„Fahrradgate“-Skandal: Prozess gegen Leipziger Polizistin beginnt
Im „Fahrradgate“-Skandal um den illegalen Weiterverkauf von Rädern bei der Leipziger Polizei beginnt am Dienstag der Strafprozess vor dem Landgericht. Angeklagt ist die frühere Leiterin der Asservatenkammer wegen Diebstahls, Bestechlichkeit und Urkundenfälschung.
Die Generalstaatsanwaltschaft wirft Anke S. (47) laut Anklage vor, von August 2014 bis November 2018 mindestens 265 Fahrräder an Dritte weitergegeben oder selbst genutzt zu haben, wie ein Gerichtssprecher sagte.
Von den Abnehmern – zu einem Großteil Polizisten – soll sie dafür meist eine „Spende“ von 50 Euro bekommen oder verlangt haben.
Die Räder waren überwiegend bei Diebstählen entwendet und später von der Polizei sichergestellt worden. Zur Lagerung kamen sie in die Asservatenkammer der Polizeidirektion Leipzig. Nach früheren Angaben der Generalstaatsanwaltschaft hätten die ursprünglichen Besitzer aber „kein Interesse“ mehr daran gehabt.
Eine interne Prüfung im Auftrag des sächsischen Innenministeriums hatte vor rund dreieinhalb Jahren kein kriminelles Netzwerk zutage gebracht.
Es habe keine strukturelle Korruption gegeben, es sei keine organisierte, sondern „individuelle Kriminalität“ gewesen, hatte der frühere Generalstaatsanwalt des Freistaates, Klaus Fleischmann, nach der Sitzung des Landtags-Innenausschusses gesagt.
Das pflichtwidrige Handeln eines Menschen sei durch Bagatellisierung der Vorgänge und mangelnde Kommunikation begünstigt worden.
Verkaufte Fahrräder als Schenkung für gemeinnützige Vereine gekennzeichnet
Es sei lange nicht genau hingesehen und lange nicht gehandelt worden, hatte der damalige Innenminister Roland Wöller (53, CDU) gesagt. Er sprach von „hoher krimineller Energie einer Einzelperson“, deren Handeln durch Struktur, Organisation sowie Kommunikations- und Führungsdefizit begünstigt worden sei.
Unter anderem auch wegen des „Fahrradgate“-Skandals und weiteren Vorfällen bei der sächsischen Polizei entließ Ministerpräsident Michael Kretschmer (48, CDU) schließlich vor knapp zwei Jahren den Innenminister.
Die Weitergabe der Fahrräder war dem internen Bericht zufolge auf dem Papier oder in der Datenbank als Schenkung an gemeinnützige Vereine vermerkt worden. In Wirklichkeit aber wurden sie an Interessenten verkauft.
Auch zahlreiche Beamte und Bedienstete machten gegen ein „Trinkgeld“ ein Schnäppchen. Der Trick dabei: „Die Empfänger haben die Entgegennahme für einen eingetragenen Verein quittiert, sich in Wirklichkeit aber ein Fahrrad unter den Nagel gerissen“, hatte der ehemalige Generalstaatsanwalt erläutert.
Das Landgericht hat für das Verfahren insgesamt zehn Termine bis 11. Juni angesetzt.
15. Februar 2024 MDR
Landgericht Leipzig Polizistin angeklagt: Prozess gegen „Fahrradgate“-Organisatorin
Der Prozess gegen die mutmaßliche Organisatorin beim sogenannten Fahrradgate in Leipzig soll im März beginnen. Die Beamtin soll 2018/2019 aus der Asservatenkammer der Polizei zahlreiche Räder entnommen und privat verkauft haben.
Der Prozess gegen die mutmaßliche Organisatorin des „Fahrradgates“ soll am 19. März vor dem Landgericht Leipzig beginnen. Das bestätigte ein Gerichtssprecher MDR SACHSEN. Zunächst hatte das Newsportal „Tag24“ darüber berichtet. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft einer suspendierten Polizistin Bestechlichkeit in Tateinheit mit Diebstahl vor.
265 Räder aus Asservatenkammer entnommen
Bei der Leipziger Polizei waren beschlagnahmte Fahrräder aus der Asservatenkammer verschwunden und verkauft worden. Angeklagt ist eine Polizeihauptmeisterin, die bis März 2018 Asservatenverantwortliche in der „Zentralen Bearbeitung Fahrradkriminalität 2“ war. Insgesamt 265 Fahrräder sollen herausgegeben worden sein. Seit 2019 wird im sogenannten Fahrradgate gegen Leipziger Polizisten, Justizangestellte und Vereine ermittelt.
Nach Informationen von MDR AKTUELL hatten sich bis zu 4.000 Räder in der Asservatenkammer gestapelt, der Platz sei knapp geworden und die Polizisten hätten die Räder loswerden wollen. Daraufhin habe die Angeklagte die Räder zu günstigen Preisen privat verkauft. Das Bekanntwerden der Fahrradverkäufe hatte viele Schlagzeilen und Diskussionen im Sächsischen Landtag provoziert.
Es wurde gegen Polizisten, LKA-Beamte und Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft Leipzig. Laut Generalstaatsanwaltschaft waren es knapp 200 Beschuldigte. Doch die Beweislage war dünn, dutzende Verfahren gegen Beteiligte sind eingestellt worden.
Wenn sich kein Besitzer findet: vernichten oder versteigern
Nach Angaben der Leipziger Polizei sollen bei Fundsachen und Asservaten aus Strafverfahren, zunächst die Eigentümer per öffentlicher Bekanntmachung gefunden werden. Gelingt das nicht, kommt es zu einer sogenannten Verwertungsanordnung. Wertlose Gegenstände werden vernichtet, der Rest wird versteigert. Bleibt dies aus, können die Sachen zu Lehr- und Ausbildungszwecken genutzt werden. So lauten die Vorschriften.
Dienstanweisung wurde im Juni 2020 überarbeitet
Diese Regeln sind in einer Dienstanweisung der Polizeidirektion Leipzig festgehalten. Die Dienstanweisung gibt es laut Polizei seit Juni 2016, eine Überarbeitung erfolgte 2020. Die Herausgabe an gemeinnützige Einrichtungen erfolge nur nach klarer Anweisung des Geschädigten oder des Eigentümers. Dabei muss eine konkrete gemeinnützige Einrichtung genannt werden.
Nach Angaben von „Tag24“ sollen viele Räder an den Verein „Freundschaft e.V. Pegau“ gegangen sein. Der Vorstand dort sei der Vater der Angeklagten.