Urlaubsbilder und Graffiti Gericht eroertert Verbindungen von Lina-E. in linksextreme Szene
Lina E. ist als Kopf einer linksextremen Bande angeklagt – sie war der Polizei vor den mutmaßlichen Taten aber nie aufgefallen. Vor Gericht wurden nun mögliche Verbindungen von E. in die Szene erörtert.
Nach gut zwei Wochen Pause ist am Mittwoch der Prozess gegen Lina E. und vier weitere Angeklagte wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung fortgesetzt worden – mit einem inhaltlichen Schwenk: Bislang ging es vor dem Oberlandesgericht Dresden (OLG) vor allem um die den Angeklagten vorgeworfenen Angriffe auf Rechtsextreme. Nun wurden Fotos und Videos erörtert, die Verbindungen von Lina E. in die linksextreme Szene zeigen könnten. Als Zeuge geladen war dazu ein Kriminalbeamter, der die Inhalte mehrerer SD-Karten und eines USB-Sticks ausgewertet hatte. Die Speichermedien waren demnach in der Wohnung von E. und in einem von ihr genutzten Auto gefunden worden.
Auf einer der SD-Karten fand die Polizei Fotos und Videos, die offenbar in einer Halle für Straßenbahnen aufgenommen worden waren. Darauf zu sehen ist ein mit Graffiti besprühter Waggon der Berliner Verkehrsbetriebe. Die Polizei bringt die Aufnahmen mit einem Einbruch in eine Werkstatthalle im Leipziger Stadtteil Schönefeld im April 2018 in Verbindung. Auf den Waggon waren Graffiti mit Bezug zur linken Szene gesprüht worden – etwa die Forderung „Free Nero“. Die dürfte sich auf den zusammen mit Lina E. angeklagten Jonathan M. beziehen: M., Szenename „Nero“, saß im April 2018 gerade eine Haftstrafe ab, weil er bei Ausschreitungen um ein besetztes Haus in Berlin den Piloten eines Polizeihubschraubers mit einem Laserpointer geblendet hatte.
Verbindungen zu untergetauchtem Linksextremisten: Auch der Schriftzug „Spyle“ war auf den Waggon gesprüht worden. Diesen Namen ordnen die Ermittler einem anderen Mann zu: Johann G., bekannter Linksextremist, der ebenfalls bereits in Haft saß und seit Sommer 2020 untergetaucht ist. G. soll den Ermittlungen der Polizei zufolge auch auf den Fotos aus der Straßenbahnhalle in Leipzig zu sehen sein: vermummt und aus einem Fenster des besprühten Waggons schauend, mit einer auffälligen Basecap auf dem Kopf. Mit der Kappe ist G. auch auf mehreren anderen Fotos von sich zu sehen. Johann G. ist – nach allem, was man weiß – der Verlobte von Lina E.. Er soll zusammen mit ihr der Kopf der linksextremen Gruppe gewesen sein, deren Taten nun vor dem OLG verhandelt werden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz glaubt, dass G. großen Anteil hat an einer mutmaßlichen Radikalisierung von Lina E.. Die Verbindung zwischen den beiden wird das Gericht deshalb, so formulierte es der Vorsitzende Richter am OLG, Hans Schlüter-Staats, „strafprozessual noch beschäftigen.“
Auch private Fotos spielen eine Rolle: Insofern spielen auch die privaten Fotos auf einem USB-Stick eine Rolle, der bei Lina E. gefunden worden sein soll. Darauf sind etwa Bilder, die Lina E. und Johann G. offenbar bei einem gemeinsamen Urlaub in Albanien zeigen. Außerdem sind Fotos auf dem Stick, auf denen ebenfalls Lina E. und Johann G. zu sehen sind – der Polizei zufolge im Besucherraum des Gefängnisses in Castrop-Rauxel. Dort war Johann G. zum Zeitpunkt der Fotos in Haft. Im September 2017 endete seine Haftstrafe, er wurde aus dem Jugendgefängnis in Regis-Breitingen entlassen. Fotos, die offenbar an diesem Tag und von diesem Moment entstanden sind, sind den Ermittlungen nach höchstwahrscheinlich mit der selben Kamera fotografiert worden wie die Urlaubsbilder in Albanien.
Der Prozess um die Gruppe E. wird am Donnerstag fortgesetzt. Dann soll es unter anderem um einen Angriff auf sechs Menschen in Wurzen geht, die auf dem Rückweg vom sogenannten rechtsextremen „Trauermarsch“ in Dresden waren.
Gefunden auf: lvz.de am 03.11.2021