Nach Aufmarsch vor Köppings Haus: AfD stimmt Grimmaer Solidaritäts-Erklärung nicht zu

„Grimma bleibt offen und tolerant“ – unter dieser Überschrift hat der Grimmaer Stadtrat eine knappe Woche nach dem Fackelaufmarsch vor dem Haus der sächsischen Gesundheitsministerin Petra Köpping eine Erklärung verabschiedet. Die drei AfD-Stadträte stimmten dem Statement nicht zu.

Grimma Nach dem abendlichen Fackelaufzug vor dem Wohnhaus der in Grimma lebenden sächsischen Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) hat der Stadtrat mit einer Erklärung ein Zeichen gesetzt. Außer der AfD-Fraktion stimmten alle Stadträte dem Wortlaut unter der Überschrift „Grimma bleibt offen und tolerant“ zu. Die drei anwesenden AfD-Abgeordneten votierten mit „Nein“.

Der Wortlaut der Erklärung

Das Grimmaer Statement unterstützen zahlreiche Vertreter aus Politik, Kirche und verschiedenen Bereichen der Gesellschaft. Es hat folgenden Wortlaut: „Mit großem Entsetzen und tiefer Betroffenheit haben wir alle von den Ereignissen am 3. Dezember 2021 vor dem Privathaus der sächsischen Sozialministerin Petra Köpping in unserer Stadt Kenntnis erlangt. Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Was allerdings vor dem Haus von Frau Köpping geschah, geht weit über die Ausübung dieses Grundrechtes hinaus. Den Initiatoren dieses Fackelmarsches ging es nicht um Meinungskundgebung, es ging um Einschüchterung und das Verbreiten von Angst. Auch in schwierigen Zeiten sollten wir uns Toleranz und Respekt im täglichen Miteinander bewahren. Auf dieser Basis möchten wir zusammenleben. Grimma ist solidarisch, offen und tolerant.“

Grimmas Oberbürgermeister Matthias Berger (parteilos) gab anfangs noch einmal seine persönliche Meinung kund: „Hier ist mehr als eine rote Linie überschritten worden.“ Nach seiner Erkenntnis sei der Aufmarsch aber „kein Ergebnis einer sachsenweit operierenden rechten Szene“ gewesen. Beteiligt hätten sich, so glaube er, „zum größten Teil Leute aus der Region Grimma, die offensichtlich der Meinung sind, sie würden nicht in einer Art und Weise wahrgenommen, die ihnen zusteht“. Ein klares Ja zur Erklärung sei ein klares Nein zu dem, „was hier an Tabubruch geschehen ist“, so Berger.

Die AfD versucht es mit Argumenten

„Ich würde es auch nicht wollen, dass man vor meinem Haus mit Fackeln demonstriert“, meldete sich AfD-Stadtrat Uwe Krah zu Wort. „Aber wir möchten, dass bei allen mit gleichem Maß gemessen wird.“ Bei Herrn Kemmerich habe man nichts gesagt, als „seine Familie tyrannisiert wurde“. Bei Herrn Höcke habe man nichts gesagt, als er, „man nannte es noch Kunst neben seinem Wohnhaus, wochenlang tyrannisiert wurde“, versuchte es Krah mit Argumenten.

Der Thüringer FDP-Chef Thomas Kemmerich war bekanntlich mit Hilfe der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt worden und drei Tage später zurück getreten. Und in Sichtweite des Wohnhauses des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke hatten Kunstaktivisten eine Nachbildung des Berliner Holocaust-Denkmals errichtet, nachdem Höcke das Mahnmal in der Hauptstadt als „Denkmal der Schande“ bezeichnet hatte.

Grimmaer AfD steht allein mit ihrer Ansicht

Die Grimmer AfD-Leute standen einmal mehr allein mit ihrer Sichtweise. „Wir stehen hundertprozentig hinter der Erklärung“, sagte der Vorsitzende der Fraktion „Bürger für Grimma/Allianz“, Thomas Zeidler. Sie treffe es in einer Art und Weise, „die jedem seine Freiheit lässt“. Im Dunkeln mit Fackeln vorm Haus – das überschreite eine rote Linie, betonte Maximilian Schöpe (Linke): „Das ist kein Diskussionsmittel, sondern Einschüchterung.“ Laut Versammlungsrecht seien Trommeln und Fackeln verboten, ergänzte sein Parteifreund Heiko Mätzold. Es gebe nichts zu relativieren.

Grimma sei wieder einmal in den Blickpunkt der europäischen Öffentlichkeit geraten, merkte Malte Martin (CDU) an, nach dessen Erkenntnis sich „nicht nur Rechtsaußen, sondern auch Eltern mit Kindern“ vor Köppings Haus postierten. „Wer sich auf diese Art und Weise in der Öffentlichkeit bewegt, der schadet nicht nur uns, Grimma, sondern seiner eigenen Familie.“

Demonstrationszug von Polizei unbehelligt

Grimmas SPD-Stadtchef Ingo C. Runge sagte, dass die von einer Mehrheit getragene Erklärung gut und wichtig für Grimma sei. Richtig sei auch Bergers Appell, als Zivilgesellschaft in der Stadt die Stimme zu erheben und laut wahrnehmbar zu sein. Insofern kritisierte Runge, dass nur drei Tage nach dem Vorfall vor Köppings Haus rund 150 Teilnehmer unbehelligt durch Grimma laufen konnten. Das Ordnungsamt sei nicht vor Ort gewesen, und die Polizei habe den Zug „friedlich begleitet“. Dafür habe er kein Verständnis.

Nach Polizeiangaben hatte die AfD für den 6. Dezember eine Kundgebung unter dem Motto „Freiheit statt Corona-Diktatur“ angemeldet. Kurz vor 19 Uhr sei es zu einem regen Zulauf gekommen, woraufhin der Versammlungsleiter die Veranstaltung beendet habe. Die etwa 150 Personen seien im Anschluss durch die Innenstadt gelaufen.

Oberbürgermeister Berger teilt Runges Ansicht. Die Leute seien von der Polizei eskortiert worden, „als ob es Corona nicht gäbe“. Es habe diesbezüglich schon eine Menge Gespräche gegeben, „der Staat muss ein Zeichen setzen“, so Berger, der auf einen weiteren bedenklichen Fakt aufmerksam machte. Im Zusammenhang mit dem Auflauf am Montag sei unter einem Telegram-Post der Spruch „Frau Köpping, sehen Sie uns“ zu lesen gewesen. „Das hat erneut etwas latent Drohendes.“