehmbar, betonte Grünen-Politiker Jürgen Kasek. Initiatoren waren Mitglieder des Aktionsnetzwerks „Leipzig nimmt Platz“, dem unter anderem die Stiftung Friedliche Revolution, Parteien und Jugendorganisationen angehören. Gegen 20:30 Uhr beruhigte sich die teils angespannte Lage in der Innenstadt.

Stein- und Flaschenwürfe auf Polizisten in Bautzen

In Görlitz hatten sich mehrere hundert Menschen auf dem Postplatz versammelt und bewegten sich Richtung Marienplatz. Das waren deutlich mehr als erlaubt, denn nach einem Gerichtsbeschluss hätte die Demo mit 100 Personen stattfinden dürfen. Die Demonstranten hatten versucht, keine Zäune aufstellen zu müssen, indem sie die Demonstration mit dem Autos der Teilnehmer abschirmen. Doch die Polizei verhinderte diesen Versuch.

In Bautzen, hatten sich die Demonstrierenden gegen eine Ausnahmegenehmigung mit 100 Menschen und strengen Auflagen entschieden. Stattdessen gab es mehrere Versammlungen im Gebiet der Reichenstraße, des Reichenturmes, des Hauptmarktes und des Kornmarktcenters. Insgesamt waren rund 600 Menschen unterwegs. Die Polizei berichtet von Stein- und Flaschenwürfen gegen die Einsatzkräfte. Mindestens drei Beamte seien verletzt worden, mehrere Polizeifahrzeuge wurden beschädigt.

Einsatzkräfte mussten „einfache körperliche Gewalt“ und Pfefferspray einsetzen, weil Demo-Teilnehmer die Polizeikette durchbrechen wollten und die Beamten angriffen. Dabei erlitt ein Demonstrant einen asthmatischen Anfall.

Bautzens Oberbürgermeister Alexander Ahrens (SPD) hatte kurz nach dem eskalierten Aufmarsch ein Demonstrationsverbot gefordert und sieht eine rote Linie überschritten. Gewalt auf Polizisten sei nicht hinnehmbar, so der Politiker im CoronaCast.

In Radeberg hatten sich am Abend rund 300 Menschen vor dem Rathaus versammelt. Kurz nach 19 Uhr formierte sich ein Zug durch die Innenstadt. Einige Teilnehmer hatten Trillerpfeifen dabei. Einige wenige Polizeibeamte beobachteten die Versammlung dort – ohne dabei einzugreifen.

Proteste auch in weiteren Kreisen Sachsens

Demonstrationen meldete die Polizei auch aus dem Landkreis Meißen. In Radebeul etwa gingen etwa 1.100 Menschen auf die Straße. Vereinzelt gab es Gegenprotest, die Polizisten verhinderten ein Aufeinandertreffen der beiden Lager. Weitere Aktionen gab es in Coswig (ca. 100 Personen), Großenhain (300), Meißen (450), Moritzburg (100 ), Nünchritz (40), Radeburg (400), Riesa (100), Weinböhla (400) und Zabeltitz (40).

Auch im Landkreis Sächsische-Schweiz-Osterzgebirge gingen Corona-Maßnahmengegner auf die Straßen: In Pirna standen sich etwa 200 Demonstranten etwa 100 Gegendemonstranten gegenüber. Gegen beide Gruppen gibt es nun Ordnungswidrigkeits-Anzeigen wegen Verstößen gegen die Corona-Verordnung.

Weitere Demonstrationen gab es in Bad Schandau (ca. 360 Personen), Bannewitz (350), Dippoldiswalde (400), Freital (300), Heidenau (130), Kreischa (400), Neustadt in Sachsen (300), Rabenau (160), Ruppendorf (150), Wilsdruff (600), Schmiedeberg (250), Sebnitz (200) sowie in Stolpen (120).

Am Markt in Chemnitz hatten sich nach Polizeiangaben rund 300 Menschen versammelt, die von Einsatzkräften mittels Lautsprechern angesprochen und aufgefordert wurden, den Platz zu verlassen.

In Zwickau sind Teilnehmer Corona-Demonstration auf eine spontane Gegendemonstration getroffen und wollten diese stören. Eine Polizeikette wurde zum Schutz der Gegendemonstranten gezogen. Die Situation in Zwickau hatte sich laut Polizei am Abend beruhigt. Bislang konnten 18 Teilnehmern der unzulässigen Versammlung identifiziert werden, darunter die eines mutmaßlichen Initiators.

Dass in Sachsen zunehmend Rechtsextremisten die Corona-Proteste steuern, beobachtet auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser mit Sorge. Die SPD-Politikerin besuchte am Montagabend das Lagezentrum der Polizei Sachsen in Dresden. Am Dienstagmorgen sagte sie im „Morgenmagazin“ des ZDF, sie sei froh, „dass es gestern einigermaßen ruhig geblieben ist“. „Aber wir verzeichnen leider auch regional einen sehr großen Zulauf der Rechtsextremisten, und das bereitet uns schon Sorge“, erläuterte sie. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Demonstrationen sollten sich fragen, mit wem sie auf die Straße gehen.

Zugleich verwies Faeser auf „das hohe Gut der Versammlungsfreiheit“. Es gehöre zu einem Rechtsstaat dazu, abweichende Meinungen bei Demonstrationen zu äußern.