AfD-Vertreter planten offenbar Massenabschiebungen – Geheimtreffen in der Villa Adlon: Das sagt der Eigentümer zu den Rechtsextremismus-Vorwürfen
Nach Medienberichten weist Wilhelm Wilderink die Anschuldigung, er biete der rechten Szene bewusst eine Bleibe, zurück. Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert und das Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“ äußern ihre Besorgnis.
Riesenaufregung rund um das Landhaus Adlon in Neu Fahrland. Das Anwesen, das sonst für seine Postkartenanmutung bekannt ist, macht derzeit bundesweit aus ganz anderen Gründen Schlagzeilen. Dabei geht es um ein Geheimtreffen, an dem unter anderem einflussreiche AfD-Politiker und der bekannte österreichische Rechtsextremist Martin Sellner teilgenommen haben sollen.
Laut einem Bericht des Recherchenetzwerks Correctiv sollen sich Teilnehmer des Treffens in der Villa, die vor einigen Jahren zum Gästehaus mit Veranstaltungs- und Hotelnutzung umgebaut worden ist, zu Hochbrisantem ausgetauscht haben: Wie man Millionen von Menschen aus Deutschland nach Afrika abschieben will – inklusive der Gründung eines eigenen Staates in Nordafrika. Die krude Idee sei unter dem Überthema der „Remigration“ angepriesen worden.
In Potsdam hat der Bericht am Mittwochmorgen wie eine Bombe eingeschlagen. Bislang war Villeneigentümer Wilhelm Wilderink, der im Kreisvorstand der Potsdamer CDU sitzt, in der Allgemeinheit eigentlich nur als Kritiker der geplanten Krampnitz-Tramtrasse aufgefallen, die Neu Fahrland stark tangieren würde. Wilderinks Ex-Partnerin Mathilda Huss hingegen war kurz vor Neujahr in einem „Zeit online“-Artikel als große AfD-Sympathisantin porträtiert worden, die ein von ihr erworbenes Schloss in Sachsen mutmaßlich zu einem Treffpunkt für die rechte Szene machen wolle.
„Keine AfD-Veranstaltungen“
Adlon-Eigentümer Wilhelm Wilderink äußerte sich am Mittwoch gegenüber der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ zu den Vorwürfen. Er machte deutlich: „Wir haben alle AfD-Veranstaltungen und alle Veranstaltungen von Organisationen, die als verfassungsfeindlich eingestuft sind, vertraglich ausgeschlossen. Das steht so im Mietvertrag. Wir haben zum Beispiel ein großes Sommerfest der AfD abgelehnt.“ Abgesehen von diesen Ausschlussgründen gebe es von der Betreiberseite her keine Möglichkeit, bei Vermietungen im Vorfeld die Gästeliste zu kontrollieren. „Das ist in keinem Hotel üblich. Bei der genannten Veranstaltung – wenn sie überhaupt so stattgefunden hat, wie geschildert – hatte der Betreiber im Vorfeld ebenso wenig die Möglichkeit der Prüfung. Das ist Sache der Person, die bucht.“ Dies sei in diesem Fall ein Privatmann gewesen – offenbar Mitglied der AfD, wie sich später herausstellte.
Wilderink ist Eigentümer der Immobilie, allerdings verweist er darauf, dass für die Vermietung eine Betreibergesellschaft zuständig ist, die wiederum seit etwa zwei Jahren von Managern geführt werde. Im Impressum des Gästehauses am Lehnitzsee firmiert als Geschäftsführerin Mathilda Huss. „Mit der Vermietung hat sie aber nichts zu tun, die Betreibergesellschaft hat keinerlei Einfluss auf die Gästeauswahl. Sie stellt die Immobilie samt Schlüssel zur Verfügung – das war’s.“
2017 soll es eine Feier der Jungen Alternative, der Jugendorganisation der AfD, auf einem weiteren Grundstück von Wilderink am Lehnitzsee gegeben haben. „Aufgrund dieser Erfahrung hat es keine weitere Veranstaltung mit der AfD gegeben“, so Wilderink dazu.
Analog der CDU-Linie
Von der „Remigration“-Idee, wie sie laut Correctiv-Bericht bei der in Rede stehenden Veranstaltung im November referiert worden sein soll, distanziert sich Wilderink: „Ich bin Mitglied des CDU-Kreisvorstands und verwahre mich gegen jede Form von Thesen, die die Würde des Menschen infrage stellen.“ Er befürworte lediglich die Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern – analog der aktuellen Parteilinie der Bundes-CDU, so Wilderink. Dass der Brandenburger Zweig der „Werteunion“ der CDU im Jahr 2017 in der Villa Adlon – damals noch im Beisein von Ex-Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) – initiiert wurde, erfüllt Wilderink mit Stolz. Genauso verhält es sich mit der Ansiedlung eines privaten Radiosenders in einem Plattenbau auf einem Nachbargrundstück, das ebenfalls zu dem Anwesen gehört. Zuletzt wurde kolportiert, dass einige Protagonisten des Senders zumindest als „rechtskonservativ“ verortet werden können.
Wilderink sieht indes durch den Sender „ein breit gefächertes Spektrum an gesellschaftlicher Meinung abgesichert“. Zu den politischen Ansichten seiner Ex-Partnerin Mathilda Huss will sich Wilderink nicht äußern; ebensowenig zu Huss’ Ankauf des sächsischen Schlosses, das im „Zeit online“-Artikel thematisiert wurde. Damit, so Wilderink, habe er nichts zu tun.
Huss gilt in Neu Fahrland als unauffällig. Öffentliche Präsenz zeigte sie lediglich, als sie 2014 für den Ortsbeirat auf der Bürgerbündnis-Liste kandidierte. Nach dem Ausscheiden eines Ortsbeiratsmitglieds war sie dann Nachrückerin. 2019 kandidierte sie nicht mehr für das Bürgerbündnis und schied in der Folge aus. Ortsvorsteherin Carmen Klockow – bis zu ihrem Wechsel zu den Freien Wählern selbst beim Bürgerbündnis – beschreibt Huss’ damalige Arbeit als „stets sachorientiert“.
Raum verwanzt?
Bereits in den letzten Jahren sagten Beobachter Mathilda Huss jedoch eine zunehmende Nähe zu AfD-Kreisen nach. Wilderink sieht die Berichterstattung als „Diffamierung“. Dass bei dem Treffen im November die kolportierten Themen besprochen worden sein sollen, halte er für unwahrscheinlich. „Ich war nicht dabei, aber das kann ich mir nicht vorstellen.“ Ein Investigativjournalist habe sich zwar – nach jetziger Erkenntnis – am Vorabend des Treffens in das Gästehaus eingebucht, sei aber nachweislich nicht bei dem Treffen zugegen gewesen, so Wilderink: „War der Raum dann etwa verwanzt?“ In der Berichterstattung gehe es nur um Hörensagen.
Besorgnis in Potsdam
Unterdessen haben sich am Mittwoch nach Bekanntwerden der Vorwürfe zahlreiche warnende Stimmen erhoben. Das Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“ äußerte sich „mit Besorgnis“ vor dem Hintergrund der Berichterstattung über das mutmaßliche Treffen in der Villa Adlon. „Potsdam ist kein Ort für AfD-Politiker, Hetzer und rechte Geschäftsleute und alle anderen, die die Vertreibung von Millionen Mitbürgern nach rassistischen Kriterien, nach einer von ihnen erhofften Machtübernahme, planen.“ Und: „Der vermeintliche Inhalt des Treffens einer Umsiedlung aus Deutschland in einem Gästehaus am Lehnitzsee erinnert auf erschreckende Art und Weise an die nur wenige Kilometer entfernt stattgefundene ‚Wannsee-Konferenz‘, im Zuge derer die Massenvernichtung der Juden im ‚Dritten Reich‘ durch die Nationalsozialisten geplant worden war.“
Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) erklärte: „Sollten die Vorwürfe zutreffen, heißt das: Wir haben es hier mit Staatsfeinden zu tun, die hier in unserer Stadt den Umsturz unseres Landes planen wollen. Dem stellen wir uns als Stadtgesellschaft entgegen.“
AfD-Mann war vor Ort
Wortkarger zeigte sich am Mittwoch hingegen ein Potsdamer, der laut Correctiv-Bericht beim Treffen in der Villa Adlon dabei gewesen sein soll. Der Pressesprecher der AfD-Fraktion im Potsdamer Landtag, Tim Krause, bestätigte gegenüber der „MAZ“ seine Teilnahme an dem Treffen. Er sei als Privatperson zugegen gewesen, so der ehemalige Bundestagskandidat. Den Vortrag Sellners habe er verpasst, weil er noch beruflich verhindert gewesen sei. Krause sagte, er habe nichts Verfassungswidriges gehört.
Gesellschaftlich relevante Themen seien „völlig offen besprochen“ worden. Es habe sich um einen „privaten Gedankenaustausch“ gehandelt. Die AfD habe, so Krause weiter, „mit der Identitären Bewegung und Herrn Sellner nichts zu tun“, es gebe lediglich manchmal private Berührungspunkte. „Wir hören grundsätzlich allen zu“, sagte Krause.
Der AfD-Fraktionssprecher sagte weiter, es sei in seinen Augen „sehr verwunderlich“, dass „mit Spitzelmethoden“ in private Kreise gespäht werde. Das Recherchekollektiv Correctiv sei, so Krause, in seinen Augen eine „linksextreme Medienplattform“. Die Frage, ob er eine Spende für die Teilnahme an dem Treffen in Potsdam geleistet habe, verneinte Krause.
Unter dem Begriff „Remigration“ verstehen Fachleute die Rückkehr von Menschen, die geflohen oder eingewandert sind, in ihre Herkunftsländer. AfD-Politiker vertreten diese Forderung auch öffentlich. So sagte etwa der AfD-Abgeordnete Gottfried Curio im November im Bundestag: „Was wir jetzt brauchen, ist nicht nur der sofortige Stopp der illegalen Migration. Wir brauchen die wirkliche, tatsächliche Rückführung, die komplette Abschiebung. Wir brauchen, meine Damen und Herren, endlich die wirkliche Remigration.“