Tobias Burdukat im Interview: Verlässt der Sozialarbeiter Grimma?

Tobias Burdukat gehört zur Sozialarbeit und Jugendarbeit in Grimma. Mit verschiedenen Projekten ist er seit 2012 in Grimma aktiv. Nun möchte er sich aus der Stadt zurückziehen. Ein bisschen zumindest.

Tobias Burdukat eckt an. Ein Blick auf Burdukats Aktivitäten zeigt: Der Sozialarbeiter aus Grimma sorgt für Aufsehen. Seit 2012 ist er in Grimmas Jugendarbeit aktiv. Das Dorf der Jugend, nun die Alte Spitzenfabrik, sind Orte, die mit ihm in Verbindung gebracht werden. So auch die Between The Lines gGmbH, welche Projekte der Jugendsozialarbeit inzwischen umsetzt. Bei der letzten Bürgermeisterwahl im vergangenen Jahr kandidierte er unter dem Namen Pudding. Ihm ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass es in Grimma eine „vergessene Generation“ gibt, die Jugend, die zu wenig aktive Angebote bekommt.

Die jüngsten Ereignisse, die Tobias Burdukat in den Fokus gerückt haben, stehen im Zusammenhang der „Tag X“ Demonstrationen in Leipzig. Ein Staatsanwalt hatte sich bei der Demo vermummt. In einer Nachricht in den Sozialen Netzwerken veröffentlichte Burdukat seinen Namen und ein Foto des Mannes. Deshalb ermittelt nun die Staatsanwaltschaft. Eine Hausdurchsuchung mit großem Polizeiaufgebot in seiner Wohnung in Grimma folgte. Wie es ihm damit geht, teilt er in einem Blog unter www.tobias-burdukat.de. Jetzt will er sich aus Grimma zurück ziehen. Ein bisschen zumindest, verrät er im LVZ-Interview.

Herr Burdukat, Sie stehen seit Jahren mit Grimma in Verbindung und sind hier im Bereich der Sozialen Arbeit tätig. Sie schreiben auf ihrem Blog: „Ich fremdle mit meiner Wohnung und ich fremdle mit allem, was sich innerhalb der Ortseingangsschilder von Grimma befindet.“ Haben Sie der Stadt jetzt den Rücken gekehrt?

Ich bin halb hier in Grimma, halb in Nürnberg, wo ich eine Lehrtätigkeit im Bereich der Sozialen Arbeit an der TH Nürnberg übernommen habe. Die beruflichen Chancen sehe ich in Grimma für mich recht begrenzt. Gerade wenn ich auf den Bereich der Wissenschaft und Forschung blicke. Es ist eine Mischung aus persönlichen Entwicklungen und Möglichkeiten und auch aus Unternehmensperspektive. Die Rahmenbedingungen in Nürnberg waren gut, da ich dort in der Lehre schon länger auf Honorarbasis aktiv bin.

Burdukat zu einer Situation in Grimma

Auf Ihrer Webseite schreiben Sie jedoch „Es fühlt sich nicht wohl und sicher für mich an, hier in Grimma. Sobald ich aus dem Zug steige, denke ich darüber nach wann ich wieder in ihn einsteigen kann.“ – Wie geht es Ihnen denn nun in Grimma?

Ja, aber das ist etwas Privates. Ich habe aber auch Verantwortung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die möchte ich auch wahrnehmen. Und wenn das Klima um einen herum die alltägliche Arbeit belastet, schlägt sich das auch auf die alltägliche Arbeit nieder.

Auswirkungen auf Geschäftsführertätigkeiten

Man ist nicht mehr gut in der Lage, sich auf Dinge zu konzentrieren, die eine hohe Konzentration erfordern. Für mich geht es dabei auch darum, ein bisschen Distanz herzustellen. Um meinen Ansprüchen wieder zu genügen. Da ich in den letzten Monaten nicht das Gefühl habe, den Anforderungen, die an mich und die meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an mich stellen, aufgrund der äußeren Einflüsse gerecht zu werden.

Haben Sie Grimma satt?

Das ist etwas sehr Individuelles. Weil ich hier in Grimma verbrannt bin. Weil ich sehr lange aktiv in Grimma war. Auch gegenüber anderen Stellen. Aber nur ein sehr marginaler Teil von Grimma weiß, glaube ich, was ich überhaupt wirklich mache. Das ist gar nicht böse gemeint, weil das muss sie auch nicht interessieren. Ich bette Dinge aber auch in andere Kontexte ein, als nur in diesen kleinstädtischen Kontext.

Vorurteile erschweren die Arbeit

Ich bin halt besetzt. Leute in Grimma, im Landkreis Leipzig und in Sachsen haben ein bestimmtes Bild von mir. Dieses Bild werde ich nicht mehr los. Die Fachexpertise, mit der ich eigentlich auftrete ist den Leuten egal, weil sie sich nicht in meinem Fachkontext bewegen. Die wenigsten Leute, die ein Problem mit mir haben, wissen was ich überhaupt mache.

Sie arbeiten in Nürnberg, bleiben aber auch Geschäftsführer von Between The Lines, was ist da künftig Ihre Aufgabe?

Es gibt eine zweite Person. Anett Konzack-Klingner, die meine Stellvertreterin ist. Sie ist direkt vor Ort für alles, was die soziale Arbeit betrifft, zuständig. Im Rahmen unseres Unternehmenskonstruktes ist es außerdem nicht so, dass man alleinig von der Geschäftsführertätigkeit leben kann. Ich halte mich eher im Wissenschafts- und Forschungskontext auf. Ich mache viele Weiterbildungen außerhalb von Sachsen.

Das Bild was Menschen von mir haben, macht den Leuten, die vor Ort die Arbeit machen, diese schwierig. Ich gehöre nicht zu denen. Ich bin der Geschäftsführer, der am Ende vom Monat dafür sorgt, dass der korrekte Lohn auf ihrem Konto eingeht. Ich bin der, der sich um Rechnungen und Abrechnungen kümmert. Und das kann ich auch über einen Rechner machen, der sonst wo steht.

Ist eine erneute Bürgermeister-Kandidatur drin? Sollte Matthias Berger sich für die Spitzenkandidatur der Freien Wähler entscheiden und diese in den sächsischen Landtag gewählt werden?

Nein. Das ist für mich keine Option.

Zur Person

Tobias Burdukat ist Sozialarbeiter und in Grimma verwurzelt. Er ist 1983 in Grimma geboren und in Großbothen aufgewachsen. Er hat verschiedene Projekte der Jugendarbeit und Sozialarbeit in Grimma gegründet und begleitet. Inzwischen ist er auch in der Lehre tätig und beschäftigt sich vor allem mit der emanzipatorischen Jugendarbeit. Im Zuge dessen gründete er die Between The Lines gGmbH im Landkreis Leipzig, welche sich mit verschiedenen Projekten für Jugendliche im Landkreis Leipzig einsetzt.


Polizeieinsatz bei Grimmaer Ex-OB-Kandidat und „Goldene Henne“-Gewinner

Tobias Burdukat ist in Grimma und über die Kleinstadt hinaus bekannt. Für sein soziales Engagement wurde er ausgezeichnet. Nun bekam der 40-Jährige Besuch von der Polizei – zu tun hat das indirekt mit „Tag X“ in Leipzig.

Die Polizei hat am Freitag die Wohnung von Tobias Burdukat durchsucht. Der 40-jährige Sozialarbeiter hatte sich vergangenes Jahr um das Amt des Oberbürgermeisters von Grimma beworben. 2016 erhielt er die „Goldene Henne“ in der Kategorie „Charity“. Was bisher bekannt ist.

Dem 40-Jährigen wird „gefährdendes Verbreiten personenbezogener Daten“ vorgeworfen, sagt der Freie Journalist Thomas Datt, der am Freitagabend in Grimma mit vor Ort gewesen ist. Der Sozialarbeiter soll mehrere Tweets über einen Staatsanwalt geteilt haben, der beim Leipziger „Tag X“ am 3. Juni vermummt bei der Einkesselung von etwa 1000 Menschen dabei war. Unter anderem soll Burdukat über seinen Account „pudding83“ getwittert haben, dass dieser Staatsanwalt in Grimma wohne. Zudem retweetete er dessen Foto aus einer Juristenzeitschrift.

Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Dresden erließ ein Richter den Durchsuchungsbeschluss, der vom sächsischen Landeskriminalamt (LKA) umgesetzt wurde. Während sowohl Generalstaatsanwaltschaft als auch LKA am Samstag nicht zu erreichen waren, bestätigte die Pressestelle der Leipziger Polizei die Durchsuchungsaktion in Grimma gegenüber der LVZ mit Verweis auf die zuständigen Stellen.

Die Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten lief Zeugenaussagen zufolge eher diskret ab: Lediglich ein Polizeiwagen habe in der Nähe des Wohnhauses gestanden. Ein Nachbar berichtete gegenüber der LVZ, dass sowohl maskierte Polizisten als auch Ermittler in Zivil im Einsatz waren. Burdukat sei während der Maßnahme mit in der Wohnung gewesen.

Kasek spricht von „Einschüchterungsversuch“

Jürgen Kasek, der für Bündnis 90/Die Grünen im Leipziger Stadtrat sitzt und Versammlungsleiter der Demonstration am 3. Juni in Leipzig war, kritisiert das Vorgehen gegen Burdukat. „Es handelt sich aus meiner Sicht um einen Einschüchterungsversuch. Denn Burdukat hat ausschließlich aus öffentlichen Quellen zitiert.“ Kasek machte den Vorfall auf seinem Twitter-Kanal auch publik.

Die Staatsanwaltschaft müsse Kritik aushalten können. „Der Staatsanwalt war im Einsatz vermummt, sodass es ein besonderes öffentliches Interesse an dem Vorgang gibt. Es dürfte erstmals so gewesen sein, dass sich ein Staatsanwalt bei einem derartigen Versammlungsgeschehen unkenntlich macht“, so Kasek.

Die Linken-Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz schließt sich in einer ersten Reaktion an. Den Einsatz der Polizei bezeichnet sie als „völlig überzogen“. Auf der Liste der Linken hatte sich der parteilose Burdukat im vorigen Jahr um das Amt des Oberbürgermeisters von Grimma beworben. „Tobias Burdukat engagiert sich für junge Menschen und wendet sich gegen die extreme Rechte“, so die Grimmaerin, die viele Jahre selber im Stadtrat saß.

Burdukat konzipierte das Dorf der Jugend in Grimma. „Ich wollte Jugendarbeit im ländlichen Raum anders denken“, erklärte er vergangenes Jahr gegenüber der LVZ. Das brachte ihm 2016 die „Goldene Henne“ in der Kategorie Charity ein. Seit 2020 steht er der für die Bewirtschaftung und Sanierung der Alten Spitzenfabrik gegründeten Between the Lines gGmbH als Geschäftsführer vor.

Transparenzhinweis (26.6.2023): In einer früheren Version war ein Foto von der Straße zu sehen, in der der Betroffene lebt. Ebenso zu lesen war der Straßenname. Dies wurde redaktionell entfernt.


25.03.2022

Grimmas OB-Kandidat Tobias Burdukat greift Amtsinhaber Matthias Berger an

Der Wahlkampf in Grimma ist eröffnet. Unmittelbar nach Bekanntgabe seiner Kandidatur attackierte Tobias Burdukat auf seiner Web-Seite Amtsinhaber Matthias Berger. Burdukat geht als Kandidat von Linke und SPD ins Rennen um den Oberbürgermeister-Posten.

Matthias Berger (parteilos) bekommt es zur Oberbürgermeister-Wahl in Grimma nun doch mit einem Gegenkandidaten zu tun. Nur einen Tag, nachdem der Amtsinhaber seine neuerliche Kandidatur bekannt gab, meldete sich Tobias Burdukat am Donnerstagabend in der Bürgerfragestunde der Grimmaer Stadtratssitzung zu Wort. Er nutzte das Podium, um – eingebettet in eine Frage nach Tischtennisplatten – seine Bewerbung zur Wahl am 12. Juni zu verkünden. Er freue sich auf einen fairen Wahlkampf, sagte der 38-Jährige.

Bekannt als Spiritus rector des Dorfes der Jugend in Grimma

Der parteilose Burdukat, in Grimma als Sozialarbeiter und Spiritus rector des Dorfes der Jugend in der Alten Spitzenfabrik bekannt, geht als gemeinsamer Kandidat von Linken und SPD ins Rennen. Dass er Berger herausfordern möchte, machte in den letzten Tagen bereits als Gerücht die Runde, wurde aber noch unter der Decke gehalten.

In Grimma ist weithin bekannt, dass sich Berger und Burdukat – milde gesagt – nicht wohlgesonnen sind. Auf seiner Webseite erklärt sich Burdukat seit Donnerstag ausführlich zur Kandidatur und behauptet in dem Zuge, dass der Rathauschef seine Arbeit torpediert. Der habe ein Klima aufgebaut, „was es notwendig macht, dass sich nach außen hin Menschen und Projekte von mir distanzieren müssen oder ich diese nur im Hintergrund unterstützen kann“. Aktuell sei es so, „dass sich Türen in Grimma verschließen, sobald meine Name fällt“.

Burdukat spricht von einer Autokratie in Grimma

Burdukat spricht von einer Autokratie. In Grimma herrsche ein Einzelner, „der aus seiner eigenen Herrlichkeit und Überzeugung heraus alles richtigzumachen und allein zu wissen glaubt, was gut und was nicht gut für Grimma und die in Grimma lebenden Menschen ist“. Es sei an der Zeit, „diese seit 21 Jahren existierenden Herrschaftsverhältnisse infrage zu stellen“.

Burdukat wird noch deutlicher in Richtung seines politischen Kontrahenten: Der amtierende Oberbürgermeister habe ihn mehrmals über einen Anwalt verwarnt und angezeigt. „Grund war das Ansprechen von Dingen, die ich am ehesten als Kritik am Umgang des Bürgermeisters mit Neonazis und im Besonderen als Kritik am Umgang mit Jugendlichen in der Stadt Grimma bezeichnen würde.“

Burdukat: Mit Berger seit 2019 kein Wort gewechselt

Er habe mit Berger, den er übrigens duzt, seit 2019 kein persönliches Wort gewechselt und würde dies als Schweigen bezeichnen, so Burdukat. „Ich denke, dass es an der Zeit ist, das Schweigen zu beenden und in Grimma einen politischen Prozess in Gang zu setzen. Für diesen Prozess stelle ich mich zur Verfügung“, betont der 38-Jährige, der für die „Bürger für Grimma“ anderthalb Legislaturperioden im Stadtrat saß. Er wolle im Rahmen des Wahlkampfes Dinge ansprechen, „die bisher unausgesprochen bleiben oder nur noch unter vorgehaltener Hand aus- und angesprochen werden“.

Burdukat ist Geschäftsführer der Between the Lines gGmbH

Grimma müsse wieder mehr gemeinsam überlegen, „was und vor allem wie es sein möchte“, nennt Burdukat einen wesentlichen Punkt seines Wahlprogramms. Dazu müsse sich wieder eine Zivilgesellschaft herausbilden, die es wie die Selbstorganisation der Bürgerinnen und Bürger auch in der riesigen Fläche der Stadt zu stärken gelte. „Grimma lässt sich nicht aus einem Rathaus in der Kernstadt heraus organisieren“, erklärt Burdukat, der derzeit als Geschäftsführer der Between the Lines gGmbH tätig ist.

Der 38-Jährige hinterfragt ein Budget für die Ortsteile, möchte die städtische CO2-Bilanz verbessern, vermisst kulturelle Angebote für alle. Es gehe um das Zusammenleben in Grimma und darum, wie sich die Stadt aufstellt, „um endlich im 21. Jahrhundert anzukommen“, merkt er an: „Ich bin vielleicht kein durch die Armee geschulter und durch Hochwasser erprobter Krisenmanager, aber ich bin ein Mensch mit Ideen. Dass ich diese auch realisieren kann, konnte ich in den letzten 20 Jahren mehrfach unter Beweis stellen.“

Linke: Zeit, dass frischer Wind durchs Rathaus zieht

Die Grimmaer Linken haben sich einstimmig für die Unterstützung von Tobias Burdukat ausgesprochen, heißt es in einer Mitteilung des Ortsverbandes. „Nach 21 Jahren wird es Zeit, dass endlich frischer Wind durch das Rathaus zieht“, erklärt Vorsitzender Maximilian Schöpe. Burdukat sei ein ausgezeichneter Kandidat, „mit frischen, neuen und vor allem guten Ideen“ die Entwicklung der Stadt positiv zu beeinflussen. Grimma verdiene einen Bürgermeister, „der Kritik an seiner Arbeit nicht persönlich nimmt, sondern diese annimmt und unvermindert an seine Projekte glaubt und an diesen weiterarbeitet“ – so wie Burdukat trotzt Schmähversuchen seitens des Rathauses mit dem Dorf der Jugend und der Alten Spitzenfabrik. Grimma brauche einen Bürgermeister, „der sich ganz klar von rechtsextremen Tendenzen abgrenzt und die Zivilgesellschaft stärkt“.

SPD: Neue Ideen und Perspektiven für die Stadt Grimma

Auch die Teilnehmer einer SPD-Ortsvereinssitzung haben sich einmütig für eine Kandidatur Burdukats ausgesprochen, heißt es in einer Mitteilung. Nach 21 Jahren werde es Zeit, „dass auch in Grimmas Rathaus ein neuer Bürgermeister mit neuen Ideen und einer neuen Perspektive für die Stadt einzieht“. Die SPD wolle einen Wechsel hin zu einem sozialen und solidarischen Grimma. „Wenn sich Grimma mitsamt seiner Ortsteile weiter gut entwickeln soll, bedarf es eines Miteinanders, bei dem alle gehört und eingebunden werden, einer Organisation, in der die Ortsteile deutlich mehr eigenständigen Gestaltungsspielraum haben und neuer Ideen für einen sozialen und ökologischen Wandel in der Stadt. Hierfür steht nach unserer Auffassung Tobias Burdukat“, so der SPD-Ortschef Ingo Runge.

Von Frank Prenzel