Nach Eklat um Regenbogenflagge – Pirna bereitet sich auf Besucher-Rekord beim CSD vor

Der AfD-nahe Oberbürgermeister Lochner sorgte in Pirna mit einem NS-Vergleich für Aufregung. Prominente wie Hape Kerkeling riefen zur Teilnahme am CSD auf – jetzt wollen Unterstützer aus Köln kommen.

Christian Hesse ist im Stress: Es sind nur noch wenige Tage bis zum Christopher-Street-Day (CSD) in Pirna, nahe der Sächsischen Schweiz. Als Organisator sitzt Hesse derzeit ständig in Abstimmungsrunden. Als man ihn am Telefon erwischt, brütet er über dem Sicherheitskonzept: Es geht auch um die Frage, was passiert, wenn am Samstag Tausende Teilnehmer anreisen. Nicht nur aus Dresden oder Leipzig – sondern auch aus Köln. Dort sollen 6.30 Uhr Busse starten, organisiert von der Dragqueen Meryl Deep.

In den vergangenen Jahren kamen zwischen 2000 bis 3000 Menschen, um in Pirna für Vielfalt und Toleranz zu demonstrieren. In diesem Jahr hat der CSD prominente Unterstützung: Die Moderatorin Bettina Böttinger sowie der Schauspieler Hape Kerkeling warben für die Teilnahme. Die Veranstalter rechnen mit einem Besucher-Rekord. Wie groß er ausfallen wird, ist unklar: Die Kölner Dragqueen Meryl Deep schrieb in ihrem Aufruf von 20.000 Menschen, die zusammen kommen sollen. Christian Hesse rechnet mit 5000 bis 6000 Teilnehmern – so viele passen in Pirna zumindest auf den Marktplatz. Und sollten es doch mehr werden? „Dann raten wir, an der Elbe flanieren zu gehen, es später noch mal zu versuchen.“

Lochner zog bei Regenbogenflagge NS-Vergleich

Im „Pride-Monat“ , dem Stolz-Monat Juli gibt, (Anmerkung: in der neuen Version des Artikel wurde „Stolz-Monat gestrichen, hat die Autorin doch den Narrativ der rechten Szene bedient vgl. https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/rechtsextreme-kampagne-gegen-den-pride-month-der-stolzmonat-114483) es fast jedes Wochenende Partys, Paraden, Demonstrationen, bei denen es etwa um die Rechte von Homosexuellen und Transpersonen geht. Dass jetzt Pirna in den Fokus rückt, liegt an dem neuen Oberbürgermeister Tim Lochner, der zwar selbst kein AfD-Mitglied ist, aber mit Unterstützung der Partei ins Amt kam. Schon im Wahlkampf hatte Lochner angekündigt, die Regenbogenflagge zum CSD nicht vor dem Rathaus hissen zu wollen – anders als sein Vorgänger.

Der Streit um die Fahne eskalierte Mitte Mai, als Lochner erst anderthalb Monate im Amt war: Anlässlich des internationalen Tages gegen Homophobie und Transphobie entschied die evangelische Gemeinde, die Regenbogenflagge am Kirchturm von St. Marien aufzuhängen. Lochner veröffentlichte bei Facebook einen Post: „Wenn wir ganz tief recherchieren, werden wir Belege finden, dass auch Fahnen mit Kreuz und Haken an der Marienkirche hingen. Selbige Kirche darf hierzu gerne Stellung nehmen. Haltung zeigen. Tut sie es nicht, wird das Hissen der Regenbogenfahne zum willfährigen Symbol und zu billiger politischer Einmischung. Kurz, es war eine Staatskirche, es ist eine Staatskirche.“ Den Beitrag hat Lochner gelöscht, der Sächsischen Zeitung liegt er jedoch vor. Der Bezug zur Hakenkreuzfahne machte deutschlandweit Schlagzeilen.

Als „unsäglich“ kommentierte die Moderatorin Bettina Böttinger die Worte des Oberbürgermeisters: Die CSD-Demo in Pirna sei ein dringend notwendiges Statement für Toleranz, Respekt und Diversität. Hape Kerkeling schloss sich dem an, wie eine Nachfrage der Sächsischen Zeitung bei dessen Management zeigt. Eine Anfrage der LVZ blieb unbeantwortet. Jetzt ist Pirna Reiseziel für jene, die Menschen wie Christian Hesse unterstützen wollen.

Auch aus Leipzig reisen Unterstützer nach Pirna

Eike Barth wird mit einer kleinen Gruppe von Leipzig nach Pirna fahren. Bisher war der 51-Jährige bei den großen Paraden dabei, in Berlin, Prag oder Amsterdam, wo man gut untertauchen, sich verlieren kann in der eigenen Community. Anders als in kleineren Städten. „In Pirna zeigt sich, dass wir vielleicht doch nicht so sicher sind, wie wir uns manchmal fühlen. Dass die Errungenschaften der letzten Jahre auf der Kippe stehen“, sagt Barth.

Eine Regenbogenflagge nicht zu hissen, für manche ist das vielleicht eine Kleinigkeit. Barth sieht darin eine Richtungsänderung. „Die kann uns irgendwann alle ereilen“, sagt er und verweist auf die Landtagswahl.

In Umfragen liegt derzeit die AfD vorn – und damit eine Partei, die Stimmung gegen queere Personen macht, zum Thema konkrete politische Maßnahmen ins Wahlprogramm geschrieben hat: So soll die Aufklärungsarbeit in Schulen eingeschränkt werden, Kinder künftig nicht mehr am CSD teilnehmen dürfen. Angeblich würden dort „sexuelle Orientierungen“ präsentiert, das widerspräche dem Jugendschutz. Es klingt, als sei der CSD etwas Schmuddeliges. „Dabei stehen wir einfach für unsere Rechte ein – ohne jemanden was aufdrücken zu wollen“, sagt Eike Barth.