Chemnitzer Robert A. von Abschiebung bedroht: Wie entscheidet die Härtefallkommission?

Der Streit um die Abschiebung eines staatenlosen Chemnitzers geht in die nächste Runde. Er lebt seit 30 Jahren in der Stadt und soll doch nach Serbien abgeschoben werden. Am Freitag tagt die Härtefallkommission.

Am 15. Juli, das war ein Montag, wird Robert A. mitten in der Nacht aus der Abschiebehaft in Dresden abgeholt. Man fährt ihn nach Frankfurt am Main. Dort soll im Laufe des Tages ein Flug nach Serbien starten. Dass seine Abschiebung vom Sächsischen Innenminister gestoppt wurde, erfährt A. erst am Flughafen-Terminal. Ein Wechselbad der Gefühle für den 31-Jährigen. Als er den Flughafen als freier Mann wieder verlässt, übergibt er sich, weil die Anspannung von ihm abfällt. So erzählt er es knapp zwei Monate später.

„Nur schwarz oder weiß“

Robert A. ist ein fröhlicher Mensch. Seine Freunde beschreiben ihn als sehr humorvoll. Aber man spürt auch seine Anspannung. Er spielt nervös mit seinem Armband während er über die Fragen nachdenkt. In wenigen Tagen wird seine Geschichte ein neues Kapitel bekommen.

Die Härtefallkommission beim Sächsischen Ausländerbeauftragten tagt am Freitag. Sie wird sich dann voraussichtlich auch mit seinem Fall beschäftigen. „Dann gibt es nur schwarz oder weiß“, sagt A.. Entweder er erhält ein Bleiberecht oder er ist wieder akut von einer Abschiebung bedroht.

Robert A. ist staatenlos. Er wurde in den Niederlanden geboren. Seine Eltern, die der Bevölkerungsgruppe der Roma angehörten, flohen damals vor dem Jugoslawienkrieg und reisten wenige Monate später nach Deutschland ein. Die Chemnitzer Ausländerbehörde hat ihn laut Sächsischem Flüchtlingsrat aber immer als Serbe geführt und ihn geduldet. Das heißt, sie betrachtete ihn als ausreisepflichtig, die Abschiebung wurde aber ausgesetzt.

A. spürte seine rechtliche Stellung noch bevor er sie ganz verstehen konnte. „Wenn in der Schule eine Klassenfahrt anstand, fragte mich die Lehrerin, ob ich die Stadt verlassen darf oder sie dafür einen Antrag stellen muss“, sagt er. Da war er zehn Jahre alt. „Man merkt überall, dass man nicht richtig dazugehört. Man darf nicht am Leben teilnehmen, nur zuschauen.“

Rauer Ton in Ausländerbehörde

Im Juli wurde er bei einem Behördengang festgenommen und in Abschiebehaft gebracht. Paradoxerweise hat A. mit einem DNA-Test, den er für die Klärung seiner Identität gemacht hat, dazu beigetragen, dass er abgeschoben werden kann.

An den Behörden übt A. Kritik. Er klagt über „strukturellen Rassismus“. Alle drei Monate musste er in die Ausländerbehörde kommen und seine Duldung verlängern. Die Atmosphäre dort beschreibt er als „bedrückend und einschüchternd“. Der Ton sei laut und rau. A. hat den Eindruck, die Maxime der Mitarbeiter seien nur Abschiebungen, sonst nichts. So seien etwa Anträge auf eine Arbeitserlaubnis immer wieder abgelehnt worden.

Die Behörde wiederum sieht bei ihm ein „besonders schweres Ausweisungsinteresse“, weil er 2021 wegen Drogenhandels verurteilt wurde. Offenbar laufen zudem Ermittlungen wegen Diebstahls gegen ihn; es gilt die Unschuldsvermutung.

Angesprochen auf die Verurteilung räumt Robert A. ein: „Das war dumm und ich bereue es.“ Er wolle aber nicht darauf reduziert werden. „Ich will trotzdem als Mensch gesehen werden und nicht nur als Straftäter. Mein Leben ist viel mehr als das.“ A. bringt sich in verschiedenen Vereinen ein und engagiert sich politisch bei den Grünen.

Die Härtefallkommission kann zwar nicht allein über das Bleiberecht von A. befinden, aber sie kann ein Ersuchen an den Sächsischen Innenminister richten, A. aus „dringenden humanitären oder persönlichen Gründen“ eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Die Entscheidung liegt dann beim Minister.

Die Kommission hat neun Mitglieder: Kirchen, Wohlfahrtsverbände und Ministerien sind darunter. Die Entscheidung ein Ersuchen ans Innenministerium zu richten, braucht eine Zwei-Drittel-Mehrheit, also sechs Stimmen.

Ein Ort, mit dem er nichts zu tun hat

Das Verfahren findet hinter verschlossenen Türen statt. Auch Robert A. ist nicht dabei, wenn über ihn gesprochen wird. „Ich werde dann vermutlich einen Anruf erhalten und erfahren, wie es ausging“, sagt er. Er hofft, auf ein positives Votum. „Wenn nicht, dann würden sie einen Deutschen, der hier seine Wurzeln hat, herausreißen und ihn an einen Ort bringen, mit dem er nichts zu tun hat.“