Leipziger Publizist Kraske: „Die AfD ist ein Nährboden für Rechtsterrorismus“

Seit die Verbindungen der Partei zu den militanten „Sächsischen Separatisten“ aufgedeckt wurden, ist die Partei nervös. Könnte das die Chancen auf ein Verbot steigern? Ja, sagt der sächsische AfD-Experte Michael Kraske. Ein Interview.

Ihre Haltung ist klar: Die AfD muss verboten werden, weil sie Umsturzpläne fördert und die grundgesetzliche Demokratie abschaffen will. Das ist das Ergebnis der Recherchen des Leipziger Publizisten Michael Kraske und seines Kollegen Dirk Laabs, die sie im Buch „Angriff auf Deutschland“ (Ullstein-Verlag) veröffentlicht haben. Wir sprachen mit dem 52-jährigen Wahlsachsen Kraske über die Verbindungen der AfD zum Rechtsterrorismus und den Verbotsantrag, der am Mittwoch im Bundestag eingebracht wurde.

Herr Kraske, unlängst wurde bekannt, dass AfD-Politiker in die mutmaßlichen bewaffneten Aufstandspläne der „Sächsischen Separatisten“ involviert waren. Überraschen Sie diese direkten Verbindungen der Partei zu militanten Rechtsterroristen?

Überhaupt nicht. Es überrascht mich eher, dass so viele davon überrascht sind. Ich finde es auch falsch, wenn das in den Medien jetzt als sensationeller Einzelfall dargestellt wird. Es ist längst bekannt, dass die AfD ein Nährboden für Rechtsterrorismus ist. Gerade läuft ja der Prozess gegen die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Malsack-Winkemann, der vorgeworfen wird, als Teil einer Terrorgruppe an Vorbereitungen für einen bewaffneten Umsturz beteiligt gewesen zu sein. Seit das 2022 bekannt wurde, ist offenkundig, dass die AfD-Ideologie auch Menschen in der Partei ermutigt, zur Tat zu schreiten.

Dann bringt das Auffliegen der AfD-Beteiligung an den „Sächsischen Separatisten“ eigentlich gar keine neuen Erkenntnisse?

Für mich stellt sich eher die Frage, ob dieser Fall nun endlich dazu führt, dass die längst vorhandene Erkenntnis nicht länger ausgeblendet wird: Die AfD steht nicht nur in Kontakt zur militanten rechtsextremen Szene, sie marschiert mit Neonazis, Reichsbürgern, Freien Sachsen und anderen Demokratiefeinden und macht mit denen gemeinsame Sache. Das ist erschreckenderweise medial kaum ein Thema, ebenso wenig in der Politik. Wir zeigen in unserem Buch ja unter anderem, dass viele Kader aus der rechtsextremistischen Szene Mitarbeiter von AfD-Politikern wurden, auch im Bundestag. Damit finanziert die AfD mit den Mitteln des Staates auch das militante rechtsextremistische Milieu.

Warum spielt das in der allgemeinen Debatte über die AfD keine Rolle?

Weil es der Partei gelungen ist, zugleich ihre Radikalisierung und ihre Normalisierung zu betreiben. Das funktioniert etwa über deren Arbeit in Kommunen, Stadt- und Kreisräten, wo sie versuchen, sich als pragmatische Lokalpolitiker zu inszenieren. AfD-Kandidaten kennt man in kleinen Orten als Handwerker oder Nachbarn. Die AfD tritt betont bürgernah auf, man spricht die gleiche Sprache. So verschafft sich die Partei breite Akzeptanz. Radikale Ziele werden in einfache Botschaften verpackt: Politik ausschließlich für das eigene Volk und die eigenen Leute, gegen Flüchtlinge und das sogenannte Altparteienkartell. Das kommt gut an. So wird die radikale Ideologie zunehmend normal.

Viele Medien und Politiker nehmen die Argumentation auf, militante Parteimitglieder wie Malsack-Winkemann oder die „Sächsischen Separatisten“ seien nur bedauerliche Einzelfälle. Wie repräsentativ für die AfD sind sie wirklich?

Fakt ist, dass es keine eindeutige rote Linie innerhalb der AfD gibt, mit der sich die Partei gegen militante Rechtsextremisten abgrenzt. Deshalb distanziert sie sich entweder gar nicht – oder nur reflexhaft ohne sofortige Konsequenzen – von Mitgliedern wie Malsack-Winkemann. Eben weil auch diese Leute der Ideologie der Partei folgen und sie in die Tat umsetzen wollen. Es gibt eine Vielzahl von AfD-Mitgliedern, die für Straftaten verurteilt wurden, mit denen sie dazu beigetragen haben, dass der Hass, den sie in der Partei verbreiten, in reale Gewalt umgeschlagen ist. So wurde der Vorsitzende der Jungen Alternative in NRW verurteilt, weil er mit dem Auto einen Gegendemonstranten angefahren hat. Andere AfD-Mitglieder haben ihre Opfer geschlagen, getreten oder gebissen. Die Gewaltbereitschaft in der AfD wird auch von Aussteigern aus der Partei bestätigt.

Eine Sache ist aber doch neu seit dem Auffliegen der „Sächsischen Separatisten“: Anders als in den bisherigen Fällen hat die AfD sehr schnell die drei beteiligten Mitglieder ausgeschlossen. Hängt das mit dem der Partei drohenden Verbotsverfahren zusammen?

Ich bin mir sicher, dass die Partei genau aus diesem Grund schneller und konsequenter als sonst und hochgradig nervös reagiert. Sie will suggerieren, dass sie jetzt doch einen klaren Trennungsstrich zu gewaltbereiten Rechtsextremisten zieht. Es gibt aber weiterhin keine Anzeichen in der Partei dafür, im Gegenteil.

Am Mittwoch ist der Verbotsantrag unter Führung des sächsischen CDU-Politikers Marco Wanderwitz im Bundestag offiziell eingereicht worden. Steigert die Aufdeckung der Verbindungen von AfD- und JA-Mitgliedern zu den „Sächsischen Separatisten“ die Chancen für die Befürworter eines Parteiverbots?

Eigentlich müsste das so sein, auch wenn das nur ein weiterer von ungezählten Belegen dafür ist, dass die AfD eine im Kern rechtsextremistische und verfassungsfeindliche Partei ist. Verstörenderweise formiert sich gerade in Berlin eine Art Große Koalition, die das Verbotsverfahren verhindern will. Dahinter steckt die Angst, auch von Grünen und Sozialdemokraten, von der Wählerschaft dafür abgestraft zu werden, zumal nun bald Neuwahlen anstehen.

Worin begründet sich diese Angst?

Darauf, dass viele Menschen denken, ein Verbotsverfahren werde nur deshalb angestrengt, weil die anderen Parteien damit einen missliebigen Konkurrenten aus dem Weg räumen wollen. Was allerdings schon deshalb absurd ist, weil am Ende eines solchen Verfahrens nicht Parteien über ein Verbot entscheiden, sondern eine rechtsstaatliche Institution: das Bundesverfassungsgericht. Die Justiz kann sich nach meinen Erkenntnissen auf eine starke Beweislage dafür stützen, dass die AfD ein völkisch-nationalistisches und autoritäres Gesellschaftsmodell propagiert und anstrebt, das nicht dem Grundgesetz entspricht.

Die Gegner eines Verbots führen vor allem das Argument an, dadurch könnte sich die AfD einmal mehr als Opfer gerieren, was ihr zusätzliche Sympathien einbringen würde …

Die Opferrolle gehört zur DNA der AfD, sie inszeniert sich schon seit Jahren entsprechend. Das Argument halte ich für ebenso schwach wie den Einwand, per Verbot könne man das AfD-Gedankengut in den Köpfen nicht verbieten. Stimmt zwar, aber darum geht es doch gar nicht – siehe oben.

Was ist für Sie die entscheidende Frage?

Die ergibt sich aus dem Grundgesetz: Geht die AfD darauf aus, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen? Das kann man nach Lage der Beweise nur mit ja beantworten. Übrigens spiegelt das auch die aktuelle Rechtsprechung wider, die die Basis war für den Verbotsantrag – ohnedem hätte er so gar nicht eingebracht werden können. Das Oberverwaltungsgericht in Münster erkennt etwa Angriffe auf die Menschenwürde und das Demokratieprinzip durch die AfD.

Ein weiteres Gegenargument lautet, dass es ein gravierender Eingriff in die demokratischen Verhältnisse wäre, eine demokratisch gewählte Partei zu verbieten. Was halten Sie davon?

Ohne Frage wäre das ein überaus gravierender Eingriff. Aber es dürfte inzwischen mehr als klar sein, dass demokratisch gewählt nicht gleichbedeutend ist mit demokratisch gesinnt. Und eine wehrhafte Demokratie darf es nicht hinnehmen, dass eine Partei die Grundlagen dieser Demokratie angreift und zerstört. Auch dann nicht, wenn sie das mit demokratisch legitimen Mitteln tut. Die Nationalsozialisten kamen ebenfalls durch Wahlen an die Macht.

So groß die Fassungslosigkeit mancher Menschen darüber ist, dass der demokratische Staat über die Parteienfinanzierung eine Partei alimentiert, die mit eben diesen Mitteln den Kampf gegen diesen Staat führt, so groß ist auch ihre Angst vor der Empörung der Verbotsgegner. Berechtigterweise?

Absolut. Es ist ja auch ein Riesenproblem, dass Teile der Bevölkerung die Legitimität der Demokratie und ihrer Institutionen wegen eines Verbotsverfahrens noch zusätzlich in Zweifel ziehen würden. Aber das darf kein Argument dafür sein, auf dieses rechtsstaatliche Mittel zu verzichten. Entscheidend muss die faktische Bedrohung für die Demokratie dadurch sein, dass die völkisch-autoritäre Politik der AfD die Rechte von Millionen Menschen gefährdet. Das betrifft nicht nur Zuwanderer, sondern auch Staatsbürger, die etwa einer religiösen Minderheit angehören, die eine andere sexuelle Identität haben, die behindert sind. Unsere Demokratie hat sich dazu verpflichtet, jeden Menschen zu schützen.

Ein Verbot wäre aber doch kein Allheilmittel?

Natürlich nicht. Es braucht darüber hinaus viele andere Maßnahmen – abgesehen von einer guten Politik natürlich. Die Demokratieförderung muss gestärkt und gesetzlich abgesichert werden, es müssen mehr Möglichkeiten für eine aktive Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an Entscheidungsprozessen geschaffen werden. Und Organisationen, die sich für ein demokratisches Miteinander und gegen Extremismus einsetzen, gerade in den Regionen, brauchen mehr Unterstützung und Absicherung. Aber der Staat muss eben auch dort eingreifen, wo er nachweislich in seiner demokratischen Existenz bedroht wird, zum Beispiel von einer Partei, die gegen die Grundsätze der Verfassung verstößt.

Das Gespräch führte Oliver Reinhard.

Buchtipp: Michael Kraske / Dirk Laabs: Angriff auf Deutschland. Die schleichende Machtergreifung der AfD. Ullstein-Verlag, 350 Seiten, 18 Euro