Nach Konzertankündigung: Völkerschlachtdenkmal Leipzig distanziert sich von Till Lindemanns „Till Festival“

Der Rammstein-Frontmann plant im Sommer 2026 ein zweitägiges Festival vor dem Mahnmal im Süden der Messestadt. Die Eigentümer sind darüber nicht erfreut.

Nach der Bekanntgabe des geplanten Festivals von Till Lindemann im kommenden Jahr vor dem Leipziger Völkerschlachtdenkmal haben sich die Eigentümer des Mahnmals von der Veranstaltung distanziert. Wie die Stiftung Völkerschlachtdenkmal Leipzig am Freitagabend auf dem Portal Instagram erklärte, sei sie nicht an der Organisation beteiligt und die Stiftung unterstütze sie auch nicht.

Offenbar ist das Gegenteil der Fall. „Eingedenk des hunderttausendfachen Leides der Völkerschlacht von 1813 sowie der massiven Instrumentalisierung des Denkmals in den Kriegen und Diktaturen des 20. Jahrhunderts distanzieren wir uns zudem entschieden von jeder Form der Gewaltverherrlichung, Diskriminierung und Frauenfeindlichkeit“, teilte die Stiftung Völkerschlachtdenkmal mit.

Zweitägiges „Till Fest“ am Leipziger Denkmal geplant

Till Lindemann hatte im Rahmen seines Auftritts am 29. Oktober in Leipzig bekannt gegeben, dass er im Sommer 2026 ein zweitägiges Festival vor dem berühmten Mahnmal im Süden von Leipzig plane. Bei dem „Till Fest“ sollen demnach auch andere Künstler auftreten.

Gegen die Aktivitäten des gebürtigen Leipzigers in der Messestadt gibt es immer wieder auch Proteste. So hatten sich am vergangenen Wochenende mehrere Hundert Menschen vor dem Eingang zum Leipziger Opernball versammelt, um gegen seine Einladung zu demonstrieren. Auch vor dem Auftritt am Mittwochabend in der Arena gab es Proteste – allerdings deutlich weniger.

Die Protestierenden werfen dem Rammstein-Frontmann Machtmissbrauch und sexuelle Gewalt gegen Frauen vor. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Berlin gegen den inzwischen 62-Jährigen wurden eingestellt. Immer wieder ist sexuelle Gewalt aber Thema seiner Darstellungen auf der Bühne und auf dem Papier.

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Christian Neffe LVZ 30.10.2025

Lindemann kündigt bei Konzert in der Arena sein „Till Fest“ in Leipzig an

Rammstein-Frontmann Till Lindemann eröffnet seine neue Tour in Leipzig mit einer Show, die fast identisch mit der vor zwei Jahren ist. Und kündigt am Ende ein eigenes Festival in Leipzig an.

Till Lindemanns Roadies können einem echt leid tun. Speziell der, der beim Konzert in der Arena Leipzig während „Du hast kein Herz“ auf die Bühne eilt, nachdem Lindemann einen der Ständer, in dem fünf Mikrofone stecken, fast in den Graben gekickt hat. Der ihn wieder aufrichtet und die Technik mühsam reinpfriemelt. Nur damit Lindemann den Ständer einen Refrain später erneut umtritt. Und zu Beginn des nächsten Songs gleich nochmal. Der arme Kerl.

Es ist nur ein Detail in dieser inszenatorisch und musikalisch überwältigenden Show – und einer der wenigen Momente, die eine gewisse Komik versprühen. Eine unfreiwillige zwar, aber eine willkommene bei diesem ansonsten vor Ernst und Pathos triefenden eineinhalbstündigen Auftakt der „Meine Welt“-Tour, bei dem Lindemann einen Blick in menschliche, moralische und ästhetische Abgründe wirft. Damit knüpft er nahtlos an sein Konzert vor gut zwei Jahren an gleicher Stelle an.

Proteste und Pressefreiheit: Was sich verändert hat

Zwei Dinge sind diesmal jedoch anders. Erstens: Der Protest vor den Türen der Arena Leipzig fällt mit rund 40 Leuten deutlich kleiner aus als vor zwei Jahren, als sich rund 600 Menschen versammelten. Und hat sich eine dreiviertel Stunde, bevor Lindemann um 21.20 Uhr auf die Bühne tritt, schon wieder aufgelöst. Zweitens: Presse ist diesmal zugelassen. 2023 noch hatte es keine der üblichen Akkreditierungen gegeben, was bei einem ausverkauften Konzert faktisch den Ausschluss für alle Berichterstatter bedeutete, die keine inoffiziellen Weiterverkaufs-Plattformen wie Ebay nutzen wollten. Alles also wieder ein bisschen normaler bei der „Meine Welt“-Tour.

Und wie sieht sie nun aus, „seine Welt“? Oder zumindest die von Lindemanns viel beschworenem lyrischen Ich? Eine heile Welt ist es jedenfalls nicht. Stattdessen besteht sie, bricht man die Inhalte der Songs mal herunter, aus Sex, Hass, mehr Sex, Gewalt und noch ein bisschen mehr Sex. Die zahlreichen Videoeinspieler mit unter anderem weiblichen Genitalien hätten ja durchaus noch Schock-Potenzial – würde man all das nicht bereits kennen.

Denn über weite Strecken fühlt sich dieses Lindemann-Konzert wie ein Déjà-vu an. Nicht nur die Videos im Hintergrund sind größtenteils identisch mit denen beim Auftritt 2023. Sondern auch die Setlist, die nur um ein paar Songs gestutzt und eine Handvoll Live-Premieren („Und die Engel singen“, „Prostitution“, „Übers Meer“) erweitert wurde.
Absurde Aktionen wie das Bewerfen der ersten Publikumsreihe mit Torten zu „Allesfresser“ oder mit Fisch zu „Fish on“ gab’s ebenfalls schon vor zwei Jahren. Immerhin: Statt sich bei „Platz eins“ wieder auf einer Sänfte durchs Publikum tragen zu lassen, steckt Lindemann diesmal in einer riesigen Gummi-Weltkugel, die zuletzt 2020 zum Einsatz kam. Und die Sache mit der Endoskopkamera, die er sich zu Beginn von „Zunge“ (ein Song, der gar nicht erst gespielt wird) aus dem Magen zieht, ist gänzlich verschwunden.

Provokation als Selbstzweck beim Rammstein-Konzert

Und musikalisch? Kracht und stampft und wummert es nach wie vor massiv, nur selten ist Platz für melodische Momente, die wie etwa im Falle von „Schweiß“ an die Qualität der besseren Rammstein-Songs herankommen. Das, was er will, nämlich ordentlich aus den Latschen hauen und für klingelnde Ohren sorgen, gelingt diesem Sound aber. Zumindest über die erste Showhälfte. In der zweiten stellen sich trotz Fan-Lieblingen wie „Skills in Pills“ oder „Knebel“ allmählich Ermüdungserscheinungen ein.

Das dauerhafte Spiel mit der Provokation durch allerhand Nacktheit, Körperflüssigkeiten und Sex-Fetische, die auf der Leinwand, teils auch auf der Bühne zu sehen sind, gerät derweil – noch eine Parallele zu 2023 – nach und nach zum Selbstzweck. Und verliert deshalb alsbald seine Wirkung.

Beispiel: „Praise Abort“, zu Deutsch: ein Lob auf Abtreibung. Ein Song, der speziell in den USA, wo seit Jahren eine aufgeheizte Debatte um das Thema geführt wird, für Furore sorgen könnte – wäre die Pointe nicht lediglich ein plattes „Ich hasse alle Menschen“. Oder „Tanzlehrerin“, der das Potenzial für einen wunderschönen Flamenco über die Erotik des Tanzens und eine gesellschaftlich geächtete Liebe hätte – würde Lindemann das mit den ersten zwei Refrainzeilen „Ich hab den Schwanz wieder drin/ In meiner Tanzlehrerin“ nicht in den Staub treten.

Weil so vieles auf der Bühne dem Auftritt vor zwei Jahren ähnelt, kommt irgendwann vor allem ein Gefühl auf: dass Till Lindemann als Solo-Musiker stagniert. Was Kunst generell nicht guttut, insbesondere aber jener, die sich gern provokant und die Grenzen der Moral und des guten Geschmacks sprengend gibt.

Lindemann kündigt eigenes Festival in Leipzig an

„Leipzig, vielen Dank. Wir sehen uns wieder“, sagt Lindemann nach dem Final-Song „Ich hasse Kinder“ – die einzigen Worte, die er während der gesamten Show direkt ans Publikum richtet. Wann wir uns wiedersehen, steht nun auch fest, denn der 62-Jährige hat dann doch noch eine echte Überraschung im Gepäck und kündigt mit dem „Till Fest“ sein eigenes zweitägiges Festival am Völkerschlachtdenkmal an. Die Roadies werden wieder viel zu tun haben.

Info: Das „Till Fest“ findet am 3. und 4. Juli 2026 am Leipziger Völkerschlachtdenkmal statt. Weitere Acts dafür sollen bald angekündigt werden. Der Vorverkauf beginnt am 30. Oktober um 16 Uhr auf tillfest.myticket.de.