Call Out: AZ Salzwedel – Täterschutz & entfesseltes Patriarchat
Das Autonome Zentrum Salzwedel hat sich in den vergangenen Jahren zu einem überregionalen Liebling linker und autonomer Kreise entwickelt. In der ostdeutschen Provinz gelegen und stabil antifaschistisch, erhielt das AZ zuletzt sehr viel Unterstützung von Antifa-Gruppen. Insbesondere nach dem Nazi-Angriff vom Februar 2025, der aus dem AZ heraus gefilmt worden war.
Da passt es weniger ins schöne Bild von Leuten, die wie das gallische Dorf im Osten die Stellung halten, dass sich im AZ in den vergangenen Monaten patriarchale Personen, Strukturen und Praktiken festgesetzt und etabliert haben. Und die treten Standards einer antiautoritären (oder autoritätskritischen) Linken mit Füßen, um ihre persönlichen patriarchalen Interessen durchzusetzen.
Allen voran: Einer von sexueller und psychischer Beziehungsgewalt innerhalb des AZ betroffenen, in Salzwedel zugezogenen FLINTA-Person werden Parteilichkeit und Schutz verweigert. Der Zweck des Ganzen ist es, auf Biegen und Brechen an einer „Täterarbeit“ mit der langjährig im Kern des AZ stehenden und allseits gemochten Täterin festzuhalten. Oder sich von zu frechen Betroffenen nicht die Gute-Linke-Männer-Privilegien nehmen zu lassen. Oder zu verhindern, aufgrund konstanter Sabotage feministischer Politik im Haus mal selber ins Visier der Frage zu geraten, was man eigentlich davon hat, wenn das Wohl von grenzverletzenden Personen und der heilige Hausfriede ständig über dem Wohl von Betroffenen stehen.
Es folgt eine aufgrund der Komplexität auf die wesentlichen Aspekte verkürzte(!) Darstellung der Ereignisse.
Was war passiert?
Im Winter 2023 beging die Täterin zwei Übergriffe, in denen es jeweils zu letztlich nicht-einvernehmlichem Geschlechtsverkehr gekommen ist. Einmal durch Vorenthalten einer brisanten Information, die offensichtlich und gemäß vorheriger eindeutiger Aussprachen zum Thema zu einem „Nein“ zum Sex geführt hätte, das andere Mal überfallartig, mit anschließender „Flucht“ und unter Ausnutzung der Tatsache, dass die betroffene Person auf eine echte Beziehung hoffte und in der Initiierung des sexuellen Kontakts durch die Täterin eine letztgültige Entscheidung zu einer solchen erblickte.
Die falsche Aussicht auf diese Beziehung wurde dieser Person letztlich ein ganzes Jahr lang versprochen, die Aufrechterhaltung der missbräuchlichen „Nicht-Beziehung“ bis dahin, samt der Übergriffe und der falschen Hoffnungsmache, unterdessen auch durch Lügen und durch bewusste Verheimlichung dieser „Nicht-Beziehung“ im gemeinsamen Umfeld ermöglicht. Und durch das „Anvertrauen“ brisanter Geheimnisse an die betroffene Person, in denen es unter anderem um Leben und Tod(!) ging. Samt auferlegtem Schweigegebot.
Nachdem die Täterin im Herbst 2024 Salzwedel aus von all dem unabhängigen Gründen verlassen hatte, verweigerte sie der betroffenen Person eine Verantwortungsübernahme für die einige Wochen zuvor eigentlich schon eingestandenen Übergriffe und konterte mit Gegenvorwürfen, wonach die betroffene Person doch viel mächtiger als sie gewesen sei – so viel mächtiger, dass es sich eigentlich umgekehrt von Anfang an um Machtmissbrauch durch die betroffene Person gehandelt habe.
Die betroffene Person wandte sich mit ihrer Geschichte nun erstmals an drei Personen im AZ Salzwedel, bei denen es sich aufgrund der Alters- und Geschlechtszusammensetzung im AZ sowie aufgrund von bestehenden Freund*innenschaften zur Täterin um drei männliche Personen handelte. Zwei von der Täterin zu deren Unterstützung angesprochene Personen realisierten schnell, dass sie der betroffenen Person und nicht der Täterin Glauben schenkten.
In der Folge setzte sich aus 3 – 4 männlichen Personen eine Gruppe zusammen, die irgendwie zum Thema arbeiten wollte. Zur Ermöglichung dieser Arbeit stellte die betroffene Person der Gruppe umfassende intime schriftliche Unterlagen samt starker Belege für das Geschehen zur Verfügung. Da die Täterin den Wunsch äußerte, Kommunikation möge nicht mehr direkt durch die betroffene Person an sie erfolgen, da sie darauf immer so heftig emotional reagiere, und auch die Gruppe diese Bitte an die betroffene Person herantrug, ließ die sich auf die Absprache ein.
Hintergrund ist die persönliche große Neigung der Täterin zu Angst vor und Vermeidung von Konflikt, mit der sie in den vielen Jahren zuvor auch die Kultur des AZ selbst mitgeprägt hatte. Ein sehr früh geäußerter Wunsch der betroffenen Person war es, dass die angesprochenen Genossen und Freunde vor allem als Genossen und Freunde für sie da sein sollten und es ihr vor allem um die Verteidigung ihres Lebens in Salzwedel ginge.
Denn sie hatte sich während der missbräuchlichen, von der Täterin selbst gegenüber der eigenen WG geheim gehaltenen „Nicht-Beziehung“ und vor allem seit den sexuellen Übergriffen sozial isoliert und unter starker Scham gelitten – und deshalb unter Einsamkeit. Und dann passierte: Nichts.
Erst nach vielen Wochen der Selbstbeschäftigung der profeministischen Männer mit ihrer ach so schweren Rolle als Männer – und dann noch vor dem Hintergrund eigenen patriarchalen Verhaltens in der Vergangenheit! – erfuhr die betroffene Person, dass die umfassenden Unterlagen überhaupt nicht gesichtet worden waren. Ob sie das denn immer noch wolle, dass man die Unterlagen sichte? Das bejahte die betroffene Person.
In der Zwischenzeit hatten sich erste Hinweise dazu abgezeichnet, dass in der „Bearbeitung“ des Ganzen von zentralen Prinzipien abgewichen werden würde, die feministische Kämpfe in den vergangenen Jahrzehnten etabliert hatten. So stellte die betroffene Person im Gespräch mit ihren „Unterstützern“ fest, dass diese sich von ihr gar nicht als „Unterstützungsgruppe“ oder „Unterstützer“ bezeichnen lassen wollten.
Eine richtige Erklärung dazu gab es nicht. Auf die betroffene Person hatte es den Eindruck, dass die Männer um irgendeine „Neutralität“ bemüht waren. In der Folge war uneinheitlich von „Bearbeitungsgruppe“, „Kontaktgruppe“ oder einfach nur der „Gruppe“ die Rede. Es gab Äußerungen aus der Gruppe, dass man ja selber nicht so genau wisse, was man sei oder in welcher Rolle und dass man das ja gerade für sich kläre. Die betroffene Person entschied sich aufgrund ihrer extremen Abhängigkeit von der „Gruppe“ und aufgrund der Tatsache, dass ihre Vorwürfe glaubwürdig und sehr gut belegbar waren, die Zusammenarbeit mit der Gruppe nicht durch zu viel Kritik zu gefährden.
Besagte Gruppe kam auch in den folgenden Wochen kaum ins Handeln und sah sich durch jede der häufigen neuen kleineren Entwicklungen aufs Neue außerstande, die betroffene Person konkret zu unterstützen. Man musste sich ja natürlich immer erst einmal in der „Gruppe“ einig werden und dazu natürlich Termine für Treffen finden. Die eigene Sicherheit, als Mann nichts „falsches“ zu tun, als Gruppe die Kontrolle zu behalten und dazu in allem einheitlich aufzutreten, war offensichtlich wichtiger.
Als dann die Unterlagen mit den Belegen wirklich mal gelesen waren, erging das sanfte Signal an die betroffene Person, dass man jetzt aber wirklich(!) verstanden habe, warum diese Unterlagen zur Verfügung gestellt worden waren, und sich ein umfassendes Bild von Tat, Täterin und weiterem Verhalten der Täterin seither gemacht habe, darum jetzt ans Werk einer Arbeit mit der Täterin gehen könne. In der Zwischenzeit passierten dann solche Sachen wie, dass die betroffene Person, zu der ja eigentlich auch freund*innen- und genoss*innenschaftliche Beziehungen bestanden hatten, zwei Tage vor Weihnachten bei einem eigentlich verabredeten Videospiel-Abend durch drei(!) Personen, zwei davon aus der „Gruppe“, unabhängig voneinander und gleichzeitig versetzt und zuhause alleingelassen wurde.
Zwei der drei hielten es nicht für nötig, das in der Folge vernünftig anzusprechen, sich richtig zu entschuldigen oder die sowieso schon durch die Tatfolgen starke Einsamkeit der betroffenen, aufgrund von Scham und Angst zurückgezogen lebenden Person durch eine neue Verabredung etwas zu lindern. Offensichtlich waren das eigene Unbehagen und die Vermeidung unguter Gefühle wichtiger als die Gefahr, der betroffenen Person durch solches Verhalten zu signalisieren, dass sie ausgerechnet jetzt auch auf Freund*innenschaft nicht zählen konnte. Nur eine der Personen bemühte sich in Reaktion auf das Versetzen, sich mit der betroffenen Person einige Male zum Spielen zu verabreden.
Weil ja jede Kommunikation mit der betroffenen Person zuvor aufgrund schräger Kontrollbedürfnisse in der „Gruppe“ besprochen und kollektiv abgesegnet werden musste, aber laufend neue Ereignisse hinzukamen, kommunizierten die Mitglieder besagter „Gruppe“ insgesamt kaum mit der betroffenen Person, ließen sie also zum Dank ihrer Selbstoffenbarung zunehmend allein.
Eine gemeinsame Chat-Gruppe trug den symptomatischen Namen „Postkasten“. Die sollte dazu dienen, dass die „Gruppe“ als Kommunikationspuffer zum Schutz der Täterin vor direkten Kommunikationen der betroffenen Person fungieren konnte, und dazu, vorher intern abgesprochene Nachrichten an die betroffene Person zu senden. Die „Gruppe“ selbst organisierte sich in einem anderen Kanal.
Von dieser problematischen Grundausrichtung der „Gruppe“ distanzierte sich schließlich einer der Männer ein Stück weit, als er die Konsequenzen auf die betroffene Person erkannte, traf sich mit ihr kurzerhand einen Tag lang und erzählte erstmals umfänglich von den Gesprächen, die man in der Zwischenzeit mit der Täterin geführt hatte. Die Inhalte waren nicht gerade erbaulich.
So gab diese etwa an, sich an eine der zwei ja formal schon eingestandenen Taten bzw. sexuellen Kontakte überhaupt nicht zu erinnern (Klassiker: Täter*innen haben immer plötzlich keine Erinnerung an ihre Taten). Sie bemühe sich aber – gemäß dessen, was man von ihr kennt – um Kooperation und um das Erfüllen von Erwartungen.
Einige Wochen darauf folgte ein durch die Gruppe übermittelter Brief der Täterin an die betroffene Person, in dem diese sich in erratischen Beschreibungen umfassend für die entstandene Situation immer wieder die Schuld gab und die sozial erwarteten Beileidsbekundungen für das entstandene Leid äußerte.
Die völlig unkonkrete Selbstbezichtigung für irgendwie alles gipfelte – logisch konsequent – in Beschreibungen, dass es ja aber gar keine sexuelle Gewalt gegeben habe. Die Täterin plane daher nun, von einer noch der betroffenen Person direkt zugesagten Vereinbarung zurück zu treten, wonach sie das AZ zu deren Schutz nicht betrete. Sie werde demnächst wieder im AZ zu Besuch sein. Aufgrund ihrer erneuerten emotionalen Betroffenheit und Verängstigung richtete die betroffene Person an jemanden aus der „Gruppe“ den Wunsch, man möge solche heftigen Briefe nicht einfach weiterleiten, sondern wenigstens in einem Gespräch vermitteln und dazu sagen, was die „Gruppe“ über den Brief denke – etwa über die Leugnung der sexuellen Gewalt oder die Ankündigung, den Schutzraum nicht weiter zu beachten.
Dazu ließ sich jemand aus der Gruppe denn auch spontan auf ein Face-to-Face-Gespräch ein – und konnte immerhin klarstellen, dass man der betroffenen Person auch trotz der nun kompletten Leugnung der sexuellen Gewalt Glauben schenke. Wichtig sei es eben, weiter mit ihr „Täterarbeit“ zu machen, man habe da Hoffnung. Man werde ihr kommunizieren, dass sie nicht ins AZ zu Besuch kommen solle.
Während sich die Gruppe, so hat es den Anschein, immerzu darum bemühte, der Täterin jede Botschaft auch möglichst verdauungsgerecht und im mündlichen Gespräch und mit ganz viel Verständnis und Zuspruch zu servieren, damit sie sich ja nicht aus der „Täterarbeit“ zurückzieht, wurden der betroffenen Person heftige, bedrohliche Botschaften ohne jede Einordnung oder Versicherung dazu, dass man weiter zu ihr stehe, um die Ohren gehauen. Prioritätensetzung eben.
Als dann wieder wochenlang mehr oder weniger nichts geschah, kündigte die betroffene Person im Frühjahr 2025 an, dass sie sich absehbar aus dem Kontakt mit der „Gruppe“ zurückziehen und die Beziehung zu den Männern normalisieren wolle, da sie sie als Freunde und Genossen brauche, was mehr und mehr durch die entstandene Situation gefährdet sei, die Tätigkeit der Gruppe offensichtlich zu keiner Verhaltensänderung der Täterin führte und jedes neue noch so kleine Ereignis, jede neue Information zu einem heftigen Rückfall bei der emotionalen Heilung bedeutete.
Die Ankündigung wurde von den mündlich angesprochenen Personen so hingenommen und für nachvollziehbar erklärt. Als sich die betroffene Person dann im März 2025 tatsächlich aus dem Kontakt zur „Gruppe“ zurückzog und diesen Schritt durch Austreten aus dem „Postkasten“-Chat auch symbolisch klarmachte, trat Mann X aus der Gruppe an die betroffene Person heran und verabredete sich zum Schachspiel. Nach dem Spiel eröffnete X seine persönliche Gekränktheit von dem Austritt und gab an, erst einmal mit Wut reagiert zu haben.
Sein Anliegen: Es sei doch so ungemein wichtig, weiter mit der Täterin zu arbeiten. Und jetzt habe man doch schon so viel Arbeit für die betroffene Person da reingesteckt. Er drängte die betroffene Person dazu, in die Zusammenarbeit mit der „Gruppe“ zurückzukehren, was diese verneinte. Sie ließ sich aber darauf ein, dass die „Gruppe“ weiter an der Täterin „arbeiten“ dürfe – nur eben nicht mehr unter ihrer Beteiligung. In ganz wichtigen Fällen sei sie aber ansprechbar.
Einige Wochen darauf wurde die betroffene Person nach einem Spaziergang von einer dritten Person zum anschließenden Abendessen in eine (kleine) WG eingeladen, in der auch zwei der „Gruppen“-Mitglieder wohnen bzw. früher mit der Täterin gewohnt hatten. Der Einladung folgte sie. Vor Ort musste sie dann feststellen, dass Menschen aus der WG und dem Umfeld des AZ gerade ein erstes Grillen im Hof veranstalteten – und dass die Täterin auch absehbar kommen würde. Daraufhin verließ die betroffene Person die WG und ging heim.
Eine Solidarisierung mit ihr, eine kurzfristige Ausladung der Täterin und Einladung der betroffenen Person zum Grillen oder Ankündigungen, so etwas nicht wieder vorkommen zu lassen? Fehlanzeige. Sie stürzte in einen neuen Rückfall bei der Heilung, isolierte sich wieder zuhause und litt darunter, dass die Menschen aus ihrem kleinstädtischen Umfeld nicht zu ihr standen, offensichtlich eher den „guten alten Zeiten“ mit der Täterin hinterhertrauerten. In Reaktion auf diesen Vorfall beschloss die betroffene Person, der im Raum stehenden, immer weiter voranschreitenden Entsolidarisierung ihres Umfeldes aus eigener Kraft etwas entgegen zu setzen, und erzählte erstmals einzelnen weiteren Personen von der Gewalt.
Und: Sie entschloss sich dazu, ein formales Hausverbot in das AZ-Plenum einzubringen, sich so einen längerfristigen Schutz vor Rückkehr der Täterin zu sichern und so auch im weiteren AZ-Umfeld zumindest symbolisch klar zu machen, dass es hier zu beachtende Sensibilitäten im Umgang mit der beliebten Täterin gibt. Zu diesem Zweck kündigte sie eine Woche vorher den kommenden Hausverbotsantrag in einer Textnachricht an einige AZ-Genoss*innen an und klärte sie – einige zum ersten Mal – detaillierter über die Gründe für das Hausverbot auf: Sexuelle Gewalt.
Als sie wenige Stunden nach dieser Nachricht ins AZ kam, begegnete sie direkt beim Öffnen der AZ-Tür einem der Männer aus der „Gruppe“. Der empfing sie nicht nur mit genervtem Blick samt weit hochgezogener Augenbrauen, sondern auch mit einer Boxgeste in ihr Gesicht. Die anschließende Entschuldigung – die sich die betroffene Person aktiv und unter Tränen von dem Mann einholen musste – kann jedoch kaum überdecken, welche Gefühle in der „Gruppe“ oder im AZ ausbrechen, wenn die betroffene Person selbstbestimmt in eigener Sache tätig wird, statt sich der gnädigen „Bearbeitung“ der „Gruppe“ zu unterwerfen, und man „genötigt“ wird, Konsequenzen für die Täterin mitzutragen (wegen diesem doofen Feminismus und so).
Aus einer extrem ohnmächtigen Person wird so, aus Sicht des Umfelds, eine übermächtige, herrschsüchtige Frau, die aus ihrer Betroffenheit Machtkapital schlägt, wogegen man sich wiederum intuitiv zur Wehr setzt. Täter-Opfer-Umkehr eben.
Wenige Stunden vor dem fraglichen AZ-Plenum teilte Mann X, der die betroffene Person zum Wiedereintritt in die „Täterarbeit“ gedrängt hatte, dann per knapper Textnachricht mit, dass die Täterin einen Brief an das am Abend stattfindende Hausplenum geschrieben hätte. Die betroffene Person erlitt eine Panikattacke und wandte sich, nachdem X nicht auf unmittelbar gestellte Nachfragen antwortete, an eine andere Person aus der Gruppe mit der Bitte, jetzt gleich mit ihr in Kontakt zu treten und zu erzählen, was da gerade passiert und was in dem Brief steht. Die brach auch – so wie die betroffene Person – ihren Arbeitstag ab und traf sich mit ihr.
Im Gespräch zog die betroffene Person ihrem Gegenüber dann die Information aus der Nase, dass sich die „Gruppe“ am Wochenende mit der Täterin getroffen hatte. Und dann, verdruckst nach einer Weile, dass es die „Gruppe“ war, die die Information an sie weitergegeben habe, dass gegen sie ein Hausverbotsantrag eingebracht werde. Es sei der „Gruppe“ dabei darum gegangen, dass die Täterin jetzt proaktiv, von sich aus, Verantwortung übernehme – weil man ja sah, dass sie es nicht tat und wenn, dann nur in ihrem Eigeninteresse handelte. Dass ein Brief kommen würde, davon habe man nichts gewusst. Aber in dem Brief würde die Täterin ja das Hausverbot gegen sich selbst unterstützen und das sei ja gut.
Anders ausgedrückt: Angesichts dessen, dass die täter-opfer-umkehrende Erzählung der Täterin und die Leugnung der sexuellen Gewalt auf keinen Glauben gestoßen war, verlegte sich die Täterin nun darauf, wieder die Reumütige zu geben und wenigstens im AZ Imagepflege im eigenen Interesse zu betreiben. Ein erneuertes, wenigstens formales Bekenntnis zu den Übergriffen gegenüber der betroffenen Person gab es da noch immer nicht. Die betroffene Person forderte, der Brief möge nicht an das AZ-Plenum zugestellt werden und weigerte sich auch, das ihr neuerlich aufgezwungene Herausgetröte der Täterinnenperspektive zur Kenntnis zu nehmen.
Eine Verantwortungsübernahme dafür, dass X die betroffene Person zum wiederholten Male durch sein Handeln völlig ohne jede Not emotional aus der Bahn geworfen hatte, samt wochenlanger Auswirkungen: Nö. Der Hausverbotsantrag, den die betroffene Person weinend und zitternd vor den nun erweiterten Mitwisser*innen ihrer intimsten Geschichte einbrachte und erklärte, wurde vom Plenum angenommen. Natürlich. Denn man gehört ja zu den Guten.
Für den Sommer stand ein linkes Musikfestival in der Nähe von Salzwedel an, für das auch die betroffene Person Karten erworben hatte. Kurz vor dem Festival erfuhr sie in einem Gespräch, dass es eine Anfrage gegeben habe, beim Festival auf der Bühne den „AZ-Allstars-Song“ zu performen. Der Rap-Song hatte emotional eine große Bedeutung für die enttäuschten Liebeshoffnungen der betroffenen Person. Denn er war zwei Jahre zuvor – in der romantischen Kennenlernphase der Täterin und der betroffenen Person – entstanden und erstmals im AZ live performt worden.
Eine der vielen Rapperinnen auf der Bühne: Die Täterin. Ihr Rap-Part werde nun aber einfach von einer Freundin der Täterin übernommen. Dem Festival sei der Auftritt bereits zugesagt worden. Ob das ein Problem sei? Die betroffene Person – jetzt schon langfristig darin geübt, sich selbst zu verleugnen, um das überlebenswichtige Wohlwollen sowohl der „Gruppe“ als auch der anderen AZ-Genoss*innen nicht zu verlieren, von dem ihre Existenz in Salzwedel abhing – antwortete, dass sie sich dann eben während des Auftritts woanders hin begeben werde und das dann schon „okay“ sei. Es seien ja nur fünf Minuten…
Einige Tage vor dem Festival schrieb X die betroffene Person wieder an. Ob sie sich wieder zum Schachspielen treffen wolle? Und danach, um über schwere Dinge zu reden. Die Person antwortete, dass sie gern Schach spiele. Wenn mit den „schweren Dingen“ aber die Täterin gemeint sei, laute ihre Antwort „Nein“, da ihr das nichts bringe und sie nur immer wieder aufs Neue aus der Bahn geworfen werde. X antwortete knapp.
Kernbotschaft, wortwörtlich: „Wir müssen aber“. Sofort erlitt die Person die nächste Panikattacke, da bei ihr natürlich Vorstellungen darüber aufkamen, dass es eine neue Entwicklung gegeben habe, die ihr gefährlich werden könnte und mit der sie sich jetzt schon wieder beschäftigen müsste („wir müssen aber“ – „du musst aber“) – und, weil X mit einem kurzen Satz ein klares und unmissverständliches „Nein“ zu brechen versuchte, um seinen eigenen Wunsch nach aufrechterhaltener „Täterarbeit“ durchzusetzen.
Obwohl er wusste, dass sich die betroffene Person daran seit langem nicht mehr beteiligen wollte. Dann schob er eine knappe Erklärung hinterher, dass man sich demnächst wieder mit der Täterin treffe und er nun erklären wolle, warum er darin was wie tue. Die betroffene Person ging zunächst nicht weiter darauf ein.
Auf dem Festival angekommen, wurde der betroffenen Person klar, dass es im Camp der AZ-Mitstreiter*innen kaum ein anderes Thema gab als den anstehenden Auftritt. Laufend ging es um den Auftritt, um organisatorische Absprachen, anstehende Proben, Aufgeregtheit. Als sich die Person, mehr und mehr von der Situation überfordert, am Abend in ihr Zelt zurückzog, betraten kurz darauf die Auftretenden das Camp und beschlossen kurzerhand, den AZ-Allstars-Song abzuspielen und zum Warmwerden in den eigenen Parts mitzurappen. So musste sich die betroffene Person auch noch die Aufnahme aus nächster Nähe anhören, auf der ihre Täterin rappt.
Ein Bewusstsein dafür, dass man die betroffene Person wenigstens vor dem Song und allem, was mit dem Auftritt zu tun hatte, hätte schützen können, hatte sich unter den AZ-Genoss*innen nicht entwickelt – genau so wenig wie das Bewusstsein dafür, wie extrem verletzlich betroffene Personen innerhalb eines geteilten Umfeldes nach sexueller Gewalt gegenüber Anzeichen von Zurückweisung und Entsolidarisierung sind.
Und dass gerade auch solche eher „banalen“ Momente Betroffenen klar zeigen, dass sie nur mit mehr und mehr Verletzungen zu rechnen haben, wenn das Umfeld eigentlich lieber „einfach so weiter machen“ will wie bisher, während für die betroffene Person nichts geblieben ist, wie es war. Während des Auftritts am folgenden Abend packte die betroffene Person dann weinend ihr Zelt zusammen und reiste allein ab. Das wurde zwar registriert.
Eine Verantwortungsübernahme im Nachhinein, konkrete Angebote, das Sicherheitsgefühl der betroffenen Person zu erhöhen oder wenigstens Ansagen, künftig sensibler zu sein gegenüber faktischen Ausgrenzungen der betroffenen Person: Fehlanzeige. Es schien, als sei die betroffene Person eben irgendwie selbst schuld oder „zu sensibel“. Niemand sah sich in Verantwortung – auch nicht die Mitglieder der „Gruppe“.
Einige Tage nach dem Festival kündigte die betroffene Person in einer Nachricht an einige der AZ-Genoss*innen an, dass sie künftig in einen AZ-Patriarchats-Streik treten werde. Auslöser dazu war vor allem der Versuch von X, die betroffene Person wieder zur Kooperation bei der „Täterarbeit“ zu zwingen und ihr klares „Nein“ dazu zu übergehen. Auslöser waren aber auch sonstige patriarchale Entwicklungen im AZ, um die es später noch gehen wird.
Sie habe in den vergangenen Monaten „extrem stark an verschiedenen Stellen im AZ-Kontext unter patriarchalem Verhalten, Zwang und Gewalt gelitten“, schrieb sie. Und: „Ich habe mich darin von Menschen aus dem AZ und dem AZ-Umfeld nicht genug vor dieser Gewalt und ihren Auswirkungen geschützt gefühlt. Teilweise wurde die (eigentlich) von anderen ausgehende Gewalt in ihrer Auswirkung auf mich eher noch verstärkt“. Die betroffene Person blockierte zudem X nach den wiederholten, handstreichartigen Nachrichten, die sie jeweils emotional tage- und wochenlang aus der Bahn geworfen hatten, im Messenger.
Angebote, zusammen im Gespräch zu erarbeiten, wie das AZ sich mit einer betroffenen Person tatsächlich solidarisch zeigen und ihr Sicherheit zurückgeben könnte, oder Angebote, aufzuarbeiten, inwiefern das AZ-Umfeld an der Weiterreichung von Gewalt beteiligt gewesen sein könnte, erfolgten in den Wochen auf die Streikankündigung hin nicht. Nur vereinzelt traten im AZ eher leise Personen an die betroffene Person heran und bekundeten immerhin vom Prinzip her ihre Solidarität und ihr Mitgefühl. In den großen Runden würden sie sich aber nicht trauen, etwas zu sagen.
Als die betroffene Person nach einiger Zeit erstmals wieder ein AZ-Plenum besuchte, wurde sie dort von X vor allen Menschen provozierend darauf angesprochen, warum X denn Nachrichten der Person in Gruppenchats nicht mehr sehe. So wurde die Person dazu gezwungen, sich wieder auf dem AZ-Plenum zu erklären. Auf die Ansage hin, dass die betroffene Person X blockiert habe, wurde X wütend. Er habe sich das ja nicht ausgesucht. Er habe sich das sehr wohl selbst ausgesucht, nämlich durch sein Verhalten ihr gegenüber, erwiderte die betroffene Person – in dem Bewusstsein, dass im Plenum niemand nachvollziehen konnte, was hier gerade abging. Auch andere Personen im Plenum agierten dann eher ihre Wut und ihr Unverständnis gegenüber der ihrerseits erstmalig wütend auftretenden, betroffenen Person aus.
In der Zwischenzeit war die betroffene Person auf die Idee gekommen, der akuten Bedrohung ihres Zuhauses durch die auf „Täterarbeit“ bestehenden „Genossen“ zuvorzukommen. Sie wandte sich selbständig an die Täterin und erzwang gegen ihren Widerstand einen Chat-Kontakt – in der Hoffnung, dass die Täterin inzwischen auch vermittels des durchaus ja vorhandenen Drucks auf sie ihre Taten eingesteht und beginnt, Verantwortung zu übernehmen.
Das Kalkül: Wenn die Täterin endlich die Gründe abräumt, die insbesondere X als Rechtfertigung dienen, dass er die betroffene Person zur Beteiligung an seiner „Täterarbeit“ zu zwingen versucht, nimmt das Druck von der Situation der betroffenen Person in Salzwedel. So erfuhr die betroffene Person direkt von der Täterin, dass sie sich inzwischen wieder zu den von ihr begangenen Übergriffen formal bekannte. Sie distanzierte sich auch erstmals von ihren täter-opfer-umkehrenden Gegenvorwürfen gegen sie, die sie vor allem aus starken Emotionen heraus erhoben habe. Stattdessen gäbe es nun eine ominöse „Verletzung“ auf ihrer Seite, die mache, dass sie eigentlich keinen direkten Kontakt zur betroffenen Person haben wolle.
Ihr Vorschlag: Die betroffene Person möge doch wieder in den Kontakt mit der „Gruppe“ eintreten und Kommunikation über diese laufen lassen (Die Täterin wusste intuitiv, dass die „Gruppe“ eine Ressource zu ihren Gunsten ist und nicht zugunsten der betroffenen Person!) Sie gestand im Kontakt auch ein, dass die Behauptung, sich an die zweite Tat bzw. an den zweiten sexuellen Kontakt nicht zu erinnern, eine Lüge gewesen sei. Schon im Moment des Aussprechens habe sie gemerk, dass sie die Unwahrheit sagt.
Die dann folgenden Beschreibungen der jetzt angeblich eingestandenen Übergriffe passten aber höchstens halb zu den tatsächlich geschehenen bzw. zum Mechanismus der Gewalt, zur Inkonsensualität und Täuschung, mit der der sexuelle Kontakt erzwungen worden war. Dabei lagen der Täterin durch die betroffene Person umfassende schriftliche Beschreibungen der Taten vor. Sie hätte sie einfach nur kopieren müssen. Das eigentliche Ausmaß der Gewalt wurde wieder nicht gesehen.
Ein starker Hinweis darauf, dass die Täterin noch immer vor allem versucht, zur Vermeidung von Konflikt den sozialen Erwartungen an sich gerecht zu werden, sich als einsichtig, geknickt und von sich selbst erschrocken inszeniert und dabei vorrangig in eigener Mission unterwegs ist – weniger, um tatsächlich Verantwortung für die von ihren Taten betroffene Person zu übernehmen. An vielen anderen Punkten mauerte die Täterin wieder oder versuchte, das Gespräch zu verzögern. Schließlich brach die betroffene Person den Kontakt wieder ab – von der Täterin war kaum mehr Sicherheit zu erwarten.
Nachdem in Bezug auf den andauernden AZ-Streik weiterhin nichts passiert war, bat die betroffene Person einen anderen AZ-Genossen um ein Gespräch. Der schlug im netten Ton vor, doch stattdessen auf dem Hausplenum über die Streik-Sache zu reden, das mache ihm so Bauchschmerzen, das wolle er endlich klären. Als die Person daraufhin zum Hausplenum erschien, wurde das Thema aufgerufen – und sowohl besagter Genosse als auch X sowie eine AZ-Genossin begannen damit, die betroffene Person nacheinander wütend vor dem Plenum vorzuführen.
Statt die in der Streikankündigung geäußerten Vorwürfe ernst zu nehmen, dass es im AZ fortgesetzt zu patriarchaler Gewalt und fehlendem Schutz vor dieser kommt, wurde der betroffenen Person von X vorgeworfen, durch ihre Streikerklärung einen „Angriff auf das AZ“ begangen zu haben – der Vorwurf stammt wohlgemerkt von genau jener Person, die durch ihren Versuch, eine Rückkehr in die Kooperation bei der „Täterarbeit“ zu erzwingen, hauptursächlich für den Streik gewesen war. Völlig an den Haaren herbeigezogener Grund: Die betroffene Person hatte darauf hingewiesen, dass unter ihren vielen Arbeiten im AZ auch für das Haus existentiell wichtige Aufgaben seien.
Und wenn sie nicht preisgebe, was das für Dinge seien, sei das ja ein Angriff, der das AZ in Gefahr bringe. Dabei ist X selbst klar, was das für Aufgaben sind, da er mit der betroffenen Person Teil der selben AG zur Bearbeitung dieser Aufgaben war. Von der betroffenen Person fühlte sich X jetzt durch den Streik in eine Rolle der Abhängigkeit(!) versetzt, wie er im Plenum beklagte. In Wahrheit ist natürlich die betroffene, viel Arbeit im AZ leistende Person seit einem Jahr persönlich ganz existentiell davon abhängig gewesen, dass sich X einmal ein ganz kleines bisschen zusammennimmt und die sozialen Überlebensinteressen der betroffenen Person über seine eigenen Interessen nach männlichem Privilegienerhalt, Schutz vor feministischer Kritik oder Selbsteinsicht als notorischer Täterschützer stellt. Was er natürlich nicht tut.
Abhängigkeit ist schließlich nur okay, wenn sie FLINTA-Personen betrifft. Sie wird zum Skandal, zum nicht hinnehmbaren „Angriff“, wenn Cis-Männer auch nur den Anschein einer Abhängigkeit von FLINTA-Personen spüren. Und genau so lässt sich der verzweifelte Versuch einer FLINTA-Person, sich selbst zu verteidigen, umdrehen: Die übliche Täter-Opfer-Umkehr, die die betroffene Person schon durch die Täterin erfahren hatte und jetzt durch ihre vermeintlichen „Unterstützer“ wiederholt wurde. Alles, weil eine betroffene FLINTA-Person sich weigerte, das arme, passive, lebens- und handlungsunfähige Opfer zu geben, an dem sich das Umfeld darin vergewissern kann, richtig toll feministisch zu sein. Betroffene mit (vermeintlicher) Macht? Wo kommen wir denn da hin?
Eine andere Person meinte auf jenem Plenum, dass sie mit der Streikankündigung nichts anfangen könne, denn es seien ja gar keine Forderungen enthalten. Zitternd und auch weinend erklärte die so angegriffene, betroffene Person in Anwesenheit mehrerer männlicher Jugendlicher, die bisher nichts von all dem gewusst hatten, dass es hier im Wesentlichen darum gehe, dass ihr sexuelle Gewalt durch eine im AZ sehr etablierte und beliebte Person widerfahren sei, dass sie kaum Solidarität erhalten hatte und das AZ vielmehr an einer Verlängerung dieser Gewalt beteiligt war. So wurde die betroffene Person schon wieder dazu gezwungen, sich mit ihren Erfahrungen zu outen.
Auf die Forderung nach Forderungen entgegnete sie, dass sie die nicht erhoben habe, weil klar sei, was die heftigen Konsequenzen für sie sind, wenn auf die Forderungen dann erwartbar nicht eingegangen werde. Die betroffene Person beschreibt das Plenum als extreme Demütigung und Bestrafung für ihre Gegenwehr gegen das AZ-Patriarchat (das aber, wie immer, nicht nur von Männern gestützt wird).
Klar ist natürlich auch, dass viele Menschen im AZ durch die (wie so häufig) lange, verworrene und komplexe Geschichte und durch nie umfänglich erhobene/kommunizierte Vorwürfe gegen Mitglieder der „Gruppe“ oder eine detaillierte Beschreibung der patriarchalen Verhaltensweisen nicht wussten, um was es eigentlich genau geht. So muss ihnen die betroffene Person als ohne erkennbaren Anlass wütend, das AZ unter Druck setzend erschienen sein, gerechtfertigt mit ominösen, unklaren Patriarchatsvorwürfen.
Nur: Dass sich das Umfeld von von patriarchaler Gewalt betroffenen Menschen nicht ohne weiteres in diese Menschen hineinversetzen kann, ist die hinlänglich bekannte Regel, nicht die Ausnahme. Betroffene, die sich schon durch die Erhebung von Vorwürfen gegen Täter*innen gegenüber ihrem Umfeld völlig nackt und verletzlich machen, können dann nicht auch noch ihre vermeintlichen „Unterstützer*innen“ durch ständig erhobene, neue Vorwürfe oder Kritik gegen sich aufbringen. Sie sind ja in ihrer sozialen Existenz von ihnen und ihrem Wohlwollen komplett abhängig. Also begeben sie sich mit der Zeit mehr und mehr in einen Bereich, in dem sie sich auf eine für das Umfeld schwer nachvollziehbare Weise verhalten und von Emotionen bestimmt sind, deren Gründe das Umfeld nicht kennt.
Nur: Menschen, die sich mit sexueller Gewalt und sozialen Dynamiken rund um sexuelle Gewalt ernsthaft und feministisch auseinandersetzen, wissen das, erkennen genau solche Dynamiken und erkennen, dass es jetzt an ihnen liegt, im Sinne von Betroffenen einzugreifen, ihnen proaktiv Angebote zu machen, sie parteiisch zu unterstützen und sich vor sie zu stellen. Betroffene können solche Dinge im Regelfall nicht einfach selbstbewusst einfordern. Denn wenn sie von den bisher nicht durch besondere Sensibilität und Solidarität aufgefallenen Genoss*innen nicht bekommen, was sie „fordern“, haben sie nach dem Übergriff final auch noch alles andere verloren – durch „eigenes Handeln“. Quasi „selbst schuld“.
Apropos: Ein wesentlicher Faktor bei sexueller Gewalt ist bekanntlich der psychische Mechanismus der Selbstbeschuldigung von Betroffenen – so auch bei der hier betroffenen Person, die sich in all der Scham und all der emotionalen Belastung auch noch für ihre „Dummheit“ beschuldigt hat, die kommende Gewalt gegen sich nicht zu sehen und sich vermeintlich selbst ins Unglück zu stürzen. Und die sich jetzt auch noch schuldig daran fühlte, dass sich mehrere Personen aus dem gemeinsamen Umfeld um ihre vermeintlich„privaten“ Angelegenheiten kümmern mussten.
Einfach nur, weil sie deutliche Anzeichen ignoriert und sich nach einer ersten Trennung von der falsche Versprechungen machenden Täterin wieder von dieser hatte durch neue Unwahrheiten, Manipulationen und das Anvertrauen brisanter Geheimnisse in die „Nicht-Beziehung“ und eine endlose Warteposition hineinziehen lassen – von wo aus dann die Übergriffe begangen wurden.
Da ist es einigermaßen unerheblich, dass die betroffene Person in Salzwedel zwischendurch auch immer mal wieder „gute“ Momente mit Menschen aus dem AZ oder der „Gruppe“ hatte, nette Worte gesagt oder irgendwie prinzipielle Solidarität ausgesprochen bekam. Allein der Kommunikationsaufwand, eine Vielzahl von Personen immer wieder von sich aus auf dem Laufenden zu halten, geschweige denn, sich immer für Gespräche mit ihnen zu verabreden, ist in solchen Fällen schlicht nicht zu leisten.
Nicht nur, weil es bedeutet, dabei immer aufs Neue das Risiko einzugehen, dass die Angesprochenen die eigene Wahrnehmung nicht teilen, sich entsolidarisieren oder es schlicht vermeiden könnten, so viel eigene Zeit für ein so unangenehmes Thema aufzubringen. Oder, weil Betroffene ja auch einfach aus ihrer emotionalen Belastung heraus selbst eine Unsicherheit über ihre eigene Wahrnehmung entwickeln. Oder sich zum Heilen vielleicht einfach mal NICHT permanent mit dem Thema beschäftigen wollen.
Zum Problem gehört auch, dass Betroffene mit jeder Person, die sie neu ins Geschehen involvieren, eine weitere Person verlieren, mit der sie einfach nur unbeschwert befreund*innt sein können. Von deren Solidarität sie ab nun existentiell abhängig sind. Gleichzeitig versenden Täter*innen und das sie stützende Umfeld selbstbewusst ihre Sichtweisen und Botschaften, verfolgen ihre Interessen – wie hier die Täterin, die auf geknickt und einsichtig machte und so ihr Image pflegte, in Wahrheit aber fast keine Verantwortung übernahm. So werden Betroffene unter Druck gesetzt, ihrerseits permanent das selbe zu tun und ihr eigenes Umfeld zu „impfen“ – wobei sie im Grunde nur verlieren können. Betroffene geraten also von einem Dilemma ins nächste, erfahren extreme Ohnmacht und Abhängigkeit und müssen die ständige Bedrohung emotional aushalten.
Kein Mensch kann das lange aushalten, wenn das Umfeld nicht von sich aus die nötige, proaktive Haltung an den Tag legt. Nicht nur in linken Kreisen herrscht – trotz feministischem Selbstbild – eine strukturelle Betroffenenfeindlichkeit vor, der sich die Menschen aber mangels Beschäftigung mit den Mechanismen nicht bewusst sind. Ihnen ist vor allem das Gefühl wichtig, selber zu den Guten zu gehören – ein Selbstbild, das paradoxerweise von der Konfrontation mit tatsächlichen Betroffenen und ihren tatsächlichen Bedürfnissen gefährdet ist. So auch im AZ.
Einige Tage nach dem Vorführ-Plenum gab die Person ihren AZ-Schlüssel zurück und trat auch aus allen AZ-Chatgruppen, damit faktisch aus dem AZ aus. Versuche der AZ-Genoss*innen, rückgängig zu machen, dass man gerade eine betroffene Person sexueller Gewalt innerhalb der eigenen, angeblich feministischen Kreise auch noch um ihr soziales und politisches Zuhause, um ihren gesamten Freund*innenkreis in der eigenen Kleinstadt gebracht hatte, gibt es nicht.
Stattdessen erzählten genau die Personen, die die meiste Ausgrenzung und Gewalt gegenüber der betroffenen Person ausgeübt haben, gegenüber weiteren Sozialkontakten der betroffenen Person herum, dass diese sich etwas einbilde, man ja doch in Wahrheit solidarisch sei – immerhin gebe es doch ein Hausverbot gegen die Täterin! So wurde die Unmöglichkeit, einfach nur das eigene Leben weiter zu führen, auf einen weiteren, für die Person existentiell wichtigen sozialen Ort ausgeweitet – ihre Arbeitsstelle. An der ist sie jetzt auch damit konfrontiert, sich für ihr Verhalten zu rechtfertigen, sprich, sich umfassend hinsichtlich der durch ihre „Unterstützer“ erfahrenen Gewalt zu outen oder es eben bleiben zu lassen.
So weit, so der Normalvollzug innerhalb einer autonomen Linken, die sich im Vorhinein immer feministisch und solidarisch mit Betroffenen gibt, dann aber immer plötzlich tausend unvorhergesehene Gründe, vermeintliche Widersprüche und persönliche Befindlichkeiten findet, wonach es bei dieser einen Betroffenen – in diesem Fall einer als Frau gelesenen, nichtbinären, lesbischen Person – jetzt aber alles ein bisschen anders sein muss. Und die betroffene Person irgendwie selbst schuld ist oder „Hirngespinste“ habe.
Dabei ist der patriarchale Umgang mit der betroffenen Person nur ein Teil eines umfassenden Prozesses, in dem das AZ gegenwärtig vollends ins Patriarchat zurückgleitet.
Überregional wurde wahrgenommen, dass es im Juli eine zweite Kundgebung parallel zur bzw. gegen eine Antifa-Demonstration in Salzwedel gegeben hatte, vorrangig motiviert durch den Antisemitismus einer Gruppe vornehmlich männlicher Jungstalinisten, die lieber für „Krieg dem Zionismus!“ auf die Straße gehen wollten. Dem Coup vorausgegangen waren schon seit vielen Monaten Auseinandersetzungen um das patriarchale Verhalten eben dieser Jugendlicher/junger Erwachsener und ihres Umfeldes im AZ, gegen das sich gerade auch die betroffene Person gewehrt hatte.
Dazu gehört der über Wochen geheim organisierte Versuch, durch einen eigenen „Block“ auf der Antifa-Demo im Nachgang des Angriffs auf das AZ neo-stalinistische Präsenz zu zeigen – und zwar gegen Israel. Informationen aus eigentlich vertraulichen Kanälen wurden an autoritäre Linke zur Planung ihres Vorgehens gegen die Salzwedeler Antifa durchgestochen. Die Gruppe versuchte dann, mit sündenstolzem Verweis auf unrechtmäßig erhaltene Informationen, noch Forderungen zu stellen.
Aber schon Monate zuvor hatten die Neo-Stalinist*innen angefangen, im AZ durch massierte Tags, Graffitis und Aufkleber Raumnahme zu betreiben – ganz entsprechend einer später durch einen Wortführer gemachten schriftlichen Erklärung, wonach es ihm darum gehe, das AZ solle „den Antiimperialismus für sich entdecken“. Auf einem Aufkleber „Gegen Antisemitismus und Rassismus zusammen kämpfen“ war „Antisemitismus“ durchgestrichen worden. Weil eine junge Frau kurz vor der Antifa-Demo „Zionisten Jagen“ im AZ schmierte, erhielt sie sogar ein Hausverbot – das hart gegen jene Personen erkämpft werden musste, die auch die betroffene Person immer wieder so alleingelassen hatten.
Als die Frau kurz darauf bei einer AZ-Kneipe nicht gehen wollte, baute sich einer der Wortführer auf und versuchte, den Plenumsbeschluss kurzerhand zu kippen, Begründung: Der Beschluss sei „Quatsch“. Konsequenzen für solche Angriffe auf das AZ-Plenum? Keine. Der Kreis, der sich über Monate im Geheimen unter Nutzung des AZ und in enger Zusammenarbeit mit stalinistischen Gruppen aus Sachsen-Anhalt organisiert hatte, trat schließlich als „Jugendkollektiv Salzwedel“ auf und forderte selbstbewusst Mitsprache und Raum. Das AZ überzog man von innen aufs Neue mit einer Welle von raummarkierenden Graffitis, tags und Herrschaftssymbolen.
Dass sich autoritäre Jugendliche im Kontext des Kampfes gegen Nazis extrem patriarchalen und für FLINTA gefährlichen Verhaltens bedienten oder sich ungefragt als „Beschützer“ einer jungen Genossin aufspielten und aufdrängten, die von sexueller Belästigung gegen sich durch einen Rechten berichtet hatte: Keinerlei Konsequenzen im AZ.
Kontakte und Rumgehänge mit Rechten und ekelhaften Typen aus der Drogendealer- und OK-Szene? Who cares? Rumgehänge mit einem Typen und Mitbringen ins AZ, der Drohungen von Nazis an Linke weitergetragen und von Linken die Herausgabe von Namen zur Übermittlung an Rechte gefordert hatte? Kein Ding!
Irgendwelche kruden, geheimen Schutz-Deals unter Männern zwischen patriarchalen Jugendlichen und der örtlichen Gangster-Fascho-Mischszene am Plenum vorbei? Kein Problem, die „älteren“ AZ-Männer haben ja ihre eigenen Deals mit denen. Online-Posings mit Stalin-Portrait? Who cares? Training in/mit verschiedenen rechten Kampfsportvereinen der Umgebung auch mit Nazis? Inzwischen völlig normal für die „junge Garde“ Salzwedels.
Das teilweise auch ausgesprochene Motto im Rest-AZ: Man „braucht“ ja „die Jugendlichen“. Damit waren aber keineswegs etwa die linken jungen Frauen gemeint, die über Wochen auffallend stiller und weniger präsent im AZ wurden. Mit „die Jugendlichen“ waren fast immer Menschen gemeint, die „zufälligerweise“ Jungs bzw. junge Männer sind und das AZ in eine Bühne zur Darstellung ihrer neuerlich enttabuisierten Krieger-Männlichkeit verwandeln. Und seit Monaten ein ums andere mal selbstbewusst auf die Kacke hauten.
Und es klappte ja: Während patriarchal dominierte Jugendliche und junge Erwachsene das AZ bei ständigen Privatpartys runterrockten und teilweise mutwillig Material zerstörten, für das andere gearbeitet hatten, räumten die „Älteren“ hinter ihnen den Müll und die Flaschen auf. Die Toiletten im AZ werden übrigens nachts im Dunkeln von kleinen Kobolden geputzt. Wirklich wahr!
Zurück zur „Gruppe“: Eine der männlichen Personen aus der „Gruppe“ beging im Sommer zu einer Gelegenheit, zu der die Person in repräsentativer AZ-Rolle anwesend war, einen heftigen sexuellen Übergriff auf eine weibliche, an dem Tag kennengelernte Person: Y. Durch Zeug*innen und widersprüchliche Äußerungen des Täters dazu war schnell glasklar, wie heftig bzw. moralisch verwerflich diese Tat war und dass sie wirklich stattgefunden hatte – ohne hier auf Details einzugehen.
Eine vernünftige, im Plenum organisierte Verantwortungsübernahme des AZ wurde dann aber schnell von jungen Männern torpediert, die mit der autoritären Linken zusammenarbeiten oder inzwischen selbst Teil solcher Gruppen waren. Sie, die ansonsten ständig durch Gemackere den Raum einnehmen und offensichtliches patriarchales Verhalten an den Tag legen, forderten jetzt selbstbewusst maximale Bestrafung, Ausgrenzung und soziale Ächtung des Täters. Und wie das immer so ist bei mehr oder weniger autoritären Linken, handelt es sich bei diesem hart zu bestrafenden Täter „zufällig“ um einen politischen Gegner der eigenen, autoritären und antizionistischen Linie.
Dass das selbstsüchtige Strafen mit den Interessen oder den ja durchaus artikulierten Wünschen und Forderungen der Betroffenen Y gar nicht zu vereinbaren gewesen wäre: Yolo. Einer der hier als Super-Feministen auftretenden, jungen Männer hatte im Übrigen selbst einen sexuellen Übergriff begangen. Und aus dieser Tat im Sommer sogar noch die Kompetenz abzuleiten gesucht, jetzt mal im AZ bei diesem Thema sexuelle Gewalt mitmischen zu dürfen – nicht, dass man ihn als Strafe sozial ausgrenzen müsse.
Doch diese Straf-Performance zur Sabotage eines vernünftigen Umgangs mit dem Täter führen, wie so viele andere, monatelang aneinandergereihte Grenzverletzungen und patriarchalen Verhaltensweisen im AZ, zu keinen Konsequenzen (mehr). Allen voran geschützt und gestützt wurden sie von X, dem Mann aus der „Gruppe“, der die betroffene Person zur Kooperation bei seiner lieben „Täterarbeit“ zwingen wollte.
Inzwischen inszeniert sich der aus der „Gruppe“ stammende Täter – wie war es anders zu erwarten – als Opfer, dem von den Jung-Autoritären sein Recht auf Täterarbeit und soziales Gehaltenwerden nach einer Tat genommen werde, während er über seine Tat so extrem unglaubwürdige Dinge erzählt, dass eigentlich jede Grundlage zur Arbeit mit ihm entzogen scheint (auch er erinnert sich natürlich nicht! So wie neulich dieser andere Ex-AZ-Typ mit der Schlafwandelkrankheit! Oder jetzt der linke, zum Tatzeitpunkt 63-jährige Musiker Konstantin Wecker, der sich an Details seiner sexuellen Gewalt an einer 16-Jährigen auch leider nicht erinnert!).
Er gilt jetzt – nicht völlig zuunrecht – als Prototyp eines männlichen Täters, bei dem Hopfen und Malz verloren sind. Jetzt ist es wieder easy, zu den guten Feminist*innen zu gehören (bei dieser Frau als Täterin war das aber auch alles wirklich SEHR kompliziert!). Man muss sich nur gegen den wirklich bösen Mann stellen.
Win-Win für das Patriarchat: Eigentlich vollkommen problematische Typen können sich als Super-Feministen inszenieren und der Täter als ihr Opfer, das sich nicht verantworten muss. So schieben sich Männer gegenseitig schön die Bälle zu und fahren gemeinsam die patriarchale Dividende ein. Mit dem Wort ist gemeint, dass am Ende solcher Auseinandersetzungen Cis-Männer profitieren und nicht FLINTA oder Betroffene.
Dass Räume noch unsicherer werden als eh schon und dass einzelne Männer noch mehr Deutungshoheit erzielen. Wie so ein Mann aber – der „böse“ Täter aus der „Gruppe“ – performt haben könnte, als er gebeten wurde, eine von sexueller Gewalt betroffene Person zu unterstützen – danach fragt niemand. Oder welche ganz persönlichen Eigeninteressen so ein Mann bei der „Unterstützung“ einer betroffenen Person verfolgt haben könnte, die im Wesentlichen darauf hinausgelaufen war, dass man über Monate nutzlose „Täterarbeit“ gemacht hat? Obwohl die Täterin ihre Taten rundheraus verleugnet und/oder Erinnerungslücken vorgeschoben hatte? Welche Ziele verfolgt eine solche männliche Person (unbewusst?) als Teil einer „Bearbeitungsgruppe“ zu sexueller Gewalt? Sicher nicht, das Leben der betroffenen Person so gut es geht wieder herzustellen.
Sondern vor allem das Ziel, die Konsequenzen abzumildern, die aus sexueller Gewalt für Täter*innen entstehen, also: Das Leben von Täter*innen möglichst wieder herzustellen. Täter*innen wie ihn selbst. Denn faktisch führt das bedingungslose(!) herum-täterarbeiten an grenzverletzenden Personen zu einer langfristigen Stabilisierung und Aufrechterhaltung der Leugnung und Nicht-Verantwortungsübernahme, nicht zu deren Auflösung. Täter*innen spüren intuitiv, dass solche „Täterarbeiter*innen“ – durch deren unreflektierte Bedürfnisse – in Wahrheit VON IHNEN abhängig sind, statt umgekehrt. Und sie nutzen die Täterarbeit ganz intuitiv als eigene Machtressource – so wie hier die Täterin.
Dazu bedarf es gar keiner kühlen Berechnung: Das ja reale Bedrohungsgefühl aufseiten von Täter*innen reicht dazu schon aus. Täter*innen und Täterarbeiter*innen gehen ein unbewusstes Bündnis ein – so wie auch bei der „Gruppe“. Und beim männlichen Täter aus der Gruppe.
Was könnten denn die unreflektierten, unbewussten Bedürfnisse solcher Menschen sein?
Im allerersten Selbstouting-Gespräch mit der betroffenen Person im Herbst 2024 hatte diese männliche Person noch eine interessant Theorie zum Unterschied zwischen männlichen Tätern und einer Täterin in einer lesbischen Beziehung aufgestellt. Die Theorie ging so, dass es bei Männern aufgrund ihres männlichen Privilegs ein Moment der bewussten Entscheidung für eine Tat gäbe.
In einer lesbischen Konstellation sei das anders und da müsse man eben schauen, wie weit man bei der Täterarbeit komme und vielleicht müsse man es da auch hinnehmen, dass die Täterin irgendwann wieder integriert werde, ohne, dass die Tat vorher so richtig aufgearbeitet worden sei. Und dass sie dann im AZ auch mit jemand anderes „knutsche“. Es seien eben andere Machtverhältnisse.
Nicht nur, dass diese Unsinns-Theorie extrem praktisch ist, wenn man sich als Mann dann an gar keine Momente erinnern kann, in denen man sich „ganz bewusst“ dazu entschieden hat, eine Tat zu begehen/ein Täter zu sein: In der Äußerung wird auch die emotionale und konzeptionelle Überforderung davon deutlich, dass es hier um sexuelle Gewalt in einer lesbischen Beziehung geht. Dass die sexuelle Gewalt von einer Frau ausgeübt worden ist.
Und es wird deutlich, dass man Frauen als Täterinnen sexueller Gewalt – anders als beim „bösen“ Mann – einfach nicht so ernst nimmt. Zum Beispiel, weil man Frauen generell nicht so ernst nimmt?
Daraus folgt: Wenn eine betroffene, als Frau positionierte Person das Pech hat, sexuelle Gewalt von einer Frau und nicht von einem bösen, bewusst handelnden Mann zu erleben, scheint das einer der Gründe zu sein, warum man dann auch das Leid der betroffenen Person weniger ernst nimmt. Oder ist das Leid automatisch weniger, weil die Täterin kein Mann war oder keinen Penis hat?
Zynisch bemerkt: Wer in einer lesbischen Beziehung hier wen fickt, ist ja obendrein auch völlig ungeklärt! Wohl auch angesichts allen dessen wollte man die arme, unter den Konsequenzen ihrer Taten so leidende Täterin um jeden Preis wieder „gut machen“, irgendwie retten – und damit, offensichtlich, sich selbst. Das Leid der betroffenen Person war bloß Mittel zu einem anderen Zweck.
Oder Mann X: Seit langem hatte X bereits Prozesse der kollektiven Verantwortungsübernahme des AZ beim Umgang mit sexueller oder häuslicher und Intim-Gewalt sabotiert. In einem Beispiel traten zwei FLINTA-Personen nach einem kurzfristigen Rausschmiss bei einer feministischen Abendveranstaltung mit der nicht aus Salzwedel stammenden Betroffenen und mit dem nicht aus Salzwedel stammenden Täter in Kontakt und versuchten, ein vernünftiges Gespräch zwischen AZ und ihm zu organisieren.
Die Vorwürfe waren seit langem grob bekannt und galten als glaubwürdig. Den Gesprächsversuch hatte der uneinsichtige Mann in der Folge durch diverse Manöver und schräge Forderungen torpediert. Es zeichnete sich ab, dass es kein Zusammenkommen geben würde und dass es der Täter darauf ankommen ließ, mal wieder in die Rolle des zu Unrecht ausgegrenzten, „eigentlichen“ Opfers zu schlüpfen. Da stellte sich X einfach, mit der aus zwei FLINTA-Personen bestehenden Bearbeitungs-AG unabgesprochen, als Kontaktperson zu Verfügung, redete mit dem ihm langjährig bekannten übergriffigen Typen und trötete dann noch dessen Botschaften wiederum gegenüber der AG heraus.
Offensichtliches Ziel der Aktion: In letzter Minute zu verhindern, dass sich der Typ durch sein in der weiteren Region schon bekanntes patriarchales Verhalten vollends um die Möglichkeit brachte, irgendwann wieder im AZ willkommen sein zu können.
Merke: FLINTA-Personen können das einfach nicht richtig beurteilen und brauchen schonmal die Unterstützung von einem Cis-Mann und seinem genialen Urteilsvermögen! Und auch in der Folge betonte X mehrmals, dass ein unbefristetes Hausverbot gegen ihn doch unmöglich sei, dass man doch immer wieder schauen müsse, ob sich der Mann nicht doch gebessert habe.
Hausverbote seien nur befristet zu erteilen und dann müsse man immer wieder neu mit der Betroffenen in Kontakt treten und fragen, ob sich was geändert habe. Mit dieser Haltung setzte sich X im AZ-Plenum auch erst einmal durch.
Seine Prioritäten im Umgang mit sexueller Gewalt tat X denn auch bei wiederkehrenden Anlässen kund: Ein Hausverbot sei keine Lösung, denn es müsse ja eine Auseinandersetzung und Verhaltensänderung geben und da müsse das AZ aktiv werden. Eine Haltung, die er auch in anderen Fällen immer wieder verfolgte, zu denen sich das AZ irgendwie verhalten musste.
Anlässlich des in Absprache mit einer anderen Betroffenen eingebrachten Hausverbotsantrags gegen einen Mann, der für seine Taten sogar vor Jahren strafrechtlich verurteilt worden war, feuerte X aufs Neue mit plötzlich auftretenden Befindlichkeiten um sich.
Ein Hausverbot sei doch gar nicht nötig, da sich der Typ doch nur ab und an mal am Eingang des AZ gezeigt hatte, aber doch das AZ nie besuche. Der Wunsch einer Betroffenen, die artikuliert hatte, dass sie unter anderem deshalb das AZ langjährig und immer wieder gemieden hatte? Egal.
Und überhaupt müsste man eigentlich doch erstmal die Kategorie des Hausverbots in zwei Teile teilen, fand X jetzt. Denn: Ein Hausverbot sei ja eigentlich kein Hausverbot, sondern immer eine „Einladung zur Auseinandersetzung“. Und dieser Typ sei ja nun so unmöglich, dass man ihn gar nicht zu einer Auseinandersetzung einladen wolle. Und außerdem: Wenn man ihm ein Hausverbot gebe, dann sei er ja quasi in der selben Kategorie Mensch wie die Täterin der betroffenen Person. Und das gehe ja nicht. Dass es in Wahrheit darum geht, Betroffene vor Einwirkungen durch ihre Täter*innen zu schützen, scheint X weniger wichtig.
Bestimmte Menschen, die sich bestimmte „nicht so schlimme“ Sachen zuschulden kommen lassen haben, sollen bitte nicht mit richtig bösen Männern in der selben „Kategorie“ sein – das findet X offensichtlich wichtiger. Warum es zu solchen patriarchalen Prioritätensetzungen und Befindlichkeiten zu Kategorien von Menschen kommt, bei denen es offensichtlich nur um die Bedürfnisse und das Selbstbild grenzverletzender Personen geht, nicht aber um Betroffene, könnte eigentlich total offensichtlich sein. Könnte…
So zieht sich das durch diverse Situationen und Konflikte: X findet immer irgendwelche Gründe, warum sich das AZ zu grenzverletzenden Personen – egal welchen Geschlechts – nicht verhalten könne oder solle oder warum das eigentlich in diesem Fall jetzt aber viel zu kompliziert ist. X ist darin aber nur ein Teil einer generellen Kultur im AZ, der es im Wesentlichen immer auf Konfliktvermeidung ankommt.
Anschreien unter Genoss*innen, auch auf dem Plenum, sogar ein Fall versuchter physischer Gewalt oder einiges anderes: Das AZ kriegt es nicht hin, grenzverletzende Personen zeitnah anzusprechen und mit ihnen zusammen daran zu arbeiten, dass solche Dinge in Zukunft unterbleiben. Es geht ja gar nicht um Ausgrenzung und Bestrafung – sondern um kollektive Verantwortungsübernahme dafür, dass die Gewalt aufhört.
Die Gewalt muss aufhören! Stattdessen sind es im AZ immer die davon betroffenen Personen, die die Dinge für sich selbst klären müssen – und das heißt im Regelfall, sie runterschlucken müssen. Nach kurzer Periode der gegenseitigen Meidung und Befindlichkeiten treffen sich dann alle wieder fröhlich beim Bier auf dem nächsten der jährlich anstehenden Konzerte oder Festivals und tun so, als wäre nie etwas gewesen.
Übertaggen autoritäre Linke im AZ einen „Gegen jeden Antisemitismus“-Sticker, erregt das aber sogar auch mal X. So sagte er dem jungen Mann, der das Ding vermutlich selbst übermalt hat, ins Gesicht: „Wenn ihr mitbekommt, dass einer so einen Sticker übertaggt, erwarte ich von euch, dass ihr da eingreift und was sagt.“ Die offensichtlich antisemitische Rechtfertigung des jungen Mannes, dass die Leute mit „jeden Antisemitismus“ ja doch gar nicht Antisemitismus meinten, sondern Antizionismus und damit Israel, und dass daher wohl die Lust von Menschen komme, solche Sticker zu übertaggen: Keine Konsequenzen.
Derweil verbreiten zwei junge Männer aus dem AZ in großen Chatgruppen zur Untermauerung ihrer nächsten Kundgebung gegen Israel Behauptungen, wonach Israel im Gazastreifen 350.000 Kinder unter 5 Jahren umgebracht habe – Zahlen, die über das fünffache der von der Hamas verbreiteten Gesamt(!)-Opfer-Zahlen im Gazastreifen hinausgehen und eine offensichtliche Fortführung uralter antisemitischer Phantasien sind, die sich um das (rituelle) Töten von Kindern durch Jüd*innen drehen.
So funktioniert Antisemitismus: Der größte Jüd*innen unterstellte Unsinn wird aufmal wahr, einfach, weil er sich wahr anfühlt. Konsequenzen? Aber wir müssen doch zusammenhalten!
Schriftlich festgehaltene Eckpunkte zum Umgang bei sexueller Gewalt oder das von so vielen mit magischem Denken als Rettung imaginierte „Konzept“: Nicht vorhanden im AZ. Schriftlich festgehaltene und darum verbindliche Regeln des Umgangs miteinander oder über Grenzen und Möglichkeiten im AZ: Nicht vorhanden. So kann sich jeder offensichtliche Regelverstoß immer damit rechtfertigen, dass es „Regeln“ im AZ ja eigentlich gar keine gibt.
Alles muss immer offen und veränderbar, diskutierbar sein im AZ, findet vor allem Mann X. Dass das darauf hinausläuft, dass insbesondere die grundlegenden Rechte marginalisierter Gruppen immer „diskutierbar“ sind, fällt nicht auf.
Diese konfliktscheue Kultur, die langjährig auch von der Täterin im AZ mitgeprägt worden war, wurde auch der betroffenen Person zum Verhängnis. Denn als diese sich sanft andeutend offenbarte, dass ihr im AZ eine Wiederholung patriarchaler Gewalt widerfahren ist und dass ihr auch die sonstige, schon seit vielen Monaten angesprochene, patriarchale Raumnahme im AZ Angst mache, schaltete eine Mehrheit des AZ sofort auf Durchzug.
Man sei sowieso schon so übersättig von Konflikt und Konflikten, gerade mit Verweis auf die zweite Kundgebung abseits der Antifa-Demo und die Dinge drumherum, könne nicht mehr und wolle jetzt einfach, dass das aufhört. Dass die Anhäufung von Konflikten im AZ, sprich, die Anhäufung von Gewalt, Grenzverletzungen, Vertrauensbrüchen, Regelverstößen usw. etwas genau damit zu tun haben könnte, dass alle Beteiligten immer „keinen Konflikt“ und „zusammenhalten“ wollen, also vor der Bearbeitung von Konflikten und insbesondere vor der eigenen Verantwortung in Fällen von Gewalt zurückweichen, kommt vielen im AZ nicht in den Sinn.
In einem Raum, in dem alle versuchen, Konflikte zu vermeiden, brauchen diejenigen keinerlei Konsequenzen fürchten, die ihre persönlichen oder politischen Interessen gewaltsam durchsetzen. Nur die, die davon betroffen sind. Eigentlich ist klar, dass die Geschichte des AZ Salzwedel voll ist von Altlasten, also: übergriffigen Männern und davon betroffenen FLINTA.
Und dazu: ganz viel Schweigen. Bloß kein Konflikt! So produzierte das AZ in den letzten Monaten mal wieder das „freiwillige“ Herausfallen von Schwächeren, weniger Privilegierten, Leiseren. Die Tendenz geht dahin, dass Jungs und Männer wieder verstärkt den Ton angeben im AZ. Alles unter dem Vorzeichen, dass man ja total feministisch sei.
Und alles schön im Einklang mit dem generellen gesellschaftlichen Trend der Autoritarisierung und Rückabwicklung feministischer Errungenschaften. Mit Verweis auf die äußere Bedrohung sind aufmal wieder Jungs und Männer hoch im Kurs, die unter minimal anderen Umständen auch einfach hätten Magdeburg-Fußball-Hooligans werden können – im besten Fall.
So trägt eine zum Neofaschismus tendierende Gesellschaft auch hier wieder zu einer Win-Win-Situation für das Patriarchat bei, zu patriarchaler Dividende für linke Männer. Wohin die überall zu beobachtende Autoritarisierung (junger) Linker führt, ließ sich in den letzten Wochen etwa bei der Linksjugend solid erkennen, die immer hemmungsloser auf Mittel der Einschüchterung und Gewalt gegen Andersdenkende im eigenen Verband und der eigenen Partei zurückgreift – etwa auf ihrem Bundeskongress. Das nennt sich dann „Einheit“.
Zum „Gedöns“ oder „Klein-Klein“ des feministischen Diskurses um sexuelle Gewalt und zu konstruktiven Umgängen mit der Tatsache, dass sexuelle Gewalt in Wahrheit alltäglich ist, lassen sich neo-stalinistische Gruppen gar nicht erst herab: Sie definieren sich einfach als besser und konsequenter feministisch, setzen überall männliche, mackerhafte und inkonsensuelle Umgangsnormen durch, glorifizieren hemmungslos politische Gewalt, dämonisieren Täter als ultimatives Böses und lassen Betroffene dann sofort fallen, wenn die es wagen, einen der eigenen Leute zu beschuldigen (denn der ist ja ein toller Genosse!) statt einen politischen Gegner (Zionist! Staatsräsonler! Völkermord-Lover!).
Feminismus wird von neostalinistischen Gruppen nur als Label benutzt, um FLINTA für etwas anderes zu rekrutieren. Vorherrschaft der Männer und Recht des Stärkeren ist in solchen Gruppen auf fast schon obszöne Art und Weise selbstverständlich. Eigentlich ein No-Go in einem Raum, der sich als tatsächlich feministisch versteht. Dass es erklärtes(!) Ziel solcher Leute ist, das AZ im eigenen Sinne umzukrempeln („dass das AZ den Antiimperialismus für sich entdeckt“): Nur ein weiterer Anlass, sie zu pädagogisieren und ihnen aktiv Räume zur Verfügung zu stellen, in denen sie irgendwann sicher von ihrem falschen Weg abkommen.
Es liegt in der Natur der Sache, dass in diesem Text paraphrasierte Zitate und Äußerungen „aus dem Kontext gerissen“ sind. Um einen so umfassenden Vorgang zu zeigen, ist es unmöglich, jede Äußerung und Handlung so darzustellen, dass auch enthalten ist, wie sie der*die Urheber*in subjektiv „gemeint“ hat oder worauf sie immer auch eine Antwort gewesen ist.
Der Fokus in diesem Text liegt darauf, welche Effekte dieses Verhalten als Gewalt auf die betroffene Person (bzw. den Raum AZ) hat – nicht darauf, den Befindlichkeiten von Menschen gerecht zu werden, die diese Gewalt begangen haben. Auch, wenn sie sich in subjektiv guter und feministischer Absicht wähnen.
Natürlich ist es möglich, dass Dinge, die im Text gelandet sind, missverstanden wurden oder unter dem Lichte anderer Perspektiven oder jetzt nicht zugänglicher Informationen anders dargestellt oder gewichtet werden müssten. Der Anspruch an eine von sexueller und psychischer Beziehungsgewalt betroffenen Person sowie von all dem Folgenden kann es jedoch wohl kaum sein, über einen so langen Zeitraum Gewalterlebnisse in wirklich jedem Detail und „objektiv“ zu erinnern.
Dieser Text enthält eine Vielzahl „interner“ Informationen. Angesichts des Ausmaßes patriarchaler Gewalt im AZ und der Gefährdung, die sich daraus insbesondere für FLINTA-Personen in der Zukunft ergibt, angesichts der Gewalt an der betroffenen Person, angesichts der Gefahr für das AZ insgesamt und aus Ermangelung anderer Mittel ist es jedoch gerechtfertigt, diejenigen Informationen hier zu verarbeiten, die zu einem Verständnis vonnöten sind.
Die größere Gefahr für ein Autonomes Zentrum besteht am Ende nicht im Öffentlichwerden solcher Informationen. Sondern darin, dass das AZ bald kein „Autonomes“ Zentrum mehr sein könnte, wenn es nicht endlich anfängt, sich gegen Patriarchat und linken Neo-Autoritarismus zur Wehr zu setzen.
Das gilt nicht nur für das AZ- Es gibt jedenfalls eine erdrückende Vielzahl an Hinweisen, dass es in vielen linken Gruppen und Projekten in diesen Tagen ganz ähnlich aussieht – als wenn gerade an vielen vielen Orten die Reste linker und antifaschistischer Praxis dagegen verteidigt werden müssen, nicht einerseits durch sexuelle Gewalt und den Unwillen linker, „feministischer“ Männer, andererseits durch die neostalinistische Raumnahme und Gewalt verunmöglicht zu werden.
Und durch die unterschwellige Männer-Solidarität, die diese Gruppen über alle Widersprüche hinweg aufgrund geteilter Interessen verbindet. Neostalinismus-Ultras und autoritäre Linke stehen jedenfalls längst bereit, sich die übrigbleibenden Brocken einzuverleiben.
Das AZ Salzwedel muss sich entscheiden: Will es ein Ort sein, der weiterhin dem Wert der Autonomie des Individuums, der zu erkämpfenden und zu verwirklichenden Selbstbestimmung wie auch der Selbstverantwortung verpflichtet bleibt, oder will es all das niederreißen und sich ungebremst der Macht des Stärkeren und dem Hura fahnenschwenkender, von Überlegenheitsgefühlen berauschter Dogmatik ergeben?
Zum Schluss ein paar Forderungen an das AZ Salzwedel:
– Aufarbeitung der fortgesetzten Gewalt gegen die betroffene Person durch die „Bearbeitungsgruppe“ innerhalb des AZ sowie des Verhaltens der weiteren AZ-Genoss*innen
– Ausarbeitung schriftlicher und verbindlicher Regeln zum gewaltarmen und gewaltkritischen Umgang miteinander. Es braucht einen starken Konsens gegen Gewalt (Diskriminierung, Ausgrenzung, Marginalisierung etc…)
– Ausarbeitung schriftlicher Eckpunkte zur parteilichen(!) Unterstützung von Betroffenen bei Fällen sexueller Gewalt mit dem obersten Ziel, Betroffene vor den psychischen und sozialen Auswirkungen der Gewalt zu schützen und ihr bisheriges Leben wiederherzustellen. Dazu gehört, auszuloten, wie mit grenzverletzenden Personen an ihrem Verhalten gearbeitet werden kann – aber nie als oberstes Ziel. Es ist faktisch unmöglich, Täter*innenarbeit mit jemandem zu machen, wenn man von vornherein für sich ausschließt, diese Arbeit auch einzustellen und die Person wegen ihrer Nicht-Verantwortungsübernahme zurückzuweisen (alles natürlich unter der Bedingung, dass man Gründe hat, anzunehmen, dass die Vorwürfe wahr sind).
– Die im AZ mündlich tradierte Regel, wonach seit jeher gilt, dass jede Person nach einem Hausverbot das Recht habe, auf das nächste bzw. jedes Plenum zu kommen und das Hausverbot anzufechten, wird aufgehoben. Diese Regel schreckt insbesondere Marginalisierte innerhalb des AZ davon ab, sich gegen Gewalt an ihnen zur Wehr zu setzen. Stattdessen braucht es eine schriftlich festgehaltene Regel, dass eine Bearbeitung eines Hausverbots bzw. des dahinter stehenden Konflikts, wenn vom AZ gewollt, nur durch eine Kleingruppen-AG nach feministischen Prinzipien erfolgt.
– Schriftlich festgehaltene Selbstdefinition als feministischer Ort, der die Sicherheit und politische Betätigung von FLINTA-Personen über die „Freiheiten“ von Cis-Männern setzt, die für diese im Patriarchat selbstverständlich sind. Patriarchales Verhalten auch von das AZ nutzenden oder sich hier einbringenden Jugendlichen wird ernst genommen, angesprochen und bearbeitet, nicht einfach hingenommen.
– Forderungen nach einem Ende der Existenz Israels sowie Äußerungen, die das implizieren („Krieg dem Zionismus!“ „Zionisten jagen!“ oder „Beschimpfungen“ als Zionist*innen) sind antisemitische Taten und mit einem AZ unvereinbar. Politischer Aktivismus, in dem offenes oder chiffriertes Abstreiten des Existenzrechts Israels oder Dämonisierung des jüdischen Staates betrieben wird, führt zu einem Hausverbot im AZ. Kritik – auch heftige – an der israelischen Politik und Gesellschaft ist davon natürlich nicht berührt.
– Schriftlich festgehaltener Unvereinbarkeitsbeschluss mit leninistischen, maoistischen oder stalinistischen Gruppen. Keine Zusammenarbeit mit diesen Gruppen. Erlassung von Hausverboten, wenn sich im AZ aktive Personen als Mitglieder solcher Gruppen herausstellen. Denn das Ding heißt „Autonomes“ Zentrum, weil es unabhängig von Parteien ist und auf die Selbstbestimmung von Individuen setzt. Obskure KP-Wiederaufbauversuche, andere KP-orientierte oder KP-angegliederte Gruppen setzen schon aus Prinzip auf gewaltsam erzwungene „Einheit“. Wer sich „marxistisch-leninistisch“ gibt, wird den Wert der Autonomie in einem AZ schon aus Prinzip niemals respektieren. Nehmt ernst, was die Leute selber sagen und schreiben!
Quellen zum Weiterlesen:
Kim Posster: Organisiert Männlichkeitskritik:
https://jungle.world/artikel/2020/28/organisiert-maennlichkeitskritik
Bilke Schnibbe: Nutzlose Täterarbeit in linken Gruppen:
https://jungle.world/artikel/2020/24/nutzlose-taeterarbeit-linken-gruppen
Bettina Wilpert: Sanktionen allein helfen nicht:
https://jungle.world/artikel/2020/23/sanktionen-allein-helfen-nicht