Leipzig befragt 44.000 Haushalte zum Milieuschutz – scharfe Debatte im Stadtrat

In der Leipziger Südvorstadt und in Gohlis-Süd wird es keine Sozialen Erhaltungssatzungen geben. Anders in Schönefeld. Ob das in der Praxis klappt, soll eine große Befragungsaktion ermitteln.

Überraschend war nicht das Ergebnis der Abstimmungen zu den Sozialen Erhaltungssatzungen. Am Mittwochabend beschloss der Stadtrat mehrheitlich, dass Gohlis-Süd und die Südvorstadt keine solchen Satzungen bekommen. Hingegen wird Schönefeld (westlich der Gorkistraße) in wenigen Tagen zum neunten Gebiet in Leipzig, das unter die besonderen Vorschriften im Bau- und Sanierungsrecht fällt.

Der Milieuschutz – wie die Satzungen umgangssprachlich oft genannt werden – gilt derzeit für Teile von Connewitz, Kleinzschocher/Plagwitz, Altlindenau, Lindenau, Leutzsch, Eutritzsch, rings um die Eisenbahnstraße sowie am Lene-Voigt-Park. Wer dort ein Haus sanieren will, muss auf zum Beispiel Grundrissänderungen, Fußbodenheizung, zweites Bad, Handtuch-Heizkörper und andere Dinge verzichten, die als nicht notwendiger Luxus gelten. Das soll den Anstieg der Mieten in dem Viertel begrenzen.

Hürden für Bauwillige oder solides Verfahren

Überraschend war, mit welchen scharfen Worten die Fraktionen über Sinn oder Unsinn der Satzungen diskutierten. Sogar Baubürgermeister Thomas Dienberg (Grüne) verlor kurzzeitig die Contenance und warf AfD-Stadtrat Udo Bütow vor, er habe „heiße Luft verbreitet“ und über ein „solides Bauordnungsverfahren, von dem Sie offensichtlich keine Ahnung haben, hier ein Urteil abgegeben“.

Dabei hatte Bütow nur geschildert, mit welchen bürokratischen Hürden bauwillige Hauseigentümer in Leipzig unter Umständen zu kämpfen haben. Der AfD-Stadtrat leitet ein Ingenieurbüro für Bauwesen, verfügt da also durchaus über Fachwissen. Freilich teilte Bütow vorneweg auch selbst aus. Einige andere Redner hätten „keine Ahnung von der Praxis“ erkennen lassen, meinte er.

Elisa Gerbsch, wohnungspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, unterstellte der großen Mehrheit im Stadtrat, sie sei „verantwortungslos“. Grund: Nur vier andere Stadträte stimmten einem Antrag der Linken zu, noch mal für die gesamte Südvorstadt zu prüfen, ob die Voraussetzungen für Soziale Erhaltungssatzungen nicht doch vorliegen. Dies war bisher nur für einen kleinen Teil der Südvorstadt geprüft worden.

Falk Dossin (CDU) und Tobias Peter (Grüne) lieferten sich einen Disput, bei dem jede Seite der anderen empfahl, sich mal genauer mit den Zahlen aus den Statistiken zu beschäftigen. Laut Peter findet das Baudezernat für 95 Prozent der Sanierungsvorhaben in den Schutzgebieten einvernehmliche Lösungen. Hingegen meinte Dossin, durch den Milieuschutz würden die Mieten in Leipzig noch schneller klettern.
Überprüfung in sechs Schutzgebieten

Auch Sven Morlok (FDP) sagte, die Satzungen würden mehr schaden als nutzen. Dazu merkte Stadträtin Gerbsch an, dass die entsprechenden Passagen im Baugesetzbuch einst im Bundestag mit den Stimmen von CDU und FDP beschlossen worden waren.

Die ersten sechs Milieuschutzgebiete hatte Leipzig im Jahr 2020 festgelegt. Alle Fakten, wie sich diese Viertel seitdem entwickelt haben, werden jetzt durch eine Haushaltsbefragung ermittelt, erklärte Baubürgermeister Dienberg. 44.000 Haushalte in Alt-Lindenau, Lindenau, der Eisenbahnstraße, am Lene-Voigt-Park sowie in Connewitz und Eutritzsch erhielten dazu in diesen Tagen Post mit einem Fragebogen.

„Wir werden das sehr sorgfältig und transparent auswerten und selbstverständlich Dinge ändern, wenn es da irgendwo Fehlentwicklungen gibt“, versprach Dienberg. Jedoch sollten die Stadträte bitte nicht vergessen, dass eine Kommune überhaupt nur sehr wenige Instrumente habe, um auf die Höhe der Mieten einzuwirken. Der Milieuschutz gehöre nach seiner Meinung auf jeden Fall dazu.