383 beschlagnahmte Handys nach Leipziger „Tag X“: Jetzt entscheiden die Gerichte
Zwei Monate liegen die Ausschreitungen zum linksautonomen „Tag X“ in Leipzig zurück. Noch immer werden viele der beschlagnahmten Handys von Demonstranten bei den Behörden verwahrt. Obwohl erste Geräte jetzt zurückgegeben wurden, sind noch strittige Fälle an Gerichten anhängig.
Leipzig. Nun wird es sogar ein Fall für die Gerichte: Zwei Monate nach den massiven Ausschreitungen beim linksautonomen „Tag X“ in Leipzig wird ein großer Teil der beschlagnahmten Handys von Versammlungsteilnehmern noch immer von den Behörden verwahrt. Einige Betroffene haben dagegen allerdings nun rechtliche Schritte eingeleitet. Zugleich seien die ersten Geräte an die Besitzer zurückgegeben worden, sofern die Datensicherung abgeschlossen worden ist, teilte die Staatsanwaltschaft auf Anfrage der LVZ mit.
Als Reaktion auf das Urteil gegen die Leipziger Linksextremistin Lina E. (28) und deren Mitangeklagten hatte die linke Szene Anfang Juni in der Stadt zu Protesten mobilisiert. Nachdem aus einer Versammlung in der Südvorstadt Steine und Böller auf die Polizei geworfen wurden, umschlossen Beamte das Areal im Bereich des Heinrich-Schütz-Platzes. Mehr als 1000 Personen wurden einer Identitätsfeststellung und weiteren strafprozessualen Maßnahmen unterzogen.
Smartphones kommen als Beweismittel in Betracht
Dabei seien insgesamt 383 Smartphones als Beweismittel sichergestellt und beschlagnahmt worden, so ein Vertreter der Staatsanwaltschaft gegenüber der LVZ. „Dieses Vorgehen war vorab mit der Staatsanwaltschaft abgestimmt worden, welche gegen alle von der Umschließung Betroffenen zuvor nach entsprechender Prüfung den Anfangsverdacht des schweren Landfriedensbruchs bejaht hatte“, so die Behörde. Weitere Mobiltelefone seien nach dem Polizeigroßeinsatz auf dem Gelände gefunden worden. Offenbar hatten deren Besitzer sie dort zurückgelassen.
Einkassiert wurden die Handys, weil die darauf gespeicherten Daten nach Auffassung der Anklagebehörde als Beweismittel in Betracht kommen. „Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung reicht es aus, dass aufgrund der zum Zeitpunkt der Beschlagnahmeanordnung vorliegenden Erkenntnisse die nicht fernliegende Möglichkeit besteht, dass der sichergestellte Gegenstand im Verfahren eine potenzielle Beweisbedeutung hat und zu Untersuchungszwecken verwendet werden kann“, heißt es seitens der Staatsanwaltschaft.
Ermittlungsrichter bestätigt Vorgehen der Polizei
Allerdings legten mehrere Beschuldigte gegen die Beschlagnahme Widerspruch ein oder stellten einen Antrag auf eine gerichtliche Entscheidung. Die Staatsanwaltschaft habe in diesen Streitfällen die Akten dem zuständigen Ermittlungsrichter beim Amtsgericht vorgelegt. „Dieser bestätigte in allen bisher entschiedenen Fällen die vorangegangene Beschlagnahmeanordnung“, so der Behördenvertreter. „In einigen Verfahren wurde zwischenzeitlich gegen diese Entscheidungen des Amtsgerichts Beschwerde eingelegt. Eine Entscheidung des Landgerichts als zuständiger Beschwerdeinstanz liegt noch nicht vor.“
Im Zusammenhang mit dem „Tag X“ waren zahlreiche Ermittlungsverfahren gegen bekannte und unbekannte Tatverdächtige eingeleitet worden, unter anderem wegen schweren Landfriedensbruchs, tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, versuchter gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung. Weil mindestens ein Molotowcocktail unmittelbar neben Beamten einschlug, ermittelt die Staatsanwaltschaft auch wegen versuchten Mordes. Rund 30 Festnahmen gab es beim „Tag X“. Insgesamt zehn Tatverdächtige waren damals nach Krawallen am Freitag und Sonnabend in Untersuchungshaft gekommen. Die Haftbefehle wurden aber allesamt nach wenigen Tagen außer Vollzug gesetzt.
Mehr als 50 Einsatzkräfte und eine unbekannte Zahl an Demonstranten waren am ersten Juni-Wochenende verletzt worden. Der Sachschaden für die Kommune wird auf mehr als eine Viertelmillion Euro beziffert.