Brutale Abschiebepraxis in Leipzig: Schwerkranke Mutter bei Abschiebung von Familie getrennt
In der Nacht zum Dienstag versuchte die Polizei in einer Leipziger Gemeinschaftsunterkunft Familie G. aus Georgien abzuschieben. Weil die Mutter Nino G. aufgrund eines Hirntumors nicht reisefähig ist, schob die Polizei den Vater und beide Kinder (10 und 6 Jahre) der Familie getrennt ab. Der Vorgang ist ein Verstoß gegen Sachsens „Leitfaden zur Rückführungspraxis“ und ein absolut inhumanes Vorgehen, welches der Flüchtlingsrat auf das Schärfste verurteilt.
Familie G. lebte seit über drei Jahren in Deutschland und war zuletzt in der Gemeinschaftsunterkunft in der Straße An den Tierkliniken untergebracht. Frau G. besitzt bereits ein Sprachzertifikat B1, ihr Mann besuchte einen Sprachkurs und die beiden Kinder lernten die Sprache noch schneller. So war ältere Sohn Sandro bereits seit zwei Jahren Schüler einer Regelklasse in einer Leipziger Grundschule.
Zwar wurde der Asylantrag der Familie abgelehnt, aber die Familie hatte keine Klage eingereicht und besaß auch keine rechtliche Vertretung. Aufgrund der sich verschlechternden gesundheitlichen Lage von Frau Nino G. war die Versorgung ihres Hirntumors und die Schulbildung der Kinder die Prämisse der Familie. „Meine Kinder sprechen sehr gutes Deutsch und sind in Sachsen bereits angekommen. Sie hatten Freunde hier und sind nach der Abschiebung völlig verängstigt – sie weinen den ganzen Tag.“
Familientrennung der Polizei ohne Rücksicht
Der Zugriff für die Abschiebung fand am Montag gegen 23:30 Uhr in der Gemeinschaftsunterkunft statt. Kurz zuvor beobachtete die Familie bereits ein wegfahrendes Auto der Polizei, aber machte sich keine Gedanken. „Dann hörten wir, dass die Security unsere Tür abschloss und mit der Polizei telefoniert. Kurz danach standen Polizisten in unserem Zimmer und wollten uns alle abschieben. Aber als ich ärztliche Atteste zeigte, fuhren wir ins Krankenhaus.“ Das Klinikpersonal bestätigt die Reiseunfähigkeit von Frau G. erneut und was dann folgte ist Skandal inhumaner Abschiebepraxis.
Die Beamten entschieden sich den Vater und die beide Kinder getrennt von der schwerkranken Mutter abzuschieben. Ihr Flieger nach Tiflis ging am nächsten Tag, Dienstag 12:00 Uhr von Berlin aus. Frau G. ist auch Tage danach sichtlich geschockt: „Ich bin komplett am Ende und habe keine Energie mehr. Zu den Schmerzen meiner Krankheit kommen nun nicht endende Kopfschmerzen dazu, weil ich nicht weiß, wann ich meine Familie wiedersehen kann.“
Humanitäre Standards einhalten – auch für Geduldete!
„Sachsen hat mit dieser Abschiebung gegen eigene humanitäre Mindeststandards verstoßen. Eine schwerkranke Mutter von ihren Kindern zu trennen ist eine völlig neue Dimension von Brutalität bei Abschiebungen“, kritisiert Dave Schmidtke vom Flüchtlingsrat. Er warnt, dass die aktuellen migrationsfeindlichen Debatten keinen Einfluss auf rechtsstaatliche Praxis haben dürfen: „Familien verdienen besonderen Schutz. Behörden dürfen sich keineswegs vom Populismus gegen Geflüchtete leiten lassen – auch Geduldete müssen mit einem Mindestmaß an Würde behandelt werden!“
Unsere Forderung: Um ähnlich grausame Vorgehen zu vermeiden, sollte der „Leitfaden zur Rückführungspraxis“ dringend rechtliche Bindung erhalten und tatsächlich humanitäre Standards bei Abschiebungen garantieren!
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Denise Peikert LVZ 31.01.2025
Abschiebung aus Leipzig: Georgische Mutter von ihren Kindern getrennt
Die kranke Mutter blieb, ihre Kinder mussten gehen: Eine Familie aus Georgien wurde bei ihrer Abschiebung aus Leipzig getrennt. Hat Sachsen damit gegen seine eigenen Richtlinien verstoßen?
Dass sie Deutschland verlassen müssen, wussten Nino Gogilashvili und ihre Familie. Im Herbst 2022 kamen sie aus Georgien, in Sorge vor instabilen politischen Verhältnissen in ihrem Heimatland. Wenige Monate später wurde ihr Asylantrag abgelehnt. Aber würde man sie abschieben, obwohl Gogilashvili in ärztlicher Behandlung ist? Würde man dafür die Familie trennen?
Seit Anfang der Woche gibt es Antworten auf diese Fragen: Der Mann und die beiden 6 und 10 Jahre alten Söhne von Nino Gogilashvili sind nach Georgien abgeschoben worden. Das machte der sächsische Flüchtlingsrat am Freitag öffentlich.
Auch Gogilashvili sollte zunächst mit ausreisen. Weil sie bei dem Abschiebeversuch über Schmerzen klagte, wurde sie in ein Krankenhaus gebracht. Gogilashvili, gerade 33 Jahre alt geworden, hat laut einem Reiseunfähigkeitsattest und weiteren Befunden unter anderem einen beobachtungsbedürftigen Hirntumor und psychiatrische Probleme.
Sie lebt weiter in einer Gemeinschaftsunterkunft in Leipzig. Wann Gogilashvili wieder reisefähig sein wird, ist unklar. „Meine Kinder weinen den ganzen Tag und ich auch“, sagte Gogilashvili.
Flüchtlingsrat verweist auf Abschiebe-Leitfaden
Der Sprecher des Flüchtlingsrates, Dave Schmidtke, kritisierte ein „neues Ausmaß an Grausamkeit, was Abschiebungen betrifft.“ Er verwies auf den Abschiebe-Leitfaden des sächsischen Innenministeriums. „Sachsen hat mit dieser Abschiebung gegen eigene humanitäre Mindeststandards verstoßen“, sagte Schmidtke.
Auch Juliane Nagel, Landtagsabgeordnete der Linken, kritisierte die Abschiebung. „Dieser Vorgang ist skandalös und verletzt eindeutig den grundgesetzlich garantierten Schutz von Ehe und Familie“, sagte sie. Nagel forderte das Innenministerium auf, dringend zu prüfen, wie die Familie wieder vereint werden kann.
Den Abschiebe-Leitfaden hat Sachsen 2022 beschlossen. Er besagt unter anderem, dass Familien bei einer Abschiebung „möglichst nicht getrennt“ werden sollen. Rechtlich bindend ist der Leitfaden nicht. Nach Meinung des Flüchtlingsrates muss sich das dringend ändern.
Landesdirektion verteidigt Abschiebung
Die Landesdirektion Sachsen bestätigte die Abschiebung von Gogilashvilis Familie. Dem Amt zufolge hatte die Familie zuvor zwei finanzierte und organisierte freiwillige Ausreisen nicht angetreten. Zudem seien zwei Abschiebeversuche im Dezember 2023 und im Sommer 2024 gescheitert, weil die Familie nicht anzutreffen gewesen sei.
Deshalb und weil „die Frau die Familieneinheit durch unmittelbar anschließende freiwillige Ausreise hätte wiederherstellen können, wurde die Familientrennung vollzogen“, sagte ein Sprecher der Landesdirektion. Dabei sei der Abschiebe-Leitfaden eingehalten worden. Dass Nino Gogilashvili einen Hirntumor habe, ist der Landesdirektion dem Sprecher zufolge nicht bekannt. Ärztliche Atteste über weitere Krankheiten habe sie trotz Aufforderung nicht vorgelegt.
Deutschland stuft Georgien als sicheres Herkunftsland ein, Asylanträge sind nur in weniger als einem Prozent der Fälle erfolgreich. Georgien gehört zu den fünf Ländern, in die Sachsen 2024 die meisten Menschen abgeschoben hat. Immer wieder sorgen Einzelfälle für Empörung, etwa die später rückgängig gemachte Abschiebung der Familie Imerlishvili aus Pirna.
Anwalt prüft Fall der Familie
Sandro, der ältere Sohn von Nino Gogilashvili, besuchte zuletzt die Regelklasse einer Grundschule in Leipzig. Gogilashvili selbst hat nach eigenen Angaben Sprachniveau B1 erreicht. „Wir haben Deutsch gelernt und alle Regeln und Gesetze respektiert“, sagt sie.
Bislang haben Nino Gogilashvili und ihre Familie keinen Rechtsbeistand, sie sind auch nicht vor Gericht gegen die Ablehnung ihres Asylantrags vorgegangen. Der Flüchtlingsrat hat der Familie eigenen Worten nach einen Anwalt besorgt. Dieser wolle nun unter anderem prüfen, ob womöglich für die ganze Familie Reiseunfähigkeit gegolten habe.