„Autonome Besetzungstage” in Leipzig: Das steckt hinter den leerstehenden Häusern
Besetztes Haus soll Hotel werden
In den verganenen Tagen drangen autonome Aktivisten wiederholt in leerstehende Leipziger Häuser ein – und wurden durch die Polizei geräumt. Jetzt erklären sie einen Strategiewechsel. Und die Stadt: Wie es mit den betroffenen Häusern weitergeht.
Leipzig. An einem verregneten Nachmittag steht eine 25-jährige Frau in einem Hinterhof im Leipziger Süden und stellt sich mit Hannah vor, Sprecherin der „ABeTa“ („Autonome Besetzungstage“). Die ABeTa halten derzeit Leipzigs Polizei in Atem: Seit vorigem Wochenende besetzt die lose Gruppe an Aktivisten leerstehende Häuser, mindestens vier – im Osten, Westen und im Waldstraßenviertel. „Unser Ziel ist es, auf leerstehende Häuser aufmerksam zu machen“, sagt Sprecherin Hannah. Meist rückten innerhalb weniger Stunden Beamte an, oft Dutzende, und räumten die Objekte. „Das macht uns wütend“, schreibt die Gruppe nun auf Instagram. Ihr scheint es Zeit für einen Strategiewechsel zu sein. Die „Besetzungstage“ rufen auf, am Freitagabend auf das hintere Ende der Eisenbahnstraße zu kommen. „Lasst uns ein gemeinsames Zeichen setzen“, schreiben sie.
Aber was steckt hinter den zwischenzeitlich besetzten Objekten? Laut Stadt befinden sich alle vier Häuser in Privateigentum. Die erste Besetzung ereignete sich am Freitag im Westen der Stadt, in der Lützner Strasse 99, gleich im Anschluss an eine Kundgebung der Gruppe. Der vierstöckige Altbau mit repräsentativen Fenstern steht seit vielen Jahren leer. Laut Stadt bereite der Eigentümer momentan einen Bauantrag vor. Im März fand bereits eine Bauberatung mit Ämtern, Planern und Bauherren statt.
Besetzung nahe der Leipziger Arena und in Kleinzschocher
Kurze Zeit später besetzten die Autonomen die Waldstraße 9 nahe der Arena. Ein Gebäude, für das laut Stadt eine Baugenehmigung von 2019 vorliegt: Aus dem Haus sollte ein Hotel werden. Doch seit Januar 2023 steht der Umbau still. Im März erging ein Bescheid: Die Bauarbeiten sollen bis spätestens Januar 2027 wieder aufgenommen werden.
Eine weitere Besetzung betraf die Eythraer Straße 2, ein unsaniertes Eckhaus in Leipzig-Kleinzschocher. Für das Gebäude hatte die Stadt zuletzt die Sicherung der Fassade und des Daches angeordnet, was der Eigentümer auch durchführte. Jetzt, erklärt ein Sprecher, warte der Eigentümer auf die Genehmigung, die Wohnungen zu modernisieren: Balkone und eine Loggia sollen eingebaut und auch das Dachgeschoss bezugsfertig gemacht werden.
Ein Jahr Leerstand: Stadt Leipzig kann 100.000 Euro Strafe verhängen
Die Stadt betont: Man nutze „die rechtlichen Instrumente, um Leerstand wieder in Nutzung zu bringen“. Beispielsweise könne man nach einem Jahr Leerstand einer nutzbaren Wohnung ein Bußgeld von bis zu 100.000 Euro verhängen.
Und dennoch stehen in Leipzig viele Häuser leer: 220 Objekte, von denen laut Stadt viele „grundsätzlich saniert werden“ müssten. Seit zwei Jahren versucht die Stadt intensiver, Eigentümer solcher Häuser zur Instandsetzung und Sanierung zu verpflichten, was aber rechtlich kompliziert sei. Ein Großteil der Eigentümer zeige sich laut Stadt „nicht gesprächs- oder handlungsbereit“.
Nun griffen autonome Aktivisten das Problem auf – und stellten die Polizei dabei teils vor Herausforderungen, weil die Besetzungen „in der Ausprägung sehr unterschiedlich“ seien – so erklärt es ein Polizeisprecher.
Denn neben einer gewöhnlichen Besetzung käme es zu „Scheinbesetzungen“, bei denen ein Banner aufgehängt wird, sich aber niemand mehr im Haus befindet. Oder zu „offenen Besetzungen“, bei denen Türen entfernt und Nachbarn oder Passanten spontan hereingebeten werden.
Zwei Eigentümer stellten Strafanträge gegen Besetzer
So gingen die Besetzer auch in der Julius-Krause-Straße 8 in Sellerhausen vor: Sie dekorierten die Stockwerke mit Luftschlangen und Luftballons, servierten Kaffee und Kuchen. „Wie ein Tag der offenen Tür“, so ABeTa-Sprecherin Hannah. Die Polizei stellte dort auch zwei Identitäten fest – vermutlich aber von Unbeteiligten.
Der Polizeisprecher betont: Eine Hausbesetzung sei die „Verwirklichung von Straftatbeständen wie Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung“, die es abzuwehren gelte. „Damit ist klar, dass die Polizeidirektion Leipzig immer handeln wird.“ Die Beamten rücken auch ohne Antrag des Eigentümers an. Für die besetzten Gebäude in der Lützner Straße und der Julius-Krause-Straße seien aber Strafanträge eingegangen.
Am Mittwoch, 15.10.2025, kam es in der Einertstraße 3 in Leipzig zu einer weiteren Besetzung im Leipziger Osten. Das leerstehende Gebäude wird auch ‚Eineck‘ genannt.
Am Sonntag haben Menschen im Leipziger Stadtteil Sellerhausen Transparente an ein Haus angebracht und die Nachbarn zu Kaffee und Kuchen eingeladen.
Zum letztgenannten Haus ging bei der Stadt auch im Oktober 2024 eine Anfrage zu Umbaumaßnahmen ein. Es erfolgte ein Hinweis auf die erforderliche Baugenehmigung. Seither sei der Eigentümer laut Stadt nicht mehr tätig geworden. „Ein Bauantrag liegt derzeit nicht vor.“
LVZ