Flüchtlingsheim Eutritzsch: Leipziger Immobilienfirma zieht vor Gericht
Im nächsten Jahr soll in der Leipziger Hohmannstraße ein Asylheim für 210 Menschen in Betrieb gehen. Die direkte Nachbarschaft zu einem Berufsschulcampus wird dabei zum gerichtlichen Streitfall.
Um die geplante Gemeinschaftsunterkunft für 210 Asylbewerber in der Hohmannstraße 7c in Leipzig-Eutritzsch bahnt sich eine juristische Auseinandersetzung an. Der Eigentümer eines benachbarten Grundstücks, auf dem sich ein Berufsschulcampus befindet, will die Rechtmäßigkeit der Umbaupläne prüfen lassen.
Beim Verwaltungsgericht ist nach den Worten seines Sprechers Dirk Tolkmitt seit 25. Juli ein Verfahren der Firma Löwenstein Invest gegen die Stadt Leipzig anhängig (Az: 4L430/24). Die Sozialamtsleiterin der Stadtverwaltung, Martina Kador-Probst, bestätigte auf LVZ-Anfrage lediglich, dass ein Widerspruch gegen die Baugenehmigung zum Umbau des Bürogebäudes in eine Gemeinschaftsunterkunft vorliege.
Kläger sieht für Leipziger Schule „erhebliche Sicherheitsbedenken“
„Wir haben rechtliche Schritte gegen die von der Stadt Leipzig erteilte Baugenehmigung eingeleitet“, sagte der Geschäftsführer von Löwenstein Invest, Andreas Mühlner, gegenüber der LVZ. Eine renommierte Berliner Rechtsanwaltskanzlei sei damit beauftragt. „Besonders im Hinblick auf die Sicherheit der Schülerinnen unseres Hauptmieters sehen wir erhebliche Bedenken“, erklärte er.
Von den Umbauplänen habe er nach seinem Sommerurlaub erfahren. Als betroffener Nachbar erhielt er eine formale Information über die erteilte Baugenehmigung. Wenn in der Baubeschreibung von „schuss- und molotowcocktailsicheren Fenstern, einem Hochsicherheitszaun et cetera pp“ die Rede ist, „dann haben wir echt Bauchschmerzen“, sagte Mühlner. „Denn das Gebäude ist direkt am Pausenhof, wo sich tagsüber Hunderte, überwiegend Schülerinnen, aufhalten.“
Vorwurf: „Stadt Leipzig mangelhaft transparent“
Die Entscheidung der Stadt, das Nachbargebäude für mindestens zehn Jahre als Flüchtlingsunterkunft zu mieten, sei „ohne Information, ohne alles“ zustande gekommen. Mühlner: „Wir sind bestürzt über die mangelnde Transparenz der Stadt in solch wichtigen Angelegenheiten.“ Wenn man im Rathaus den Konflikt nicht anerkenne, „dann muss die Stadt Leipzig eben dafür sorgen, dass dort eine Polizeistation aufgebaut wird“.
Löwenstein habe nun zudem dem Eigentümer des Nachbargrundstücks, auf dem die Unterkunft entstehen soll, ein Kaufangebot unterbreitet.
Das ehemalige Bürogebäude soll auf drei Etagen über 210 Plätze in Zimmern für bis zu sechs Personen mit Gemeinschaftsküchen und Sanitärbereichen verfügen. Den Einzug der ersten Bewohner, ursprünglich schon für diesen Dezember vorgesehen, plant das Sozialamt nunmehr für das zweite Quartal 2025, wie Sozialamtsleiterin Kador-Probst am Donnerstagabend auf einer öffentlichen Sitzung des Stadtbezirksbeirats Nord in der Friedenskirche in Leipzig-Gohlis bekannt gab. Bis dahin wird das Haus umgebaut.
Die Stadt hat die dafür erforderliche Genehmigung erteilt. Sämtliche Einwendungen wie etwa die Lage in einem Gewerbegebiet, fehlender Außenhof, fehlender Aufzug und fehlende Barrierefreiheit seien mit dem Vermerk beiseite gewischt worden: „Dem Abweichungsantrag wird zugestimmt.“
Heimerer: „Wir fürchten um den Standort“
Löwensteins Hauptmieter ist der Bildungsträger Heimerer. Seit Anfang der 1990er-Jahre ist das Familienunternehmen aus Bayern am Standort in Eutritzsch. Dort werden 800 Schülerinnen und Schüler unter anderem zu Krankenpflegehilfen, Pflegefachkräften, Sozialassistenten, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Heilerziehungspflegern ausgebildet.
Viele der Jugendlichen hätten ausländische Wurzeln, sagte Leiter Marc Heimerer. „Das ist überhaupt kein Thema für uns.“ Aber in der öffentlichen Wahrnehmung sei ein Asylbewerberheim neben einer Berufsschule ein Problem. Die Sorge ist daher groß, dass Eltern die Berufsschule künftig meiden. „Wir fürchten um den Standort“, so Heimerer.
Das Verfahren zwischen Löwenstein und der Stadt befindet sich noch in einem frühen Stadium, so Verwaltungsgerichtssprecher Tolkmitt. „Eine Antragsbegründung liegt bislang noch nicht vor. Es ist Akteneinsicht beantragt, danach soll der Antrag begründet werden.“ Auch die Akten der Stadt Leipzig und deren Antragserwiderung liegen demnach noch nicht vor.
Verwaltung informiert Bürger über Asylheim in Tauchaer Straße
Erst am Mittwochabend hatte die Stadtverwaltung die Bürgerschaft auf einer Sitzung des Stadtbezirksbeirats Nordost in der Schönefelder Gedächtniskirche über die Einrichtung einer Flüchtlingsunterkunft für bis zu 120 Menschen in der Tauchaer Straße 100 offiziell informiert.
Nach den Worten von Sozialbürgermeisterin Martina Münch (SPD) hat Leipzig allein in diesem Jahr bis Ende Juni bereits 1300 Asylsuchende sowie Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine neu aufgenommen. Bis zum Jahresende rechnet sie mit 2700 Menschen. Noch immer lebten 800 Asylbewerber in Notunterkünften, beispielsweise Zelten. Aus diesem Grund suche die Stadtverwaltung überall in Leipzig nach Unterkünften. „Uns treibt die Not“, gestand Münch.
CDU fordert Aktuelle Stunde im Leipziger Stadtrat
An der Kommunikation der Stadtverwaltung im Zusammenhang mit der Einrichtung von Asylunterkünften war zuletzt viel Kritik laut geworden. Die Information der Bürger über die Unterkunft in der Tauchaer Straße fand erst anderthalb Monate nach der Entscheidung im Rathaus statt. Aus diesem Grund hat die CDU-Ratsfraktion am Donnerstag für die nächste Stadtratssitzung am 21. August eine Aktuelle Stunde zum Thema beantragt.
Die Verwaltung müsse die Bürgerinnen und Bürger ernster nehmen, fordert CDU-Fraktionschef Michael Weickert. „Es kann auch nicht sein, dass die Sitzungen der Ortschaftsräte und Stadtbezirksbeiräte regelmäßig dazu missbraucht werden, die Öffentlichkeit über Flüchtlingsunterkünfte zu informieren“, so Weickert. Damit werde suggeriert, dass sie in der Sache etwas zu entscheiden haben. „Das haben sie aber nicht.“