Basisbegriffe anarchistischen Denkens
Theorie soll praktisch angewandt werden. Deswegen dient das folgenden Schema dazu, eine anwendungsbezogene theoretische Grundlage über Anarchismus zu vermitteln – abseits von oft abgehobenen akademischen Kontexten und teilweise selbstbezüglichen marxistischen Debatten. Tatsächlich ist es so, dass bestimmte Praktiken oder Perspektiven nicht aus der anarchistischen Theorie folgen. Es sind umgekehrt die Erfahrungen von Aktiven in sozialen Bewegungen, welche das anarchistische Denken prägen. Seine Basisbegriffe wurde in einer mittlerweile fast zweihundertjährigen Geschichte des modernen europäischen Anarchismus entwickelt. Werte wie Gleichheit und Freiheit, Organisationsprinzipien wie Dezentralität und Autonomie und Konzepte wie freie Vereinbarung und Kooperation werden schon seit über 150 Jahre so verwendet. Und es hat Gründe, warum auch Personen, die gerade heute aktiv werden, wieder auf diese Begriffe stoßen. In unseren reflektierten Erfahrungen begründet sich ihre Wahrheit.
Das bedeutet, dass sie nicht als ein starres dogmatisches System angewandt oder wie ein Plan einfach verfolgt werden können. Stattdessen gilt es immer wieder neu zu entdecken und sich darüber auszutauschen, was wir unter den jeweiligen Begriffen verstehen – wie wir sie mit Leben füllen und konkret anwenden können, um die bestehende Gesellschaftsform und die Herrschaftsordnung zu kritisieren und zu beschreiben, wo wir stattdessen hin wollen. Dies ist für Anarchist*innen besonders wichtig, weil sie davon ausgehen, dass erstrebenswerte Alternativen bereits im Hier und Jetzt vorhanden sind und durch Zwischenraum-Strategien ausgedehnt werden können. Was wir insgesamt anstreben soll daher schon in unseren sozialen Bewegungen, Zusammenhängen und Lebensumfeldern umgesetzt werden. Dabei gilt es nicht starre und übermenschliche Ziele ins Auge zu fassen, welche wir ohnehin nie erreichen werden. Vielmehr können sich auch die Ziele verändern, während wir ihnen auf verschlungenen Wegen entgegengehen. Statt der konservativen Vorstellung von „Prinzipientreue“ brauchen wir kontinuierliche, gemeinsame und offene Diskussionsprozesse um ihre Ausgestaltung.
Mit dem hier entfalteten Schema geht es also darum, Orientierung in unsicheren Zeiten zu gewinnen, sich in einer bestimmten Tradition zu verorten und bewusst zu machen, dass es tatsächlich anarchistische Theorie gibt – die wie erwähnt keine Kopfgeburt ist, sondern in kollektiven Reflexions- und Diskussionsprozessen über einen langen Zeitraum entwickelt wird. Unser Bewusstsein ist notwendigerweise immer von der Ideologie und den Erfahrungen der gegenwärtigen Gesellschaftsform geprägt und deswegen von Widersprüchen durchzogen. Diese ergeben sich daraus, dass die Wirklichkeit komplex ist und wir als Einzelne oder Gruppen immer nur Teil-Wahrheiten erfassen können. Widersprüche entstehen aber auch durch den Konflikt mit der Ideologie der Herrschaftsordnung.
Mit emanzipatorischen Vorstellungen zielen wir darauf ab, diese Widersprüche nicht lediglich abzubilden, sondern auf eine höhere Ebene zu heben. Dies kann uns gelingen, wenn wir die damit verbundenen Spannungen als Paradoxien begreifen, welche wie die dargestellten Begriffe nicht abschließend als Wahrheiten fixiert werden können oder überhaupt einmalig festgesetzt werden sollen. In den Konzepten von Zwischenraum, konkrete Utopie, direkte Aktion, soziale Revolution, aber ebenso in anarchistischen Debatten um Individualismus und Kollektivismus Gewalt, Entfremdung oder Technik, bildet sich eine paradoxe Denkweise ab – die sehr gewinnbringend sein kann, um ein sozial-revolutionäres Projekt heute denkbar zu machen.
Bei der Erstellung des Schemas schien es mir naheliegend zu sein, von der anarchistischen Ethik auszugehen. Dies schließt keineswegs aus, dabei eine materialistische Weltanschauung zur Grundlage zu nehmen, also z.B. davon auszugehen, dass Klassenverhältnisse äußerst wirkmächtig sind, dass es das Privateigentum abzuschaffen und die Produktionsmittel zu vergesellschaften gilt, als auch zu verstehen, das unser Bewusstsein wesentlich von der materiellen Anordnung der Welt und der Verfügung über sie geprägt ist. Nur ist es eben nicht einseitig und eindimensional geprägt, sondern variiert, ist komplex und lässt Spielräume zu. Vor diesem Hintergrund ist der vorgeschlagene Begriffskatalog als Orientierungsrahmen für eine anwendungsbezogene (anti-)politische Theorie des Anarchismus zu verstehen. Wie alle Schemata reduziert die Auswahl und Anordnung der Begriffe die Wirklichkeit. Andererseits wäre es schon ein ziemlicher Gewinn, wenn zumindest sie allgemeiner unter Anarchist*innen verbreitet und durch gemeinsame Diskussion mit konkretem Inhalten gefüllt werden.
Die hier dargestellten Grundbegriffe können selbstverständlich ergänzt und erweitert werden. Wenn wir aber alleine darum gemeinsame Diskussionen führen, beziehungsweise unsere vorhandenen Diskussionen mit geschärften Begriffen strukturieren, würde dies bereits das Bewusstsein in anarchistischen Szenen anheben. Dabei geht es wie gesagt nicht um Rechthaberei, sondern um die gemeinsame Verständigung zu der möglichst alle Beteiligten befähigt werden sollen, um mitreden zu können.
Ich habe die Begriffe in einem System angeordnet, um deutlich zu machen, dass sie miteinander verknüpft sind. Auf horizontaler Ebene bedeutet dass, dass soziale Freiheit nur mit Gleichheit und Solidarität sowie Vielfalt nur mit Selbstbestimmung zu haben ist. Deswegen kann solidarisches Verhalten z.B. nur in Anerkennung vielfältiger Unterschiede gelebt werden. Organisatorisch gehören Dezentralität, Autonomie und Horizontalität, Föderalismus, Freiwilligkeit unbedingt zusammen. Deswegen führt z.B. die Betonung der Dezentralität eben nicht dazu, dass Aufgaben nicht eine überregionale Ebene übertragen werden. Freiwilligkeit ist in diesem Sinne nicht die individualistische Vereinzelung, wie im Liberalismus. Selbstverständlich führt dies auch zu Spannungen. Doch diese bestehen in unserer Lebenswirklichkeit und der Gesellschaftsform in der wir leben selbst und werden dadurch nur thematisiert. So sind auch die theoretischen Konzepte und die Kriterien für eine sozial-revolutionäre Orientierung jeweils miteinander verbunden.
Auf der vertikalen Ebene soll zumindest angedeutet werden, dass die anarchistische Ethik mit Organisationsprinzipien und theoretischen Konzepten in beide Richtungen vermittelt wird. Um in Vielfalt leben zu können braucht es dezentrale Organisationsformen und eine theoretische Beschäftigung mit Pluralität. Erst die Freiwilligkeit ermöglicht die Umsetzung von sozialer Freiheit und führt zum Nachdenken über gemeinschaftliche Individualität. Unter Autonomie verstehe ich ein Organisationsprinzip, welches so wertvoll ist, weil in die Selbstbestimmung von Einzelnen und das Konzept der gesellschaftlichen Selbstorganisation übergeht.
Dies ist wichtig, weil es eben nicht der anarchistischen Denk- und Herangehensweise entspricht, dass sich autonome Kommunen abschotten und sich dann einen Tyrannen wählen, Frauen unterdrücken oder Kinder schlagen. Dies würde die ethischen Grundwerte verletzen. Ebenso ist die Gleichheit nur formell zu verstehen, wie etwa in einem Wahlvorgang, sondern als tiefgreifende Beziehung aufgrund der Annahme von Kooperation zu realisieren und durch horizontale Organisationsformen umzusetzen. Wie schon gesagt, darf dieses Begriffssystem nicht starrsinnig als Programm verstanden werden, dass es einfach nur umzusetzen gilt. Daher sind auch die jeweiligen Begriffe nicht immer ganz genau ineinander übertragbar. Aber dieser Überblick kann eine Reflexion darüber anstoßen, was Anarchist*innen und mit ihnen sympathisierende Leute bereits tun.
Schließlich möchte ich noch offenlegen, dass ich diese Systematisierung aus einer bestimmten Sichtweise entwickelt habe. Meine Perspektive ist jene der anarchistischen Synthese und des Anarchismus ohne Adjektive. Diese ist nicht besser als andere Sichtweisen, beispielsweise aus dem anarchistischen Mutualismus, Individualismus, Kommunismus, Insurrektionalismus, Syndikalismus oder Kommunitarismus. Mit der Synthese wird lediglich versucht, die besten Punkte, welche Anhänger*innen der jeweiligen Strömungen formulieren, einzubeziehen und ins Gespräch miteinander zu bringen. Daher sind die folgenden Begriffe auch ein Vorschlag, um eine gemeinsame Grundlage in einem sonst äußerst pluralen Anarchismus zu schaffen – dessen Interpretation, Schlussfolgerungen, Ansätze und Praktiken immer noch sehr unterschiedlich sein können.
Selbstverständlich macht es Unterschiede, ob man sich in Basisgewerkschaften, Affinitätsgruppen oder Genossenschaften organisiert; ob man Arbeitskämpfe, destruktive Akte oder Nachbarschaftsversammlungen für geeignete Mittel hält, um die Verhältnisse unmittelbar zu verändern. Darüber gilt es Diskussionen zu führen und sich zu streiten. Ebenso ist nicht einfach klar, was sich langfristig wirklich als radikal, emanzipatorisch, präfigurativ, konfrontativ und initiativ erweist. Auch hinsichtlich unserer Vorstellungen und Annahmen über Herrschaftsverhältnisse und erstrebenswerter Alternativen zu ihr, braucht es weiteres Nachdenken.
Unter einer Herrschaftsform, die uns nach Identitäten spaltet und durch die Brutalisierung (anti-)politischer Auseinandersetzungen, neigen wir jedoch dazu, vor allem Recht haben zu wollen und anderen unsere Sichtweisen aufzuzwingen, statt uns gegenseitig zu respektieren, uns zuzuhören und aufeinander zu beziehen. Wir lassen uns spalten von Autoritären, welche ihre Machtansprüche mit gesetzten Wahrheiten durchsetzen wollen, anstatt uns gemeinsam auf die Suche nach Wahrheiten zu begeben, die mit unseren verschiedenen Lebenswirklichkeiten verknüpft sind – und Werkzeuge zu ihrer Veränderung an die Hand geben. Dies bedeutet gerade nicht, Begriffe beliebig oder rein instrumentell zu definieren, sondern sie in langen emanzipatorischen Traditionen zu verorten und sich damit auf geteilte Ziele zu verständigen. Sich diesen Aufgaben zu widmen ist zugleich der Weg, gemeinsam sozial-revolutionär zu werden.
Es folgt eine knappe Beschreibung der jeweiligen Werte. Diese ist verkürzt und soll deswegen zur Reflexion und weiteren Diskussionen anregen…
ethische Werte
Gleichheit hat eine materielle, eine politische und eine ethische Komponente: Alle Menschen erhalten bedingungslos die Ressourcen, um ihre Leben selbst zu gestalten. Sie können gleichberechtigt bei den Entscheidungen mitbestimmen, die sie betreffen. Und es geht um die Herstellung der gleichen Würde aller Personen.
Soziale Freiheit ist ein Verhältnis, in welchem Einzelne ihre Leben in Bezug auf die Anderen gestalten und dadurch erst zu besonderen Individuen werden. Um dies zu entwickeln, werden auch Grenzen respektvoll überschritten und ausgelotet. Es gibt keine echte Freiheit für Einzelne auf Kosten Anderer.
Solidarität ist sowohl Ausgangspunkt wie auch Ergebnis sozialer Kämpfe. Sie beschreibt den Zusammenhalt von Leuten, die sich gegenseitig helfen, auch ohne, dass sie miteinander befreundet sind und sich mögen. Solidarität geschieht insbesondere dann, wenn Menschen in schwierigen Lagen unterstützt werden und Privilegien abgegeben werden.
Mit Selbstbestimmung wird der Wille und die Besonderheit von Einzelnen betont, die über ihre Lebensgestaltung, ihre Tätigkeiten und ihre Körper selbst verfügen. Aufgrund der Ungleichheit unter der Herrschaftsordnung, ist sie erst für alle zu erkämpfen.
Vielfalt: Eine libertär-sozialistische Gesellschaft lässt vielfältige Lebensformen zu. Ebenso gilt es in sozialen Bewegungen und unseren Umfeldern heute Vielfältigkeit zu begrüßen. Vielfalt im anarchistischen Sinne gelingt aber nicht durch die herrschaftliche Konstruktion von Identitäten und liberalen Multikulturalismus, sondern indem einzelne Gruppen und Gemeinschaften sich selbst definieren.
Organisationsprinzipien
Horizontalität bedeutet Organisation auf Augenhöhe. In gegenseitigem Respekt werden Formen verwirklicht, in welchen möglichst alle Gehör finden und einbezogen werden. Dazu gilt es Medien zur Vermittlung der Interessen, Anliegen und Meinungen zu schaffen.
Autonomie heißt, dass jede Gruppe die sich zusammenfindet selbst entscheidet, welchen Tätigkeiten sie nachgehen, welche Positionen sie vertreten und wie genau sie sich strukturieren wollen, statt vorgefertigte Konzepte zu übernehmen oder Aufgaben, welche andere gestellt haben. Autonomie ist auch mit dem Exodus aus den Herrschaftsverhältnissen bei der gleichzeitigen Umsetzung von Alternativen verknüpft.
Föderalismus ist der Zusammenschluss dezentraler, autonomer Gruppen und Kommunen. Anstatt dass diese sich ausschließlich um ihre eigenen Angelegenheiten vor Ort kümmern, beziehen sie sich aufeinander, tauschen sich aus und treffen Entscheidungen auf einer höheren Ebene um gemeinsam stärker zu sein.
Freiwilligkeit: Niemand darf gezwungen werden, einer Gruppen anzugehören, darin bestimmte Aufgaben oder festgelegte Rollen zu übernehmen. Freiwilligkeit ist wichtig, weil mit ihr auch die Grenzen der Einzelnen ausgelotet werden. Im Zweifelsfall bedeutet dies, aus einer Gruppe auszutreten oder ihre Grundlagen neu zur Verhandlung zu stellen. Doch ist der Grad der Freiwilligkeit hoch, ist die Gruppe auch stabil, stark und kann sich kontinuierlich weiterentwickeln.
Dezentralität: Anarchist*innen gehen davon aus, dass die meisten gesellschaftlichen Funktionen und auch soziale Bewegungen besser dezentral organisiert werden sollen. Zentralisierung ist nicht emanzipatorisch, weil sie immer eine Machtkonzentration bedeutet. Wie genau sich Dezentralität umsetzen lässt, ist dabei von Bereich zu Bereich unterschiedlich geschieht nicht von selbst, sondern ist herzustellen.
theoretische Konzepte
Das Konzept der Kooperation begründet sich in der Annahme, das Menschen soziale Wesen sind, die sich erst im gemeinsamen Zusammenwirken selbst entfalten und die Bedingungen für ein gutes Leben für alle herstellen können. Dennoch ist Kooperation kein Naturgesetz, sondern einzuüben, zu praktizieren und auszuweiten.
Mit gemeinschaftliche Individualität wird versucht, denkbar zu machen, wie der scheinbare Gegensatz von Einzelnen und Kollektiven abgebaut werden kann. Es gilt Gemeinschaften zu schaffen, in welchen die Einzelnen nicht gezwungen werden, aber ebenso Einzelne darauf hin zu orientieren, dass sie gemeinschaftlich werden können.
Die freie Vereinbarung zwischen Einzelnen und Gruppen richtet sich gegen den bürgerlichen Vertrag, in welchem Zwangsinstanzen entscheiden, wer im Zweifelsfall Recht und welche Ansprüche hat und diese durchsetzen. Stattdessen klären die Beteiligten ihre Angelegenheiten selbst und verhandeln sie bei Unstimmigkeiten neu. Die schließt nicht aus, dass sie externe Gruppen für die Begleitung und Beurteilung ihrer Prozesse hinzuziehen.
Selbstorganisation ist ein Begriff der erst seit den 1950er Jahren verwendet wird, aber sehr treffend beschreibt, was Anarchist*innen bereits vorher annahmen. Ähnlich wie Systeme in der Natur könnte sich auch Gesellschaft ohne von ihr abgesonderten Staat selbst organisieren. Dennoch ist dies kein Naturgesetz, sondern bedeutet, dass Räume und Formen der Selbstorganisation aktiv einzurichten sind.
Pluralität: Wie kann Vielfalt ermöglicht und Dezentralität organisiert werden? Dies gilt es mit dem Konzept der Pluralität zu durchdenken, mit welchem ebenso danach gesucht wird, welche gemeinsamen Grundlagen es braucht, damit Unterschiedlichkeit überhaupt möglich wird ohne in Beliebigkeit oder Separatismus zu verfallen.
sozial-revolutionäre Kriterien
Emanzipation: Soziale Bewegungen sollen emanzipatorisch sein in dem Sinne, als dass sich Gruppen, die unterschiedlich von Ausbeutung, Unterdrückung, Entfremdung und Zerstörung betroffen sind, selbst ermächtigen, um die Gesellschaft zu verändern. Nicht für Betroffene, sondern durch sie selbst geschieht der entscheidende Wandel. In diesem Prozess verändern sich Einzelne individuell, Gruppen partikular und die Gesellschaft insgesamt. Dies gilt es zusammen zu denken und nicht gegeneinander auszuspielen.
Radikalität: Im Anarchismus gibt es eine lange und anhaltende Debatte darüber, in welchem Verhältnis Ziele und Mittel gesehen werden. Der Zweck heiligt demnach nicht die Methoden, sondern beide sollen so weit es geht einander entsprechen. Doch im Widerspruch mit der bestehenden Herrschaftsordnung reicht es nicht aus, wenn Mittel zum Selbstzweck werden und sich damit der Auseinandersetzung entziehen. Aus diesen Überlegungen heraus wurde der Ansatz der direkten Aktion entwickelt, welche die Radikalität sozialer Bewegungen begründet. Gesellschaftskritik wird damit praktisch angewandt.
Präfiguration: Anarchist*innen gehen davon aus, dass die Utopie konkret und immanent vorhanden ist. Das heißt, sie wird nicht an anderen Orten oder in andere Zeiten projiziert, sondern ist das Verdrängte und Ausgeschlossene in der Gegenwartsgesellschaft, dass sich in unserer Sehnsucht nach etwas anderem manifestiert. Aus diesem Grund wird für ein Handeln im Hier und Jetzt plädiert. Sollen sich die gesellschaftlichen Verhältnisse grundlegend ändern, gilt es heute und dort wo wir stehen, damit anzufangen. Präfiguration bedeutet die experimentelle Vorwegnahme der allgemein angestrebten Formen und Beziehungen.
Konfrontation: Eine große Diskussion mit verschiedenen Standpunkten gibt es hinsichtlich des Verhältnisses von Negation und Konstruktion. Für die soziale Revolution gehört beides zusammen: Um nach den Möglichkeiten der vorgefundenen Bedingungen zu handeln, sind diese anzugreifen. Aus dieser Herangehensweise des auflösenden Aufbaus heraus sollen soziale Bewegungen die Konfrontation suchen. Dies kann je nach Situation und Konstellation verschiedene Ausprägungen annehmen.
Initiative: Im Anarchismus wird die Herangehensweise einer Avantgarde, welche mit einer ausgebildeten Ideologie und geschlossenen Kadergruppen soziale Bewegungen anführt, abgelehnt. Stattdessen sollen sich die Unterdrückten und Ausgebeuteten selbst ermächtigen. Um sich zu organisieren und zielgerichtet zu kämpfen, braucht es aber bestimmte Bedingungen, unter anderem Zeit, Bildung, Überzeugungen und Zugehörigkeit. Da die Voraussetzungen dafür sehr unterschiedlich verteilt sind, wollen Anarchist*innen soziale Bewegungen begleiten, motivieren und orientieren. Sie bilden eine Art „convoyer-garde“, ergreifen Initiative, versuchen diese aber ebenso bei anderen anzuregen.
Herrschaftsverhältnisse und ihre Alternativen
Staat / Föderation dezentraler autonomer Kommunen
Im Staat verdichtet sich das politische Herrschaftsverhältnis, dass in der Moderne mit der Nation als konstruierter Zwangsgemeinschaft verbunden ist. Er funktioniert nach den Prinzipien des Autoritarismus, der Zentralisierung und Hierarchisierung und weitet diese in alle gesellschaftlichen Bereiche aus. Damit wird gleichzeitig Staat als Ansammlung unterschiedlicher Institutionen zusammengehalten, welche das Politische monopolisieren und auf sich hin zuordnen. Obwohl der Staat in seinem Kern auf nackter Gewalt und direkter Unterwerfung beruht, übernimmt er auch unterschiedliche Funktionen, sich zu kümmern, umzuverteilen und die öffentliche Infrastruktur zu organisieren. Daher ist für viele schwer vorstellbar, dass wir ohne Staat besser leben würden.
Als Gegenmodell streben viele Anarchist*innen eine Föderation dezentraler autonomer Kommunen an. Diese ist eng mit der Rätedemokratie verwandt. Statt einer Kaste professioneller Politiker*innen werden engagierten Leute in ihren jeweiligen Kommunen Aufgaben übertragen. Dabei wird dies Ausübung dieser Mandate kontrolliert und rotiert. Dieses Modell ist kein konstruiertes Idealbild, sondern ergibt sich aus der Lebenswirklichkeit von Parallelstrukturen, die in Ansätzen überall vorhanden sind. Wenn dieses Modell in größerem Maßstab umgesetzt wird, sind Mechanismen zu schaffen, dass es nicht Macht kontinuierlich verteilt wird, damit es nicht wieder staatliche Züge annimmt.
Kapitalismus / dezentraler Sozialismus
Kapitalismus ist ein ökonomisches Herrschaftsverhältnis, welches auf Privateigentum, der Aneignung von Gemeingütern, sowie dem freiwilligen Zwang zur Lohnarbeit beruht. Der Kapitalismus bringt notwendigerweise eine Klassengesellschaft mit sich, die ohne staatliche Kompensation, wie das Prinzip der Profitmaximierung, selbstzerstörerisch ist. Weil er durch Ausbeutung von Arbeitskraft und Natur unglaublichen Reichtum geschaffen hat, gelang es auch große Teile der Arbeiter*innenklasse zu befrieden. Seine Folgen alles andere als sozial, nachhaltig oder effektiv, doch hat der Kapitalismus die Fähigkeit, sich flexibel anzupassen und Widerstand gegen ihn einzubeziehen.
Dagegen streben viele Anarchist*innen einen dezentralen Sozialismus an. Wie auch der staatliche Kapitalismus weist dieser planwirtschaftliche Elemente auf, überlässt aber den einzelnen Akteur*innen die Entscheidung, wie sie auf Anfragen nach der Produktion oder Verteilung von Gütern reagieren. Weiterhin basiert der dezentrale Sozialismus auf unterschiedlichen Genossenschaften, in welchem Menschen ihre Bedürfnisse nach Nahrung, Kleidung, Wohnung, Bildung und Kultur kollektiv und lokal organisieren. Die technischen Voraussetzungen für eine solche Organisation der Wirtschaft sind in jedem Fall gegeben. Die individuelle Verfügung über Güter wird geringer sein. Dafür ist die Grundabsicherung gewährleistet, gibt es wesentlich mehr Zeit zur freien Verfügung sind die Möglichkeiten nach sinnerfüllenden Tätigkeiten wesentlich höher, wobei anstrengende und belastende Arbeiten besonders gewürdigt werden.
Patriarchat / egalitäre Geschlechterverhältnisse
Herrschaft bildet sich auch in ungleichen Geschlechterverhältnissen ab, wobei das Patriarchat in verschiedenen Ausprägungen schon viele Jahrtausende besteht und weltweit durchgesetzt wurde. Es beinhaltet die Privilegierung von gesunden hetero Cis-Männern gegenüber allen Menschen in anderen Positionen. Zur Legitimierung wird eine vermeintlich natürliche Überlegenheit behauptet. Dass das Patriarchat ein wesentliches Herrschaftsverhältnis ist, zeigt sich auch am brutalen Kulturkampf, der von rechten Akteur*innen gegen emanzipatorische Bestrebungen geführt wird. Teilweise gelingt es dabei die Kategorie der Frauen von Menschen mit anderen Geschlechtsidentitäten zu spalten.
Stattdessen setzen sich Anarchist*innen für die Gleichbehandlung aller Menschen, unabhängig von ihrem Geschlecht und Begehren ein. Dies bedeutet materielle Anliegen umzusetzen wie gleichen Lohn und gleiche Arbeitsrechte für Frauen, sowie eine echte Wertschätzung und Gleichverteilung von Care-Arbeiten und Reproduktionstätigkeiten, die abwertend feminisiert werden. Weiterhin gilt es Angehörige in Minderheitspositionen besonders zu unterstützen. Die Konstruktion von Geschlechtsidentität überhaupt ist mit der modernen Gesellschaftsform verknüpft, die Menschen kategorisiert und in welcher sie sich definieren müssen. Dies ist an sich problematisch, weswegen die gesellschaftliche Konstruktion von Geschlecht als solche zu problematisieren ist.
weiße Vorherrschaft / gegenseitiger Respekt
Die Entstehung des modernen Nationalstaates ist ebenso wie jene des Kapitalismus mit rassistischer Diskriminierung und Unterdrückung verknüpft, die ebenso wie das Patriarchat Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Aussehens in Kategorien presst, ihnen Eigenschaften zuschreibt und sie in einer Hierarchie anordnet. Dabei bildete die Versklavung Schwarzer Menschen in der Neuzeit eine der ökonomischen Grundlage kapitalistischer Ausbeutung, welche davon ausgehend auf das Lohnarbeitsverhältnis übertragen wurde. Rassismus zeigt sich in globalen wirtschaftlichen Abhängigkeiten, schlechten Arbeitsbedingungen, geringen Bildungszugängen, ethnischer Segregation und Polizeigewalt.
Anarchist*innen wollen die weiße Vorherrschaft als gesellschaftliches Herrschaftsverhältnis überwinden, welches den Rassismus hervorbringt und aufrechterhält. Der Kampf gegen dagegen ist auf verschiedenen Ebenen zu führen und beinhaltet auch die Reflexion eigener rassistischer Vorurteile und Verhaltensweisen. Allen Menschen soll unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Aussehen und ihrer Sprache der gleiche Respekt zukommen.
Naturbeherrschung / konviviales Naturverhältnis
Die Herrschaft des Menschen über die Natur ist viele tausend Jahre alt, hat sich in modernen Gesellschaftsformen aber massiv gesteigert. Menschen setzen sich in das Zentrum des Kosmos, ordnen ihnen alle anderen Lebewesen unter und verwerten sie für ihre Zwecke. Um dies zu ermöglichen, wird erst eine künstliche Trennung von „Natur“ und „Kultur“ gezogen, die unsinnig ist, weil alles was Menschen bauen verarbeitete Natur ist, wie sie selbst auch. Deswegen werden mit der Naturbeherrschung letztendlich auch die Möglichkeiten eines guten Lebens für alle Menschen untergraben.
Anarchist*innen wollen nicht „zurück zur Natur“, weil dies eine Projektion ist, sondern ein Brechen mit der verselbständigten Technokratie und dem anthropozentrischen Weltbild. Es gilt ein konviviales, also auf Gegenseitigkeit beruhendes, gesellschaftliches Naturverhältnis auszuweiten und die Produktion grundlegend umzugestalten. Darüber hinaus braucht es eine Dezentrierung des Menschen, um ihn entgegen des Zustands seiner Entfremdung, im Zusammenspiel mit der Welt und anderen Lebewesen zu erfahren.
weitere Anregungen unter: paradox-a.de
Basic terms of anarchist thought
ethical values: variety – equality – social freedom – solidarity – self-determination
organizational principles: decentralization – horizontality – voluntariness – federalism – autonomy
theoretical concepts: plurality – cooperation – communal individuality – voluntary agreement – self-organization
criteria für social-revolutionary orientation: emancipation – radicality – prefiguration – confrontation – initiative
Theory should be applied practically. Therefore, the following scheme serves to provide an applied theoretical foundation about anarchism – away from often detached academic contexts and sometimes self-referential Marxist debates. In fact, certain practices or perspectives do not follow from anarchist theory. Conversely, it is the experiences of activists in social movements that shape anarchist thought. Its basic concepts have been developed over what is now almost a two-century history of modern European anarchism. Values such as equality and freedom, organizing principles such as decentralization and autonomy, and concepts such as free agreement and cooperation have been used in this way for over 150 years. And there are reasons why even people who are just becoming active today come back to these concepts. Their truth is grounded in our reflected experiences.
This means that they cannot be applied as a rigid dogmatic system or simply followed like a plan. Instead, it is always a matter of rediscovering and exchanging what we understand by the respective terms – how we can fill them with life and apply them concretely to criticize the existing social form and order of domination and to describe where we want to go instead. This is especially important for anarchists because they assume that desirable alternatives already exist in the here and now and can be expanded through strategies of interstices. What we strive for as a whole should therefore already be implemented in our social movements, contexts and environments. In doing so, it is not necessary to envisage rigid and superhuman goals, which we will never achieve anyway. Rather, the goals can also change as we move toward them along tortuous paths. Instead of the conservative notion of „adherence to principles,“ we need continuous, joint, and open discussion processes to shape them.
With the scheme unfolded here, it is thus a matter of gaining orientation in uncertain times, of locating oneself in a certain tradition, and of becoming aware that anarchist theory actually exists – which, as mentioned, is not a ideaalistic construction, but is developed in collective processes of reflection and discussion over a long period. Our consciousness is necessarily always shaped by the ideology and experiences of the contemporary form of society and is therefore permeated by contradictions. Those result from the fact that reality is complex and that we as individuals or groups can only ever grasp partial truths. But contradictions also arise from the conflict with the ideology of the ruling order.
With emancipatory conceptions, we aim not merely to depict these contradictions, but to raise them to a higher level. We can succeed in this if we understand the tensions involved as paradoxes, which, like the concepts presented, cannot be conclusively fixed as truths, or should be fixed once at all. In the concepts of interstices, concrete utopia, direct action, social revolution, but also in anarchist debates about individualism and collectivism, violence, alienation, or technology, a paradoxical way of thinking is formed – which can be very profitable to make a social-revolutionary project conceivable today.
In creating the scheme, it seemed obvious to me to start from the anarchist ethics. This does not exclude to take a materialistic world view as a basis, e.g. to assume that class relations are extremely effective, that private property has to be abolished and the means of production have to be socialized, as well as to understand that our consciousness is essentially shaped by the material arrangement of the world and the disposal of it. It is just that it is not shaped one-sidedly and one-dimensionally, but varies, is complex, and allows room for maneuver. With that in ind, the proposed catalog of terms is to be understood as an orientation framework for an application-oriented (anti-)political theory of anarchism. Like all schemes, the selection and arrangement of terms reduces reality. On the other hand, it would be quite a gain if at least they were more generally disseminated among anarchists and filled with specific content through common discussion.
The basic concepts presented here can of course be supplemented and expanded. But if we lead common discussions about this alone, or structure our existing discussions with sharpened terms, this would already raise the consciousness in anarchist scenes. As I said before, this is not about being bossy, but about a common understanding, to which all participants should be enabled, in order to be able to have a say.
I have arranged the terms in a system to make it clear that they are interrelated. On the horizontal level, this means that social freedom can only be had with equality and solidarity, and diversity only with self-determination. Therefore, solidary behavior, for example, can only be lived in recognition of diverse differences. Organizationally, decentralization, autonomy and horizontality, federalism, and voluntarism absolutely belong together. That is why, for example, the emphasis on decentralization does not mean that tasks are not transferred to a supraregional level. Voluntariness in this sense is not individualistic isolationism, as in liberalism. Of course, this also leads to tensions. But these exist in the reality of our lives and the form of society in which we live itself, and are thus only thematized. Thus, the theoretical concepts and the criteria for a social-revolutionary orientation are also connected in each case.
On the vertical level, it should at least be implied that anarchist ethics with organizational principles and theoretical concepts is mediated in both directions. In order to live in diversity, decentralized forms of organization and a theoretical preoccupation with plurality are needed. Only voluntariness enables the implementation of social freedom and leads to thinking about communal individuality. By autonomy I mean an organizing principle that is so valuable because it transitions into the self-determination of individuals and the concept of social self-organization.
This is important because it is precisely not the anarchist way of thinking and approach that autonomous communities seal themselves off and then elect a tyrant, oppress women or beat children. This would violate basic ethical values. Similarly, equality is to be understood only formally, as in an electoral process, but to be realized as a profound relationship based on the assumption of cooperation and implemented through horizontal forms of organization. As already said, this conceptual system must not be understood stubbornly as a program that simply has to be implemented. Therefore, the respective concepts are not always exactly transferable into each other. But this overview can initiate a reflection on what anarchists and people sympathizing with them are already doing.
Finally, I would like to disclose that I developed this systematization from a particular perspective. My perspective is that of anarchist synthesis and anarchism without adjectives. This is no better than other perspectives, for example, from anarchist mutualism, individualism, communism, insurrectionalism, syndicalism, or communitarianism. The synthesis is merely an attempt to incorporate the best points formulated by adherents of the respective currents and to bring them into conversation with each other. Thus, the following terms are also a proposal to establish common ground in an otherwise extremely plural anarchism – whose interpretation, conclusions, approaches, and practices can still vary widely.
Of course, it makes a difference whether one organizes in grassroots unions, affinity groups, or cooperatives; whether one considers labor struggles, destructive acts, or neighborhood assemblies as appropriate means to directly change conditions. There are discussions to be had and arguments to be had about this. Likewise, it is not simply clear what really proves to be radical, emancipatory, prefigurative, confrontational, and initiative in the long run. Further reflection is also needed regarding our ideas and assumptions about relations of domination and desirable alternatives to it.
However, under a form of domination that divides us by identities and through the brutalization of (anti-)political disputes, we tend to want to be right above all and to impose our views on others instead of respecting each other, listening to each other and relating to each other. We allow ourselves to be divided by authoritarians who want to assert their claims to power with set truths, instead of embarking together on a search for truths that are linked to our various realities of life – and providing tools to change them. This precisely does not mean defining terms arbitrarily or in a purely instrumental way, but rather locating them in long emancipatory traditions and thus agreeing on shared goals. To dedicate oneself to these tasks is at the same time the way to become social-revolutionary together.
A brief description of the respective values follows. This is abbreviated and should therefore stimulate reflection and further discussion…
ethical values
Equality has a material, a political and an ethical component: All people unconditionally receive the resources to shape their own lives. It is about giving them an equal say in the decisions that affect them. And it is about establishing equal dignity for all persons.
Social freedom is a relationship in which individuals shape their lives in relation to others and thereby become special individuals in the first place. In order to develop this, boundaries are also respectfully crossed and explored. There is no real freedom for individuals at the expense of others.
Solidarity is both the starting point and the result of social struggles. It describes the cohesion of people who help each other, even without being friends and liking each other. Solidarity happens especially when people in difficult situations are supported and privileges are given up.
Self-determination emphasizes the will and the specificity of individuals who have control over their lives, their activities and their bodies. Because of the inequality under the ruling order, it is first to be fought for by all.
Variety: A libertarian-socialist society allows for diverse forms of life. Likewise, variety is to be welcomed in social movements and our environments today. However, variety in the anarchist sense does not succeed through the domineering construction of identities and liberal multiculturalism, but rather through individual groups and communities defining themselves.
Organizing principles
Horizontality means organization at eye level. In mutual respect, forms are realized in which as many people as possible are heard and included. To this end, it is necessary to create media for the communication of interests, concerns and opinions.
Autonomy means that each group that comes together decides for itself what activities it will pursue, what positions it will take and how exactly it will structure itself, instead of adopting prefabricated concepts or tasks that others have set. Autonomy is also linked to the exodus from relations of domination with the simultaneous implementation of alternatives.
Federalism is the federation of decentralized, autonomous groups and communities. Instead of being exclusively concerned with their own local affairs, they relate to each other, exchange ideas and make decisions at a higher level in order to be stronger together.
Voluntariness: No one should be forced to belong to a group, to take on certain tasks or defined roles in it. Voluntariness is important because it also tests the limits of the individual. In case of doubt, this means leaving a group or putting its foundations up for renegotiation. But if the degree of voluntariness is high, the group is also stable, strong, and can continue to develop.
Decentralization: Anarchists assume that most social functions and also social movements are better organized in a decentralized way. Centralization is not emancipatory because it always means a concentration of power. How exactly decentralization can be implemented varies from area to area – it does not happen by itself, but has to be established.
Theoretical concepts
The concept of cooperation is based on the assumption that human beings are social beings who can only develop themselves and create the conditions for a good life for all by working together. Nevertheless, cooperation is not a law of nature, but must be practiced and extended.
With communal individuality, an attempt is made to make it conceivable how the apparent opposition of individuals and collectives can be dismantled. It is necessary to create communities in which individuals are not forced, but likewise to orientate individuals towards becoming communal.
The voluntary agreement between individuals and groups is directed against the bourgeois contract, in which coercive instances decide who has the right and which claims in case of doubt and enforce them. Instead, the participants clarify their own affairs and renegotiate them in the event of disagreement. This does not preclude them from bringing in external groups to monitor and evaluate their processes.
Self-organization is a term that has only been used since the 1950s, but aptly describes what anarchists assumed even before then. Similar to systems in nature, society could organize itself without a separate state. Nevertheless, this is not a law of nature, but means that spaces and forms of self-organization have to be actively established.
Plurality: How can variety be made possible and decentralization organized? This is to be thought through with the concept of plurality, with which it is also sought what common foundations are needed so that variety becomes possible at all without lapsing into arbitrariness or separatism.
Social-revolutionary criteria
Emancipation: Social movements should be emancipatory in the sense that groups that are differently affected by exploitation, oppression, alienation and destruction empower themselves to change society. It is not for those affected, but through them, that decisive change occurs. In this process, individuals change individually, groups change individually, and society as a whole changes. This must be thought together and not played off against each other.
Radicalism: In anarchism, there is a long and ongoing debate about the relationship between ends and means. According to this, the end does not justify the methods, but both should correspond to each other as far as possible. However, in contradiction with the existing order of domination, it is not enough for means to become ends in themselves and thus evade debate. From these considerations the approach of direct action was developed, which justifies the radicality of social movements. Social critique is thus practically applied.
Prefiguration: Anarchists assume that utopia is concrete and immanently present. That is, it is not projected in other places or times, but is the repressed and excluded in contemporary society that manifests itself in our longing for something else. For this reason, there is a plea for action in the here and now. If social conditions are to change fundamentally, it is important to start today and where we are. Prefiguration means the experimental anticipation of the generally aspired forms and relations.
Confrontation: There is a comprehensive discussion with different points of view regarding the relationship between negation and construction. For social revolution, the two belong together: In order to act according to the possibilities of the found conditions, these are to be attacked. From this approach of dissolving construction, social movements should seek confrontation. This can take on different forms depending on the situation and constellation.
Initiative: Anarchism rejects the approach of an avant-garde leading social movements with a trained ideology and closed cadre groups. Instead, the oppressed and exploited should empower themselves. However, in order to organize and fight purposefully, certain conditions are needed, including time, education, convictions, and affiliation. Since the conditions are distributed very differently, anarchists want to accompany, motivate and orient social movements. They form a kind of „convoyer-garde“, take initiative, but also try to stimulate this in others.
Power relations and their alternatives
State / Federation of Decentralized Autonomous Communities
In the state, the political relationship of domination is condensed, which in modernity is connected with the nation as a constructed community of coercion. It functions according to the principles of authoritarianism, centralization and hierarchization and extends these into all areas of society. Thus, at the same time, the state is held together as a collection of different institutions that monopolize the political and assign it to themselves. Although at its core the state is based on naked force and direct subjugation, it also assumes different functions of caring, redistributing, and organizing public infrastructure. As a result, it is hard for many to imagine that we would live better without the state.
As a counter-model, many anarchists strive for a federation of decentralized autonomous communes. This is closely related to the council democracy. Instead of a caste of professional politicians, committed people are assigned tasks in their respective communities. The exercise of these mandates is controlled and rotated. This model is not a constructed ideal, but results from the reality of parallel structures that exist everywhere. If this model is implemented on a larger scale, mechanisms must be created to ensure that power is not continuously distributed so that it does not take on state characteristics again.
Capitalism / decentralized socialism
Capitalism is an economic relationship of domination based on private property, the appropriation of common property, and the voluntary compulsion of wage labor. Capitalism necessarily entails a class society that is self-defeating without state compensation, such as the principle of profit maximization. Because it has created incredible wealth through exploitation of labor and nature, it has also succeeded in pacifying large sections of the workingclass. Its consequences are anything but social, sustainable, or effective, but capitalism has the ability to flexibly adapt and incorporate resistance to it.
In contrast, many anarchists strive for decentralized socialism. As statist capitalism, this has elements of a planned economy, but leaves it up to individual actors to decide how to respond to requests for the production or distribution of goods. Furthermore, decentralized socialism is based on different cooperatives in which people organize their needs for food, clothing, housing, education and culture collectively and locally. In any case, the technical conditions for such an organization of the economy are given. The individual disposal of goods will be less. For it the basic security is ensured, there is substantially more time for everybody order the possibilities after meaningful activities are substantially higher, whereby strenuous and load-carrying work is particularly appreciated.
Patriarchy / egalitarian gender relations
Domination is also reflected in unequal gender relations, and patriarchy has existed in various forms for many millennia and has been enforced worldwide. It involves the privileging of healthy hetero cis men over all people in other positions. A supposed natural superiority is claimed to legitimize it. The fact that patriarchy is an essential relationship of domination can also be seen in the brutal culture war waged by right-wing actors against emancipatory efforts. In part, this succeeds in dividing the category of women from people with other gender identities.
Instead, anarchists advocate for the equal treatment of all people, regardless of gender or desire. This means implementing material concerns such as equal pay and equal labor rights for women, as well as a genuine appreciation and equal distribution of care work and reproductive activities that are pejoratively feminized. Further, there is a need to provide special support to those in minority positions. The construction of gender identity in general is linked to the modern form of society, which categorizes people and in which they have to define themselves. This in itself is problematic, which is why the social construction of gender as such must be problematized.
white supremacy / mutual respect
The emergence of the modern nation-state, like that of capitalism, is linked to racial discrimination and oppression, which, like patriarchy, presses people of different origins and different appearances into categories, ascribes characteristics to them and arranges them in a hierarchy. In the modern era, the enslavement of black people formed one of the economic foundations of capitalist exploitation, which was then transferred to the wage labor relationship. Racism manifests itself in global economic dependencies, poor working conditions, low educational access, ethnic segregation and police violence.
Anarchists want to overcome white supremacy as a social relationship of domination that produces and perpetuates racism. The struggle against it is to be carried out on different levels and also includes the reflection of one’s own racist prejudices and behaviors. All people, regardless of their origin, appearance and language, should be accorded the same respect.
Domination of nature / convivial relationship with nature
Man’s domination over nature is many thousands of years old, but has increased massively in modern forms of society. Humans place themselves in the center of the cosmos, subordinate all other living beings to them and exploit them for their own purposes. To make this possible, first an artificial separation of „nature“ and „culture“ is drawn, which is nonsensical, because everything what humans build is processed nature, as they themselves are. Therefore, with the domination of nature, the possibilities of a good life for all people are ultimately undermined.
Anarchists do not want to „return to nature“, because this is a projection, but a breaking with the independent technocracy and the anthropocentric worldview. It is necessary to expand a convivial, i.e. reciprocal, social relationship with nature and to fundamentally transform production. Furthermore, a decentering of the human being is needed in order to experience him, contrary to the state of his alienation, in interaction with the world and other living beings.