Rechtsextreme Terror-Gruppe mit Verbindungen zur AfD: Wer ist Kurt Hättasch?
Seine Kontakte in die rechtsextreme Szene sind gut dokumentiert – trotzdem galt Kurt Hättasch in der AfD als vielversprechendes Talent: Er engagierte sich in der Kommunalpolitik, arbeitete für einen Landtagsabgeordneten. Nach seiner Festnahme reagiert die Partei erst gleichgültig – und dann mit Ausschluss.
Leipzig. Es war zum Volkstrauertag, als das Bläserduo Kurt Hättasch und Kevin R. am Kriegerdenkmal von Bad Lausick das Stück vom „Vom guten Kameraden“ spielten. Die AfD-Fraktion im Stadtrat hatte eingeladen und schrieb später bei Facebook: Die Darbietung hätte einigen Anwesenden „ordentliche Gänsehaut“ verschafft.
Für ordentlich Gänsehaut sorgen die Vorwürfe, die nun, fünf Jahre später, gegen Kurt Hättasch und Kevin R. im Raum stehen: Sie sollen Teil der „Sächsischen Separatisten“ gewesen sein – einer rechtsextremen Terror-Gruppe, die Gefechtshelme und Schutzmasken besorgte, sich mit paramilitärischen Trainings auf einen möglichen „Systemsturz“ vorbereitete. So sieht es zumindest die Bundesanwaltschaft. Die Polizei hat mehrere Häuser, Wohnungen und Grundstücke durchsucht – acht Männer wurden festgenommen, darunter auch Kurt Hättasch und Kevin R..
Hättasch arbeitete bis zur Festnahme für den AfD-Abgeordneten Alexander Wiesner
Hättasch soll mit einer Langwaffe vor die Polizisten getreten sein, heißt es aus Sicherheitskreisen. Offiziell bestätigt ist das jedoch nicht. Fest steht: Ein Polizist soll Warnschüsse abgegeben haben. Der Beschuldigte erlitt offenbar einen Bruch am Kiefer und wurde operiert. Vor der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG) der Leipziger Uniklinik standen am Dienstag schwer bewaffnete Polizisten. Wie es zu der Verletzung kam und weitere Details zu dem Zwischenfall sollen Zeugenvernehmungen klären.
Was bereits fest steht: Kurt Hättasch und Kevin R. sind Männer mit besten Verbindungen zur AfD. Seit dem Auftritt am Kriegerdenkmal sind sie in der Partei aufgestiegen: Seit 2020 ist Kurt Hättasch Mitglied im Kreisvorstand der AfD im Landkreis Leipzig, verantwortlich für das Thema Organisation.
Bei der diesjährigen Kommunalwahl wurde er in den Stadtrat von Grimma gewählt, war dort zuletzt unter anderem im Technischen Ausschuss und Sozialausschuss aktiv. Hättasch ist außerdem nach LVZ-Informationen Mitarbeiter des AfD-Landtagsabgeordneten Alexander Wiesner.
Kevin R. war ebenfalls für den Kreisverband tätig, zuletzt für die Medienarbeit. Er kandidierte erfolglos für den Stadtrat in Grimma, ist dort aber trotzdem aktiv: Er vertrat Hättasch in den Ausschüssen – eine Aufgabe, die Bürger ohne Mandat übernehmen können, wenn sie dazu offiziell berufen werden. Auch R. soll nach LVZ-Informationen in der Vergangenheit ebenfalls für einen Abgeordneten gearbeitet haben.
Bis zu ihrer Festnahme waren die beiden Männer auch bei der Jungen Alternative (JA) in Sachsen aktiv, der Jugendorganisation der AfD: Als die JA sich Ende Oktober einen neuen Vorstand wählte, wurde Hättasch Schatzmeister.
Die JA veröffentlichte auf Instagram ein Foto, das nach der Festnahme gelöscht wurde: Es zeigt Kurt Hättasch so wie er oft auftritt: mit streng nach hinten gegeltem Haar und im Trachtenjanker.
„Das hat doch nichts mit der AfD zu tun.“
Traditionsbewusst und redegewandt, so beschreiben Hättasch Menschen, die ihn im Stadtrat Grimma erlebt haben. Ein mögliches Nachwuchstalent für die AfD – die Partei schlug ihn als Stellvertreter für den Bürgermeister vor. Und das trotz der gut dokumentierten Verbindungen in die rechtsextreme Szene:
Im Juni nahm Kurt Hättasch in der Nähe von Görlitz an einer Sonnenwendfeier teil, die offenbar von der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland angemeldet wurde. Zuerst hatte die Tageszeitung (Taz) darüber berichtet.
Der Nachmittag begann mit Volkstänzen und Sportwettkämpfen – Videomaterial, das der taz und LVZ vorliegt, zeigt Hättasch zwischen Frauen mit langen Röcken und Männern in Lederhosen. Am Abend soll einem SS-Standartenführer gehuldigt worden sein, das hatten mehrere Zeugen der Taz bestätigt. Die Polizei bestätigte Ausrufe wie:
„Heil Sonnenwende“.
Auf die Festnahme und die Vorwürfe gegen Kurt Hättasch und Kevin R. reagiert man beim Kreisverband der AfD zunächst gleichgültig – oder gar nicht: Der Vorsitzende und Bundestagsabgeordnete Edgar Naujok ist per Mail nicht zu erreichen – eine Mitarbeiterin erklärt: Man müsse sich nicht zu etwas äußern, was jemand „privat“ macht.
Der AfD-Landtagsabgeordnete Jörg Dornau ist ebenfalls Teil des AfD-Kreisvorstandes. Als Zuständiger für die Mitgliederverwaltung sollte ihn schon interessieren, was bei ihm los ist. Dornau geht zwar ans Telefon – aber als man ihm vorträgt, worum es geht, wiederholt er immer wieder, er könne nichts verstehen, legt dann auf. Später ist er nicht mehr zu erreichen.
Andreas Harlaß ist Pressesprecher der AfD und verwundert über die Nachfragen zu Kurt Hättasch und Kevin R. Denn: „Das hat doch nichts mit der AfD zu tun“. Angesichts der Verbindungen in der Kommunal- und Landespolitik scheint das zumindest zweifelhaft.
Am Mittwoch reagierte die Partei dann doch: Der Landesvorstand beschloss den Ausschluss von Kurt Hättasch, Kevin R. und Hans-Georg P.. P. war ebenfalls für die AfD in der Kommunalpolitik aktiv: „Wer sich bewaffnet, die Nähe zu tatsächlichen Neonazis sucht und separatistische Phantasien befürwortet, hat in der AfD nichts zu suchen. Denn wir sind eine freiheitliche, friedliebende und demokratische Partei“, so heißt mit einiger Verzögerung in einer Pressemitteilung.
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LVZ/SZ, Matthias Puppe und Antonie Rietzschel
06.11.2024, 13:52 Uhr
Sachsens AfD schließt mutmaßliche Rechtsterroristen aus – Hättasch im Gesicht verletzt
Am Mittwoch hat der Parteivorstand Kurt Hättasch, Hans-Georg P. und Kevin R. aus der AfD ausgeschlossen. Die drei Männer sollen zusammen mit anderen einen gewaltsamen Umsturz geplant haben.
Nach der Festnahme mehrerer mutmaßlicher Rechtsterroristen in Sachsen hat die sächsische AfD am Mittwoch drei der Beschuldigten aus ihren Reihen ausgeschlossen. Wie es in einer am Vormittag versendeten Mitteilung der im Freistaat als rechtsextrem eingestuften Partei heißt, habe der Landesvorstand den „sofortigen Entzug der Mitgliedsrechte und Parteiausschluss für Kurt H., Hans-Georg P. und Kevin R. einstimmig beschlossen“.
Kurt Hättasch war zuletzt auch für den Leipziger AfD-Landtagsabgeordneten Alexander Wiesner aktiv. Wie die Parlamentsverwaltung am Mittwoch erklärte, habe Wiesner seinem Mitarbeiter inzwischen gekündigt. Der auch als Grimmaer Stadtrat und bisheriger AfD-Vorstand im Landkreis Leipzig tätige Kurt Hättasch sei bisher zumindest nicht im Besitz eines Hausausweises im Landtag gewesen und habe deshalb auch keinen unkontrollierten Zugang zum Parlament erhalten.
„Die Festnahmen zeigen, dass unsere Gesellschaft ein ernstes Problem mit gewaltbereiten Rechtsextremisten hat“, so Sachsens Landtagspräsident Alexander Dierks (CDU). Die Entwicklungen zeigten aber auch, dass die sächsischen Sicherheitsbehörden eine hervorragende Arbeit leisten. „Wer in unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung über einen Systemsturz fantasiert, der will nichts anderes als eine Diktatur errichten. Hier muss die Demokratie ihre Wehrhaftigkeit unter Beweis stellen“, so Dierks weiter.
Hättasch bei Schusswechsel im Gesicht verletzt
Gegen die aus der AfD ausgeschlossenen Kevin R. und Hans-Georg P. wurden am Mittwoch am Bundesgerichtshof in Karlsruhe bereits Haftbefehle in Vollzug gesetzt. Kevin R. war zuletzt in der Grimmaer Lokalpolitik aktiv, Hans-Georg P. gehörte bis 2022 als AfD-Politiker zum Stadtbezirksbeirat im Leipziger Osten. Kurt Hättasch befindet sich noch nicht in Karlsruhe. Nach einem Schusswechsel bei seiner Festnahme am Dienstag wird er aktuell an der Leipziger Uniklinik behandelt. Nach LVZ-Informationen wurde er durch ein Projektil im Gesicht verletzt und musste am Kiefer behandelt werden.
Die drei nun aus der AfD ausgeschlossenen Personen gehören neben den ebenso festgenommenen Jörg S., Jörn S., Karl K., Kevin M. und Norman T. sowie sieben weiteren Beschuldigten zu der laut Generalbundesanwalt (GBA) militanten Gruppierung „Sächsische Separatisten“. Diese habe mit Waffengewalt Gebiete in Sachsen und gegebenenfalls auch in anderen ostdeutschen Ländern erobern wollen, um dort einen am Nationalsozialismus ausgerichtetes Staats- und Gesellschaftswesen zu errichten. „Unerwünschte Menschengruppen sollen notfalls durch ethnische Säuberungen aus der Gegend entfernt werden“, heißt es im Haftbefehl aus Karlsruhe.
AfD-Chef Urban: Vorbereitung auf Gewalttaten und Umstürze ist inakzeptabel
Für ihre AfD-Mitgliedschaft hat die Festnahme offenbar Konsequenzen. Sachsens Partei-Vorsitzender Jörg Urban erklärte am Mittwoch: „Die AfD lehnt jegliche Form von Gewalt in der politischen Auseinandersetzung ab. Auch Vorbereitungen auf mögliche Gewalttaten oder Umstürze sind inakzeptabel.“ Der Landesvorstand habe deshalb schnell handeln müssen, „und er hat schnell gehandelt. Wer sich bewaffnet, die Nähe zu tatsächlichen Neonazis sucht und separatistische Phantasien befürwortet, hat in der AfD nichts zu suchen“, so Urban weiter. Die AfD sei eine freiheitliche, friedliebende und demokratische Partei, so Jörg Urban weiter.
Wie der Generalbundesanwalt am Mittwoch mitteilte, wurden am Bundesgerichtshof inzwischen die Haftbefehle gegen Karl K., Kevin M., Hans-Georg P., Kevin R. und Norman T. umgesetzt. Bedeutet: Die Personen sind mit Hubschraubern nach Karlsruhe gebracht und dort dem Haftrichter vorgeführt worden. Der mutmaßliche Rädelsführer der Gruppe, Jörg S., werde aktuell nach seiner Festnahme in Polen ebenfalls noch nach Karlsruhe überführt.
Kurt Hättasch bei Festnahme im Gesicht verletzt
Noch nicht in Karlsruhe ist dagegen der Grimmaer Stadtrat Kurt Hättasch. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen habe Hättasch bei der Festnahme am Dienstag eine Schusswaffe („Langwaffe“) getragen. Die Polizisten hätten zwei Warnschüsse abgegeben – Hättasch wurde durch ein Projektil im Kieferbereich verletzt, heißt es. Ob es sich um eine Kugel aus einer Polizeiwaffe handelt, ist bisher unklar.
Ursprünglich sollte es eine Festnahme einer Person in Leipzig geben. Ob diese aber auch dort angetroffen wurde, ist unklar. Auch in Wiedemar (Nordsachsen) hatte es am Dienstag Durchsuchungen gegeben, die im Zusammenhang mit den „Sächsischen Separatisten“ stehen sollen. Festgenommen wurde den Angaben zufolge dort aber niemand. Was konkret bei den Razzien gefunden wurde, darüber will die Bundesanwaltschaft bislang keine Angaben machen.