Junge Rechtsextremisten aus Sachsen: Gruppe „Elblandrevolte“ im Fokus deutscher Sicherheitsdienste
Deutsche Sicherheitsdienste haben die „Elblandrevolte“ auf dem Schirm. Sie sind besorgt über das Mobilisierungspotenzial der Rechtsextremisten aus Sachsen.
Selbst die in meist nüchterner Sprache verfasste Einschätzung des Verfassungsschutzes macht hier eine Ausnahme. „Insgesamt wirkte der Aufzug martialisch“, heißt es im aktuellen Monatsbericht des sächsischen Dienstes über eine Aktion der „Elblandrevolte“. Fast 200 überwiegend junge Menschen, gekleidet in Schwarz, fuhren am zweiten Augustwochenende mit dem Zug von Dresden nach Bautzen. Aufgerufen zu der Aktion hatte die „Elblandrevolte“, eine Gruppierung der Jugendorganisation der rechtsextremistischen Partei „Die Heimat“.
Letztlich demonstrierten in der ostsächsischen Stadt rund 700 Menschen gegen den für Vielfalt stehenden „Christopher Street Day“ (CSD). Teilnehmer skandierten zu den Klängen des bekannten Schlagers „L‘amour toujurs“ gegen Ausländer gerichtete Parolen. Auch „Nazikiez“ und „Alle Bullen sind Schweine“ wurde gebrüllt sowie Pyrotechnik gezündet.
Die Mobilisierungskraft der „Elblandrevolte“ besorgt deutsche Sicherheitsbehörden. So hat das gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) von Bund und Ländern die erst im Februar gegründeten Gruppierung auf den Schirm genommen. Das Zentrum sieht sich als Kommunikationsplattform für Polizei und Nachrichtendienste auf Bundes und Länderebene. Vertreter von Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt und der Bundespolizei gehören zu der Runde. Ihr Ziel ist es, beim Thema Extremismusabwehr einen möglichst raschen Informationsfluss zu gewährleisten und die Analysekompetenz zu stärken.
Bundesregierung sieht „hohes Mobilisierungspotenzial“ bei „Elblandrevolte“
Wie aus der Antwort auf eine Anfrage der Linken im Bundestag hervorgeht, hat sich das GETZ bereits drei Mal mit der „Elblandrevolte“ befasst. Was besprochen wurde, ist geheim. Die Bundesregierung kommt jedenfalls zu dem Schluss, der Gruppierung sei „eine zumindest in Teilen gewaltbefürwortende Einstellung sowie ein hohes Mobilisierungspotential zuzurechnen“. Etwas verklausuliert heißt es weiter, sie erscheine „grundsätzlich geeignet, eine Gefährdungsrelevanz zu entfalten“. Jedoch lägen „keine konkreten gefährdungsrelevanten Erkenntnisse zu den Mitgliedern“ vor.
Dennoch sind Sicherheitskreise überrascht von der Resonanz, die die jungen Rechtsextremisten mit ihren Aktionen auslösen. Über viele Jahre schien die NPD, mittlerweile „Die Heimat“, auf dem absteigenden Ast. Sachsens Verfassungsschutz stellt im Bericht für das vergangene Jahr rückläufige Ressourcen aufgrund schlechter Wahlergebnisse sowie mangelnde Kampagnefähigkeit fest: „Der innerparteiliche Unmut über den desolaten Zustand und die Perspektivlosigkeit der Partei hatte einen Diskussionsprozess über Zukunftsstrategien bei den Mitgliedern ausgelöst.“
Mittlerweile aber organisieren sich unter dem Dach der „Heimat“-Nachwuchsorganisation „Junge Nationalisten“ in der „Elblandrevolte“ Rechtsaußen-Aktivisten, die gegen gesellschaftlichen Wandel mobilisieren. Dabei nutzen sie die Nähe zur Ex-NPD und deren Parteistatus als Schutz. Bis zu 40 Personen rechnen Sachsens Verfassungsschützer zu der Gruppierung aus dem Raum Dresden, anfangs war es offenbar nur ein knappes Dutzend. Die Truppe versteht es, zusammen mit anderen Rechtsextremisten ein um ein vielfach größeres Personenpotenzial in der Altersgruppe bis Mitte 20 anzusprechen.
In Bautzen demonstrierten mehr Personen gegen den CSD, als von den Initiatoren zunächst angenommen. „Die hohe Teilnehmerzahl ist insbesondere auf eine intensive Mobilisierung innerhalb der sozialen Medien zurückzuführen“, heißt es im August-Monatsbericht des sächsischen Verfassungsschutzes. So könnten „insbesondere junge Menschen schnell und in großer Anzahl erreicht werden“. Was in den 2000er-Jahren über Rechtsrock-CDs und geheime Festivals lief, ist für Rechtsextremisten heute über Instagram, Tiktok und Telegram möglich: ihre Inhalte unter jungen Menschen zu verbreiten.
Die „Elblandrevolte“ hat bereits im Februar am Gedenken von Rechtsextremisten an die Bombenangriffe auf Dresden 1945 teilgenommen. Das stärkt ihre Glaubwürdigkeit in der Szene. Doch größere Resonanz erreicht sie mit der Mobilisierung gegen CSD-Umzüge. So warb die „Elblandrevolte“ auf Telegram auch für Demonstrationen in Döbeln und Görlitz. Die Rechtsextremisten suggerieren, so die Einschätzung sächsischer Verfassungsschützer, das Vermitteln von Halt und Orientierung. Sie sehen Heterosexualität und die Kernfamilie aus Mann, Frau und Kindern als „alternativlos“.
Diese Positionen seien zwar nicht grundsätzlich rechtsextremistisch, betont der Landesverfassungsschutz. Doch dienten sie den Aktivisten dazu, „ihre Anschlussfähigkeit zu testen“. So stand der CSD-Gegenprotest in Bautzen unter dem Motto „Gegen Genderpropaganda und Identitätsverwirrung“. Der Nachrichtendienst attestiert den Rechtsextremisten, „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ bilde einen grundlegenden Bestandteil ihrer Agitation.
Die „Elblandrevolte“ versuche, durch ein „radikales Abweichen vom ‚Mainstream‘, insbesondere bei Fragen zur Migrationsdebatte und Gender-Thematik“, ihr Umfeld zu erweitern. Offensichtlich gelingt ihr das. Für eine Gegendemo zum CSD in Plauen im August mobilisierte im Netz die „Vogtlandrevolte“.