Machen AfD und CDU gemeinsame Sache im Kreistag Bautzen?
AfD-Politiker Frank Peschel ist erster Vize-Landrat des Landkreises Bautzen. Bei seiner Wahl im Kreistag bekam er nicht nur Stimmen seiner Partei. Andere Fraktionen werfen AfD und CDU nicht nur deshalb vor, sich abzusprechen.
Das Ergebnis ist deutlich, und AfD-Politiker Frank Peschel setzt seine Siegesserie fort. In der jüngsten Sitzung des Bautzener Kreistages am Montag, dem 30. September 2024, wählten ihn die Kreisräte mehrheitlich zum ersten stellvertretenden Landrat. Dabei handelt es sich um eine ehrenamtliche Funktion.
Doch anders als bei seinem erneuten Gewinn des Direktmandats bei der Landtagswahl am 1. September im Wahlkreis 52 oder seinem Einzug in den Gemeinderat Kubschütz sowie in den Kreistag am 9. Juni war Frank Peschel jetzt nicht auf die Stimmen der Wähler, sondern auf die anderer Kreisräte angewiesen, auch wenn die AfD größte Fraktion ist.
Denn die Kreisräte wählen aus ihrer Mitte die Vizelandräte. Bei der Wahl zum ersten Stellvertreter gewann Frank Peschel mit 52 der gültigen 79 Stimmen. Die zweite Kandidatin Barbara Lüke, parteilose Bürgermeisterin der Stadt Pulsnitz, die für die FDP im Kreistag sitzt, bekam 27 Stimmen. Da 30 der 32 AfD-Kreisräte anwesend waren, muss der neue Vizelandrat also mindestens 22 Stimmen von anderen Fraktionen bekommen haben.
Am Tag nach der Wahl zeigt sich Frank Peschel gegenüber Sächsische.de erfreut über das Ergebnis „weit über die eigene Fraktionsstärke hinaus.“ Er habe sich bei drei anderen Fraktionen vorab vorgestellt und so mit den Freien Wählern (FW) eine Stunde lang über Kreispolitik, mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in einer „sehr angenehmen“ Telefonkonferenz über Sachthemen und mit der CDU relativ kurz gesprochen.
Absprachen habe es allerdings nicht gegeben, sagt er. Er mutmaße, dass er dort Stimmen geholt haben könnte, wo er einen guten Eindruck hinterlassen habe. Die SPD und das Bündnis Links-Grün (BLG) hatten für eine Vorstellung Peschels bei ihnen abgesagt.
Bautzener Kreisrätin Barbara Lüke wirft CDU und AfD Absprachen vor
Erst in der Kreistagssitzung schlug die SPD dann Barbara Lüke vor. Während einer Sitzungspause sagte sie im Gespräch mit Sächsische.de, dass es offensichtlich Absprachen gegeben habe. „Ein Gegenkandidat zu Frank Peschel fehlte schließlich. Um eine echte Wahl zu haben, braucht es mehr als einen Kandidaten. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es keinen anderen gibt.“
Sie sei gefragt worden und habe daher kandidiert, auch weil Frank Peschel zur AfD gehört. „Ich bin hocherhobenen Kopfes in die Wahl gegangen, obwohl klar war, dass ich bei diesen Mehrheitsverhältnissen keine Chance habe.“ Die Beteiligten an den Absprachen, die es ihrer Meinung nach gab, müssten sich fragen, ob das dem Wählerwillen entspreche, nicht nur in Bezug auf die Wahl der stellvertretenden Landräte. „Hier geht es nicht um Sachpolitik.“
Stellvertretend dafür stehe das Beispiel zur Entsendung von vier Kreisräten in den Aufsichtsrat der Oberlausitz-Kliniken. Deren Standorte sind Bautzen und Bischofswerda. Neben je zwei AfD- und CDU-Kreisräten, die laut festgelegtem Benennungsverfahren vorgesehen sind, schlugen die Freien Wähler ihren Kreisrat Holm Große vor. Als Bischofswerdaer OB bringe er den nötigen Standortbezug mit. Große bat die beiden anderen Fraktionen, einen ihrer Kreisräte zu seinen Gunsten zurückzuziehen. Doch das passierte nicht.
Laut Barbara Lüke habe diese Entwicklung bereits in der ersten Sitzung des neuen Kreistages begonnen, als die Stelle der Ausländerbeauftragten auf AfD-Antrag aus der Hauptsatzung des Landkreises gestrichen wurde. „Die größten Fraktionen machen es unter sich aus“, sagt Lüke.
CDU-Chef im Bautzener Kreistag hält Wahl der Vizelandräte für „angemessen“
Für den Vorsitzenden der CDU-Fraktion im Bautzener Kreistag Matthias Grahl dagegen ist „die Wahl der stellvertretenden Landräte so ausgegangen, wie wir es für angemessen halten“. Die CDU ändere schließlich nicht ihre geübte Praxis, weil sie zweitstärkste Fraktion geworden ist. „Die größte Fraktion stellt den ersten Stellvertreter und die zweitgrößte den zweiten. Aus meiner Sicht schadet es dem Demokratie-Empfinden der Bürger massiv, wenn wir die eigenen Regeln zu unserem Vorteil ändern würden.“
Die CDU stellte daher ihren Kreisrat Swen Nowotny als Kandidaten für das Amt des zweiten Stellvertreters auf. Er gewann die Wahl gegen Robert Böhmer (FW) mit 48 zu 38 Stimmen. Matthias Grahl bestätigte zumindest, dass es vor der Kreistagssitzung Gespräche mit Vertretern verschiedener Fraktionen gegeben habe, darunter auch mit der AfD. Bei der geheimen Wahl seien „möglicherweise CDU-Stimmen für Frank Peschel dabei gewesen. Das würde ich dem Wahlergebnis so entnehmen, aber es bleibt eine Vermutung.“
So sehen „Bündnis Links-Grün“ und Freie Wähler die Wahl der Bautzener Vizelandräte
Für Jonas Löschau bewahrheitet sich, „was wir vermutet haben: CDU und AfD haben alle zu wählenden Posten vorher verteilt“, sagt der Sprecher und stellvertretende Vorsitzender der Fraktion BLG, die Barbara Lükes Kandidatur unterstützt habe. Die CDU habe dagegen bewusst keinen Gegenkandidaten für die Wahl des ersten Vizelandrates aufgestellt, weil dieser sonst gewonnen hätte. „Man erschrickt fast davor, wie klein die CDU sich selbst macht. Der Anspruch, den sie mal hatte, mit breiter Brust Ämter zu besetzen und zu gestalten, scheint weg zu sein.“
Der FW-Fraktionsvorsitzende Roland Dantz sieht es dagegen eher wie Matthias Grahl von der CDU. Ein Wahlsieger habe einen bestimmten Anspruch auf das erste Stellvertreteramt. Frank Peschel habe sich bei den Freien Wählern vorgestellt, und Roland Dantz geht davon aus, dass er „auch aus unserer Fraktion Stimmen bekommen hat. Das heißt nicht, dass man Positionen unkritisch übernimmt. Man hinterfragt. Das ist doch die Essenz und nicht nur Ablehnung.“ Ein Mit- oder Nebeneinander sei sonst nicht möglich.
Der Text wurde am 1. Oktober 2024, 17 Uhr, aktualisiert und dabei mit weiteren Informationen und Zitaten erweitert.