Wie viele Leipziger AfD-Leute besitzen Waffenscheine?

Nirgendwo in Sachsen sind so viele Kleine Waffenscheine im Umlauf wie in Leipzig. Zwei Stadträten der AfD hat das Ordnungsamt erst die Erlaubnis entzogen. Sie klagen dagegen. Das Verwaltungsgericht äußert sich nun zum Zeitpunkt einer Entscheidung.

Immer mehr Menschen in Leipzig sorgen sich offenbar um ihre Sicherheit und treffen Vorkehrungen, um mögliche Angriffe auf Leib und Leben abwehren zu können. So hat sich innerhalb von nur zehn Jahren allein die Zahl derer, die einen Kleinen Waffenschein besitzen, in der Stadt mehr als verdreifacht.

Jüngst wurde bekannt, dass die Sicherheitsbehörde die waffenrechtliche Zuverlässigkeit von AfD-Mitgliedern anzweifelt. Zwei Stadträten der als rechtsextremistisch eingestuften Partei wurde der Kleine Waffenschein entzogen.
Verwaltungsgericht entscheidet „nicht vor Mitte August“

Die beiden Kommunalpolitiker, Marius Beyer und Rocco Farkas, riefen daher das Verwaltungsgericht an und beantragten die Aussetzung des Vollzugs der behördlichen Verfügung. „Mit einer Entscheidung der Kammer ist voraussichtlich nicht vor Mitte August zu rechnen“, erklärt Dirk Tolkmitt, Vorsitzender Richter und Sprecher des Leipziger Verwaltungsgerichtes, gegenüber der LVZ.

Zum Stichtag 31. Mai dieses Jahres waren 3629 Personen in Leipzig im Besitz eines Kleinen Waffenscheins, teilte das Ordnungsamt jetzt auf eine Anfrage der LVZ mit. Nirgendwo in Sachsen sind es mehr. Ende 2014 waren es nach Angaben des sächsischen Innenministeriums noch 1058.

Das Dokument berechtigt dazu, Schreckschuss-, Reizstoff- und bestimmte Signalwaffen zu führen. Dazu zählen auch Pfeffersprays, die nicht als Tierabwehrspray gekennzeichnet sind. Diese Waffen selbst sind zwar nicht erlaubnispflichtig. Sie dürfen daher in der Wohnung aufbewahrt, allerdings ohne den Kleinen Waffenschein nicht in der Öffentlichkeit mitgeführt werden.

Eine Voraussetzung für die Erteilung des Kleinen Waffenscheins ist die sogenannte waffenrechtliche Zuverlässigkeit. „Aufgrund der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem durch das Landesamt für Verfassungsschutz zählt der sächsische Landesverband der AfD als eine solche verfassungsfeindliche Vereinigung“, argumentiert die Stadt. „Entsprechend wird Mitgliedern und Unterstützern der AfD die waffenrechtliche Zuverlässigkeit abgesprochen.“

Waffenbehörde sind drei AfD-Mitglieder bekannt

Wie viele AfD-Mitglieder in Leipzig eine Waffenerlaubnis haben, lasse sich zuverlässig nicht feststellen. Der zuständigen Behörde lägen keine offiziellen Daten zu Parteiangehörigkeiten vor. „Der Waffenbehörde sind aktuell jedoch drei Personen bekanntgeworden, die Mitglied oder Unterstützer des sächsischen AfD-Landesverbands sind“, so das Ordnungsamt. Ob neben Beyer und Farkas auch in dem dritten Fall ein Erlaubnisentzug droht, dazu äußerte sich die Stadt nicht.
749 Jäger sind im Besitz von Waffen

Neben dem kleinen Waffenschein gibt es noch eine Reihe anderer waffenrechtlicher Erlaubnisse. Der sogenannte große Waffenschein – dieser berechtigt zum Führen scharfer Waffen in der Öffentlichkeit – wird nur unter sehr engen Voraussetzungen gewährt. Die Anzahl dieser besonders gefährdeten Personen und Bewachungsunternehmen bewege sich in Leipzig laut Ordnungsamt „im einstelligen Bereich“.

Jäger beispielsweise brauchen einen Jagdschein und verfügen in der Regel auch über eine Waffenbesitzkarte. In Leipzig sind derzeit749 Jäger mit Waffenbesitzkarte sowie 91 Jäger ohne Waffenbesitzkarte registriert.

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Klaus Staeubert
25.07.2025

Leipziger Sicherheitsbehörde entzieht zwei AfD-Politikern die Waffenscheine

Nach einer Mitteilung des Landesamtes für Verfassungsschutz widerruft die Stadt die Waffenerlaubnisse. Grund dafür ist ihre Mitgliedschaft in einer als gesichert rechtsextremistisch eingestuften Partei.

Die Sicherheitsbehörde der Stadt Leipzig hat zwei Stadträten der AfD die Waffenberechtigungen entzogen. Auslöser ist die Einstufung der Partei in Sachsen durch den Landesverfassungsschutz als rechtsextremistisch. Der Anwalt der beiden Politiker spricht von Schikane.

Marius Beyer (26) und Rocco Farkas (44) sitzen nicht nur für die gleiche Partei im Stadtrat. Die beiden AfD-Kommunalpolitiker besitzen auch einen Kleinen Waffenschein. Dieser berechtigt sie dazu, „Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen mit PTB-Zulassungszeichen (im Kreis) zu führen“. Dazu zählen auch bestimmte Pfeffersprays.

Die Waffenberechtigungen der beiden Stadträte hat die Sicherheitsbehörde nun jedoch entzogen. Sie beruft sich dabei auf die Einstufung der sächsischen AfD als erwiesen rechtsextremistische Bestrebung durch das Landesamt für Verfassungsschutz im Dezember 2023.

Mit einer Beschwerde gegen diese Bewertung war die AfD letztinstanzlich im Januar dieses Jahres vor dem sächsischen Oberverwaltungsgericht gescheitert.
„Waffenrechtliche Zuverlässigkeit“ durch aktive Betätigung für die AfD nicht mehr gegeben

Beyer und Farkas würden durch ihre aktive Betätigung die AfD nach außen vertreten und so auch deren Ziele, die „gegen die verfassungsmäßige Ordnung und damit gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung“ gerichtet seien, argumentiert die Behörde. Daher fehle ihnen die Voraussetzung für die Waffenerlaubnis, die „waffenrechtliche Zuverlässigkeit“. Der Kleine Waffenschein sei somit zu widerrufen.

Die Betroffenen wollen sich auf Anraten ihres Rechtsbeistandes im laufenden Verfahren nicht öffentlich zur Sache äußern. Ihr Anwalt Roland Ulbrich, der ebenfalls für die AfD dem Stadtrat angehört, hat inzwischen Widerspruch gegen die Entscheidungen der Sicherheitsbehörde eingelegt und gleichzeitig das Verwaltungsgericht Leipzig angerufen.

Anwalt spricht von politisch motivierter Entscheidung

Ulbrich hält das Vorgehen der Behörde nicht nur für rechtswidrig, sondern auch „offenbar politisch motiviert“. Es scheine darum zu gehen, so der Anwalt, die AfD in einer für sie starken Phase „auf der ganzen Linie zu schikanieren“. Im Fall Beyer hatte der Landesverfassungsschutz die Stadt erst am 9. Mai 2025 über dessen Rolle in der AfD (Wahlkandidaturen 2024, Vorstandsmitgliedschaft) informiert. Fakten, die der Stadt seit langem bekannt sind.

Während Farkas, der als Mitglied eines Western-Clubs eine historische funktionsunfähige Waffe besitzt, den Kleinen Waffenschein zur Ausübung seines Hobbys nutzt, sieht die Sache bei Beyer etwas anders aus. „Er ist gefährdet“, sagt Ulbrich. Auf ihn und seine Familie war bereits ein Brandanschlag verübt worden, außerdem wurde er vor einer Bar zusammengeschlagen. Die Täter sind nie ermittelt worden. Seine Möglichkeiten, sich zu verteidigen, seien nun eingeschränkt.

In ähnlichen Fällen hat das Verwaltungsgericht Magdeburg in diesem Jahr bereits Klagen von AfD-Mitgliedern gegen den Entzug der Waffenerlaubnisse abgewiesen. Sollte das Beispiel Schule machen, könnte es für die Partei tatsächlich ärgerlich werden. Etwa dann, wenn Berufsgruppen wie Jäger, die auch aus wirtschaftlichen Gründen auf den Waffenschein angewiesen sind, aus Angst vor dem Verlust der AfD den Rücken kehren. Zwei Fälle seien ihm schon bekannt, sagt Ulbrich.

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09.07.2025. Juliane Nagel

Innenminister informiert unzureichend über rechte Waffenbesitzer – AfD ist Sicherheitsrisiko!

Sachsens Innenministerium muss die Schonhaltung gegenüber der erwiesen rechtsextremen AfD endlich aufgeben – gerade auch im sensiblen Bereich des Waffenrechts. Mit einer neuen Kleinen Anfrage (Drucksache 8/3365) fordere ich daher, endlich Zahlen offenzulegen, wie viele Parteimitglieder in Sachsen über waffenrechtliche Erlaubnisse verfügen und scharfe Schusswaffen besitzen dürfen.

Ich gehe davon aus, dass wir es mit dutzenden relevanten Fällen zu tun haben – wenn nicht weit mehr.

Doch die kommunalen Waffenbehörden konnten ihrem gesetzlichen Auftrag, auch in diesem Bereich gezielt Zuverlässigkeitsprüfungen vorzunehmen, bisher nicht nachkommen. Grund: Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz wurden in der Vergangenheit einfach zurückgehalten und AfD-Waffenbesitzer damit absichtlich vor Kontrollen bewahrt. Diese gravierende Sicherheitslücke hatte der verantwortliche Innenminister Armin Schuster Anfang des Jahres auf meine Anfrage hin offen eingeräumt (Drucksache 8/942).

Grund demnach: Man habe ein – inzwischen vorliegendes – Urteil des Oberverwaltungsgerichts Bautzen über die Einstufung der sächsischen AfD als ,erwiesen rechtsextremistisch‘ abwarten wollen, um ,etwaige weitere Rechtsstreitigkeiten‘ zu vermeiden.

Darüber hinaus habe man ,die mit einem Entzug der waffenrechtlichen Erlaubnis verbundenen wirtschaftlichen Folgen für die Betroffenen‘ vermeiden wollen – warum auch immer. Ich gehe davon aus, dass dieses obskure Schonprogramm abgebrochen wird. Stattdessen müssen die im Waffengesetz vorgesehenen Zuverlässigkeitsüberprüfungen gewährleistet werden, und zwar ohne Ausnahme für die AfD als die größte Organisation der extremen Rechten in Sachsen.

Nach offiziellen Angaben besaßen im Freistaat im letzten Jahr 64 Anhängerinnen und Anhänger der extremen Rechten waffenrechtliche Erlaubnisse, 46 von ihnen durften insgesamt 233 scharfe Schusswaffen besitzen, darunter 92 Kurz- und 141 Langwaffen (Drucksache 8/1824). Es handelt sich vor allem um Personen, die den Behörden als Rechtsextremisten bekannt sind, aber auch um Reichsbürger sowie um einzelne Personen aus dem Spektrum der verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates.

Die AfD wurde bisher weder mitgerechnet, noch wurden die kommunalen Waffenbehörden informiert. Nicht der einzige Fall: Auch bei der amtlichen Zählung von Szeneobjekten der extremen Rechten werden Partei-Treffpunkte bislang ausgelassen. Auch dazu erkundige ich mich nun mit einer Nachfrage (Drucksache 8/3368).“