Wahlkampf-Strategie in Leipzig: „Freie Sachsen“ wollen Juliane Nagel verhindern
Die rechtsextreme Kleinstpartei „Freie Sachsen“ hofft auf einen Landtag ohne Linke – und möchte dazu der CDU im Leipziger Süden zum Sieg verhelfen. Nun soll die AfD mitziehen. Das sind die Reaktionen.
Von den eigenen Ambitionen, in den nächsten Landtag einzuziehen, reden die „Freien Sachsen“ auffällig wenig in diesen Tagen. So siegesgewiss wie vor Monaten tritt die rechtsextreme Kleinstpartei nicht mehr auf: In den eigenen Blasen, Echokammern und Chats ist es bei dem Thema verhältnismäßig still geworden. Ob und in welcher Form man bei der Wahl antritt, müssen die „Freien Sachsen“ nach eigener Auskunft noch entscheiden. Wichtiger scheint ihnen derzeit zu sein, ein bestimmtes Szenario zu verhindern. Ein Leipziger Szenario.
Am Mittwochmorgen verbreiten die „Freien Sachsen“ über ihren Telegramkanal eine Nachricht, in der sie von einer einmaligen Gelegenheit sprechen: „Jetzt besteht die historische Chance, der Linkspartei in Sachsen den politischen Todesstoß zu geben, doch ausgerechnet die AfD steht kurz davor, einen schweren Fehler zu begehen“, schreiben sie. „Deshalb muss jetzt (!) gehandelt werden.“ Es folgen Ausführungen zur politischen Situation in Sachsen und Leipzig, wobei nicht alle Punkte faktisch richtig wiedergegeben sind. Die Ausgangslage analysieren die Rechtsextremen dennoch richtig: Das Wahlergebnis in Leipzig könnte für die sächsische Linke wichtig werden.
Die Linke blickt auf drei Leipziger Wahlkreise
Da die Linke in den Umfragen momentan unter der Fünf-Prozent-Hürde liegt, könnte es entscheidend sein, wie viele Direktmandate sie im Freistaat bei der Landtagswahl erringt. Gewinnen Bewerberinnen und Bewerber einer Partei nämlich zwei Wahlkreise, greift in Sachsen nach dem Wahlgesetz die Grundmandatsklausel. Eine Partei erhält dann so viele Landtagssitze, wie ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen – die Fünf-Prozent-Hürde kann so umgangen werden.
Die sächsische Linke glaubt, dass sie die notwendigen Grundmandate am ehesten in Leipzig holen kann. Drei Wahlkreise spielen bei diesen Überlegungen eine Rolle: Der Wahlkreis 30 im Westen, in dem der Landtagsabgeordnete Marco Böhme antritt und der Leutzsch, Lindenau, Plagwitz sowie Alt- und Neulindenau umfasst. Der Wahlkreis 25, der vom östlichen Zentrum bis nach Reudnitz-Thonberg reicht. Ihn möchte der Polit-Neuling Nam Duy Nguyen für die Linke holen. Der prominenteste Wahlkreis von allen ist aber Wahlkreis 28.
Nagel ist die Kandidatin, die man schlagen muss
Juliane Nagel hat im Süd-Wahlkreis, zu dem die Südvorstadt und der alternativ geprägte Stadtteil Connewitz gehören, seit 2014 immer das Direktmandat gewonnen. Ein Scheitern von ihr ist auch dieses Mal eher unwahrscheinlich. Der Neuzuschnitt der Leipziger Landtagswahlkreise hat an ihren Aussichten kaum etwas geändert. Nagel ist die Kandidatin, die es zu schlagen gilt.
Diese Einschätzung teilen die „Freien Sachsen“ – und wollen deswegen Nagels Wiedereinzug in den Landtag stoppen. „Dieses Mal geht es nicht nur um Nagel, es geht um die Zukunft Sachsens“, heißt es im Post vom Mittwoch. „Wenn die Linkspartei das Direktmandat (…) nicht gewinnt, wird sie daran scheitern, in Fraktionsstärke in den Landtag einzuziehen.“
AfD-Kandidat soll zum Rückzug gedrängt werden
Die „Freien Sachsen“ rufen ihre Anhänger dazu auf, Druck auf die AfD zu machen und zum Rückzug aus dem Leipziger Süden zu drängen. Denn die AfD schickt Alexander Wiesner gegen Nagel ins Rennen, was die „Freien Sachsen“ für wenig aussichtsreich halten: „Die AfD hat keine realistische Chance, den Wahlkreis direkt zu gewinnen, auch wenn sie noch ein bisschen zulegt. Würde aber die AfD ihren Wahlvorschlag für die Erststimme zurückziehen, würde der CDU-Bewerber den Wahlkreis mit hoher Wahrscheinlichkeit gewinnen.“ Und das sei allemal besser als eine Linke im Landtag.
Ganz geht die Argumentation der „Freien Sachsen“ nicht auf. Sie verdrängen, dass die Linke theoretisch die beiden anderen favorisierten Leipziger Wahlkreise holen könnte – was auch für das Ziehen der Grundmandatsklausel ausreichen würde. Die politische Konkurrenz versetzt die Aktion trotzdem in einen Zustand gewisser Gereiztheit. Allen voran die AfD, die nun mit lästigen Diskussionen umgehen muss. Der Leipziger Kreisverband knickt jedoch nicht ein.
„Das findet nicht statt“
Kreischef Siegbert Droese gibt am Donnerstag zu verstehen, dass die AfD keinen Kandidaten zugunsten einer anderen Partei zurückziehen werde: „Das findet nicht statt.“ Man habe schließlich die Kandidaten per Gremienbeschluss aufgestellt und könne sich nicht einfach nonchalant kurzfristig anders entscheiden.
CDU-Kreischef Andreas Nowak hält sich mit der unerwünschten Wahlkampfhilfe für Nagels Gegenkandidatin Jessica Steiner gar nicht weiter auf, als er um ein Statement gebeten wird: „Wir bewerten Strategien anderer Parteien nicht. Wir kämpfen um jede Stimme für die CDU, auch in für uns eher schwierigen Wahlkreisen.“
Linken-Abgeordnete lässt Aufruf kalt
Der Landtagswahlkampf hat also in Leipzig seine erste Anekdote hinter sich, bevor er überhaupt begonnen hat. Ausgesprochen gelassen reagiert zumindest die Person darauf, um die es im Kern eigentlich geht: Juliane Nagel.
„Natürlich habe ich mitbekommen, wie er hier in seiner Verzweiflung mit Träumereien eines rechten Sieges Stimmung machen will“, sagt sie. „Mich lässt das eher kalt, was eine faschistische Kleinstpartei hier herbeifantasiert und bin aufgrund des Kommunalwahlergebnisses bestärkt, den Leipziger Süden erneut gegen solche Umsturzfantasien zu verteidigen.“