Manipuliert Sachsen durch den Verkauf seiner Bitcoins die Krypto-Märkte weltweit?
Sachsen soll von den beschlagnahmten 50.000 Bitcoins rund 11.100 verkauft haben. Kritiker fürchten Kursverluste. Abgeordnete fordern Aufklärung vom Finanzminister.
Es ist ein Schatz, der nicht nur Finanzminister träumen lässt. 50.000 Bitcoins und damit die bisher größte je beschlagnahmte Menge Kryptowährung hat ein beschuldigter Raubkopierer im Januar der sächsischen Justiz übergeben. Etwa fünf Monate nach der Sicherstellung des Schatzes im Wert von etwa zwei Milliarden Euro soll die Justiz begonnen haben, die Bestände zu verwerten. 11.174 Bitcoins aus dem Bestand seien inzwischen übertragen worden, die letzten 1.000 wechselten am Montag früh den Besitzer.
Die Bemühungen der Generalstaatsanwaltschaft Dresden, den Verkauf heimlich abwickeln zu können, waren von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Marktteilnehmer und Analysten beobachten die Bewegungen in der Wallet (das digitale Depot) des Bundeskriminalamts sehr genau. Die Verkäufe sorgen für einiges Aufsehen in der Szene, selbst Medien in Asien und Australien berichten darüber, sagte Markus Miller auf Anfrage von sächsische.de.
Miller ist Krypto-Experte und Gründer von Krypto-X.biz. Diskretes Vorgehen sei auf diesem Markt nicht möglich. Sobald ein Bestand übertragen worden ist, sei der Vorgang automatisch öffentlich, erläutert er.
In den sozialen Medien werfen Kritiker der sächsischen Justiz vor, mit schuld an den derzeitigen Kursverlusten des Bitcoins zu sein. Der Wert ist Miller zufolge in den vergangenen 30 Tagen um 20 Prozent zurückgegangen. 52.670 Euro kostete ein Bitcoin am Montag (16.20 Uhr). Zum Vergleich: Im März lag der Kurs bei 66.000 Euro. Analysten weisen darauf hin, dass die derzeitigen Kursrückgänge darauf zurückzuführen seien, dass die Opfer der Insolvenz der Handelsplattform Mt. Gox in den nächsten Monaten entschädigt werden sollen.
Gesamterlös von bis zu zwei Milliarden Euro
Miller hält die These von der Marktmanipulation durch den Verkauf ebenfalls nicht für richtig. Selbst wenn Sachsen den gesamten Bestand jetzt vollständig abgeben würde, könne der Markt dies verkraften. Er hält die Verkaufsstrategie des Freistaates Sachsen, das beschlagnahmte Vermögen sukzessive zu verwerten und in den Landeshaushalt zu überführen, für „intelligent“, wie er sagte. „Ich hätte es auch so gemacht.“
Falls die Verkäufe jetzt schrittweise in fortgesetzt werden, rechnet er mit Gesamteinnahmen für den sächsischen Landeshaushalt in Höhe von 1,5 bis zwei Milliarden Euro.
Staatliche Institutionen wie das Bundesland Sachsen beziehungsweise das Bundeskriminalamt als Vertreter wickeln Verkäufe in Fällen wie diesen über regulierte US-Kryptobörsen namens Coinbase und Kraken ab. Auch zu Bitstamp, die ebenfalls demnächst einen US-Finanzdienstleister gehören werden, wurden Bitcoins verschoben.
Auf diese drei Kryptobörsen wurden Miller zufolge vom Bestand von 50.000 Bitcoin mittlerweile 11.174 BTC übertragen, sodass nur noch 38.826 in den Cold Wallets sind, die diesem Fall zuzuordnen seien.
Miller: „Natürlich hat das auch einen negativen Effekt auf den Markt, der aber aus meiner Sicht mehr psychologischer Natur ist, die Stückzahl ist für den Markt grundlegend kompensierbar, da ja auch offensichtlich in Tranchen verkauft wird“.
Schutz gegen Hacker-Angriffe
Sogenannte Cold Wallets sind nicht mit dem Internet verbunden. Händler nutzen sie unter anderem zur langfristigen Aufbewahrung und zur Sicherung ihres Vermögens beispielsweise gegen Hacker-Angriffe. Für Transaktionen werden Hot Wallets eingesetzt.
Überraschend ist der frühe Beginn der Verwertung des beschlagnahmten „Zockergeldes“ dennoch. Das Strafverfahren gegen die Beschuldigten vor dem Landgericht Leipzig ist längst nicht abgeschlossen. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat den Hauptbetreiber des Raubkopienportals movie2k angeklagt.
Dem 40-Jährigen werden massenhafte Urheberrechtsverletzungen sowie gewerbsmäßige Geldwäsche vorgeworfen. Mit den Millioneneinnahmen aus Werbeverträgen soll er die Bitcoins erworben haben. Nach der Festnahme im Ausland saß er bis Mitte Januar in Sachsen in Untersuchungshaft.
Über die Einziehung von illegal erworbenem Vermögen eines Straftäters entscheidet in der Regel das Gericht erst nach Abschluss des Prozesses. Der Vorgang könne sich über Jahre hinziehen, hieß es im Januar. Allerdings kann die Staatsanwaltschaft mit der Vermögensabschöpfung beginnen, wenn beispielsweise ein erheblicher Wertverlust droht oder der Angeklagte der Verwertung zustimmt. Wie die Generalstaatsanwaltschaft Dresden in diesem konkreten Fall vorgegangen ist und welche Motive dem zugrunde liegen, bleibt unklar. Auskünfte gibt die Behörde nicht.
Abgeordnete kritisieren „Heimlichtuerei“
Offen ist auch, wer von dem plötzlichen Reichtum profitieren wird. Die geschädigte Filmwirtschaft, die durch die Raubkopierer Millionenverluste hinnehmen muss, wird einen Schadensausgleich einfordern. Der weitaus größte Anteil dürfte jedoch dem Landeshaushalt zugutekommen. Vertreter von Linken und Grünen fordern Finanzminister Hartmut Vorjohann (CDU) zu größerer Transparenz auf.
Die Finanzpolitikerin der Grünen-Landtagsfraktion, Franziska Schubert, hält im Falle, dass der Freistaat tatsächlich große Mehreinnahmen noch in dieser Legislaturperiode erhält, einen Nachtragshaushalt für unumgänglich. Sollten die Einnahmen nach der Wahl erfolgen, müsse transparent kommuniziert werden, wofür sie geplant seien, sagte Schubert auf SZ-Anfrage. Das Parlament müsse einbezogen werden.
Linken-Vorsitzender Stefan Hartmann und Linke-Abgeordneter Marco Böhme werfen der Landesregierung „Heimlichtuerei“ vor. Die Verkaufserlöse müssten ausnahmslos zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts und der sozialen Sicherheit verwendet werden, fordern sie. Die Regierung müsse schnellstens für Aufklärung sorgen, ob die jüngsten Finanzspritzen für den Flughafen Leipzig-Halle und für die sächsischen Krankenhäuser in direktem Zusammenhang mit diesem Fall stünden.