Statement zu den Angriffen auf das Atari 2024

Statement zu den Angriffen aufs Atari 2024

Während es im Leipziger Osten vermehrt zu Angriffen durch Nazis kommt, selbstverwaltete Räume der Gentrifizierung weichen müssen und der Stadtrat versucht, den verbliebenen emanzipatorischen Projekten die Fördermittel zu entziehen, müssen sich antisemitismuskritische Orte mit dem Hass pro-palästinensischer, sich selbst als progressiv bezeichnender Gruppen auseinandersetzen. Auch wir wurden vermehrt mit Angriffen verschiedener Art konfrontiert.

Am 6.8.2024 fand im Atari ein Vortrag unter dem Titel „Is Palestine a feminist issue? Zur Verschränkung von (Queer-)Feminismus und Antisemitismus“ statt. Ebendieser Vortrag sollte einen konstruktiven Beitrag im Hinblick auf den gegenwärtig sehr präsenten Diskurs rund um den Nahost-Konflikt leisten. Kritische Stimmen waren – nach dem Vortrag – explizit erwünscht. Leider mussten schon recht früh Personen der Veranstaltung verwiesen werden, die den Vortrag massiv gestört und absichtlich unterbrochen haben. Im Zuge dieser Störungen wurde die von den Tätern des 7.10.2023 verübte, selbst gefilmte und veröffentlichte sexualisierte Gewalt als Lügenkonstrukt bezeichnet.
Hier ist ein Mitschnitt des besagten Vortrages verlinkt: [1]. Allerdings handelt es sich nicht um die Version vom 6.8.24 im Atari, sondern um eine vorangegangene. Dem Rape Denial der Störer*innen sollte kein Raum gegeben werden.
Vom Rausschmiss kursiert seitdem ein verwackeltes Video auf Instagram. Wir bedauern, dass die von uns gewünschte kritische Auseinandersetzung mit der Thematik sowie die Möglichkeit einer Diskussion nicht angenommen wurde, sodass wir zu einem Rauswurf gezwungen waren. Wir haben uns eingehend mit der Situation beschäftigt und unser Vorgehen reflektiert. Es besteht kein Zweifel daran, dass die entsprechenden Personen bereits mit dem Ziel ins Atari kamen, den Vortrag möglichst intensiv zu stören, damit dieser nicht stattfinden kann. Auf die Bitte, den Raum zu verlassen, wurde nicht reagiert, um daraus resultierend eine dramatische Situation zu verursachen. Zudem ist uns bekannt, dass nach Namen, Fotos und Adressen von Personen, die sich für das Atari engagieren, gesucht wurde.
Für eine ausführlichere Schilderung der Ereignisse möchten wir auf das Statement der „Punks against Antisemitism Leipzig“ verweisen (siehe [2]).

Im Nachgang wurde durch die Gruppen „Handala Leipzig“, „JID Leipzig“, „Students for Palestine Leipzig“ und „Palestine Campus Leipzig“ eine Kampagne losgetreten, die uns alle schockierte und die gesamte antiautoritäre Szene zum Nachdenken anregen sollte. So wurden wir am nächsten Tag mit einer vor unserem Laden stattfindenden Kundgebung konfrontiert. Redebeiträge, die noch auf den Accounts besagter Seiten zu finden sind (16.12.24), beweisen, dass die Redner*innen sich nicht mit dem Inhalt des Vortrags auseinandergesetzt haben. Es ging ihnen einzig darum, die Situation mit Hilfe von Falschdarstellungen zu dramatisieren und uns zu diffamieren. Während wir als der „israelsolidarischste Laden der ganzen Welt“ bezeichnet werden, wird uns Sympathie für die Gewalt der IDF unterstellt. Außerdem werden wir mit Nazis gleichgesetzt.

Weiterhin wurde ein Statement auf den Instagramkanälen der genannten Gruppen veröffentlicht, das die Ereignisse am Tag des Vortrags rezipiert. Wir denken, dass es sich dabei keinesfalls um eine tragfähige Analyse handelt, sondern es ähnlich wie bei der Kundgebung darum geht, durch Diffamierungen und populistische Zuspitzungen einen möglichst großen Rufschaden zu verursachen.

Es wird hierbei die These aufgestellt, dass das Atari ein queerfeindlicher sowie rassistischer Laden sei, der „white supremacy“ unterstütze. Außerdem wird behauptet, das Atari vertrete eine „genozidbefürwortende Grundeinstellung“ und heiße den Mord an Personen (insbesondere an Kindern) im Gazastreifen gut. Diese Diffamierungen stehen wörtlich in dem Statement. Es ist uns ein Rätsel, wie man auf den Gedanken kommt, solche Lügen über andere zu verbreiten. In typischer Manier für autoritäre Organisationen und den ihnen nahestehenden Gruppen stellen sich die Störenden als die Opfer eines Übergriffs dar.

Wir waren sprachlos über die Art und Weise, mit der von diesen Gruppen gegen linke Projekte vorgegangen wird. Wir sind enttäuscht darüber, dass andere sich als emanzipatorisch betrachtende Menschen und Projekte diesen Gruppen Glauben schenken, anstatt sich kritisch mit ihnen auseinanderzusetzen. Die Teilnehmenden der Kundgebung solidarisierten sich mit Vergewaltigungsleugner*innen. Jedoch sollte es ein linker Grundkonsens sein, jede Form sexualisierter Gewalt zu verurteilen und Betroffenen zu glauben.

Am 28.11.2024 wurde auf unserer Außenwand der Slogan „Gegen jeden Antisemitismus – Erinnern heißt Handeln“ übersprüht. Hierbei wurde das Atari mit der Aufschrift „Zios töten“ und roten Dreiecken beschmiert. Diese Dreiecke werden von der Hamas zur Markierung ihrer Feinde verwendet. Seit dem 07.10.23 tauchen sie vermehrt in pro-palästinensischen Kreisen auf und werden als Symbol des Widerstands glorifiziert. Der Aufruf zum Mord stellt eine neue Eskalationsstufe dar.
Durch die Kombination der Symboliken zeigt sich, dass es diesen Gruppen niemals um Frieden in Israel/Palästina geht, sondern ausschließlich um die Vernichtung des israelischen Staates, damit einhergehend jüdischen Lebens, sowie der Menschen und Projekte, die von ebendiesen Gruppen als antisemitismuskritisch/israelsolidarisch eingeordnet werden.

Am 1.12.2024 mussten wir feststellen, dass unser Projekt erneut Ziel eines Angriffs in Form von Schmierereien wurde. Wir konnten entziffern, dass uns vorgeworfen wird, „Spenden für Verbrecher“ zu sammeln. Die letzten Spenden flossen in antifaschistische Arbeit, Bleiberechtsverfahren und den Selbsterhalt.

Wir sind davon überzeugt, dass Morddrohungen, reißerische Statements mit geringem Wahrheitsgehalt und Einschüchterungs-Strategien, die sich gegen antifaschistische Ladenprojekte wie das Atari und andere linke Strukturen richten, uns alle auf keine sinnvolle Art und Weise voranbringen.
Welcher politische Gewinn wird darin gesehen, etablierten Strukturen zu schaden?
Das Atari stellt, wie auch andere Orte, einen zentralen subkulturellen Raum im Leipziger Osten dar, welcher aus einem antifaschistischen Bewusstsein heraus entstand.
Unser Ladenprojekt wurde in einer Zeit gegründet, in der Reudnitz noch ein Nazi-Kiez war. Seine Existenz ist eine wichtige Grundvoraussetzung dafür, dass in Reudnitz heute ein anderes politisches Klima herrscht. Wir fänden es aktuell wichtiger, unsere Kapazitäten weiterhin dem Kampf gegen Rechts zu widmen.

An alle, die sich mit dem Thema auseinandersetzen, möchten wir appellieren, kritisch auf die Legitimität der Aktionsformen zu schauen, welche von Gruppen und Einzelpersonen in eurem Umfeld angewendet werden. Die Realität bedarf einer komplexen Auseinandersetzung. Distanziert euch von der Verwendung faschistischer Symboliken und der Verherrlichung faschistischer Terrororganisationen! Lasst euch nicht auf Doppelstandards ein: Die Opferzentrierung bei Vorfällen sexualisierter Gewalt gilt auch für jüdische Menschen/Menschen die in Israel leben!

Wir solidarisieren uns mit allen von Krieg und Unterdrückung betroffenen Menschen weltweit.

Abschließend soll zum Ausdruck gebracht werden, dass das Atari jede Form der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit und die Verbreitung von weltvereinfachenden Verschwörungsideologien ablehnt. Deshalb stellen wir uns konsequent gegen jeden Antisemitismus! Menschen, die dieselben Werte und Überzeugungen teilen, sind bei uns immer herzlich willkommen und finden bei uns einen offenen Raum für Austausch und Gemeinsamkeit.

Solidarische Grüße an alle Projekte, welche ähnlichen Angriffen oder Diffamierungen ausgesetzt sind. Hier sei insbesondere das Conne Island erwähnt, welches seit geraumer Zeit unter einer Boykott-Kampagne leidet. [3]

Vielen Dank an alle Personen und Projekte, die trotz oder gerade wegen dieser Angriffe den Weg zu uns finden und uns beistehen. Eure Solidarität bedeutet uns sehr viel <3

Das Atari-Kollektiv

[1] 14.5.24, Uni Leipzig mit AG Kritische Bildung https://soundcloud.com/cordula-trunk/is-palestine-a-feminist-issue-zur-verschrankung-von-antisemitismus-und-queerfeminismus

[2] https://www.instagram.com/p/C-c1fykom35/?img_index=1).r

[3] https://conne-island.de/news/285.html