„Tag X“-Einsatz: Polizeipräsident räumt Handlungsbedarf ein

Der „Tag X“ nach dem Urteil gegen die Linksextremistin Lina E. hat Leipzig in einen Ausnahmezustand versetzt. Am Polizeieinsatz wurde viel Kritik laut. Der Polizeipräsident bemüht sich um Transparenz.

Der Leipziger Polizeipräsident René Demmler stuft den massiven Einsatz am linksradikalen „Tag X“ im Rückblick als rechtmäßig ein, sieht aber auch Handlungsbedarf. Es sei ein großes Problem gewesen, dass die Polizei die Zahl der Menschen erheblich unterschätzt habe, die am 3. Juni viele Stunden lang in einem Kessel festgesetzt worden waren, sagte Demmler.

Auch die Kommunikation mit den Eingeschlossenen habe nicht funktioniert. Die Polizei hat das Geschehen rund um den „Tag X“ minutiös aufgearbeitet, Demmler stellte die Ergebnisse am Donnerstag im Innenausschuss des sächsischen Landtags vor.

„Wir sind nach wie vor der Meinung, dass das alles rechtmäßig ist“, sagte Demmler. An dem Einsatz mit mehr als 3000 Beamtinnen und Beamten war im Nachhinein viel kritisiert worden. Vor allem der Kessel, in dem 1043 Menschen teilweise bis zum Morgengrauen festgehalten worden waren, stand dabei im Fokus. Es wurden Vorwürfe erhoben, dass die Betroffenen schlecht versorgt wurden und dass sich auch 87 Jugendliche und zwei 13-jährige Kinder in dem Areal befanden. Die Polizei stellte von jedem Einzelnen die Identität fest. Es habe der Anfangsverdacht des schweren Landfriedensbruchs bestanden.

Staatsanwalt vermummt auf „Tag X“-Demos in Leipzig im Einsatz

Knapp drei Wochen nach den Demonstrationen hat zudem ein Staatsanwalt öffentliche Aufmerksamkeit erregt, weil er während der Ausschreitungen vermummt im Einsatz war. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Leipzig sagte am Donnerstag, sein Kollege sei im Einsatz gewesen, um über Maßnahmen für festgesetzte Demonstrierende zu entscheiden. Er sei vermummt vor Ort gewesen und dabei von einer ebenfalls vermummten Kriminalbeamtin begleitet worden, nachdem die Demonstration offiziell durch die Polizei beendet worden sei.

Der Staatsanwalt habe sich „persönlich dazu entschieden, die Vermummung zu tragen“, sagte sein Kollege. Dabei sei es um seinen eigenen Schutz gegangen. Medienberichten zufolge war der Staatsanwalt in der Vergangenheit bedroht worden. Während der Demonstration am sogenannten „Tag X“ im Süden Leipzigs hatte die Polizei die Demonstrierenden dazu aufgerufen, ihre Vermummungen abzulegen. Zuvor hatten mehrere Medien berichtet.

1000 statt 300 bis 400 Menschen: Polizei gibt Probleme bei Umschließung der „Tag X“-Demo zu

„Ein Riesenproblem hatten wir beim Bestimmen der Personenanzahl in der Umschließung“, sagte Polizeipräsident Demmler. Dass sich dort mehr als 1000 statt wie angenommen 300 bis 400 Menschen aufhielten, sei lange nicht klar gewesen. „Wir haben es bis zuletzt nicht gewusst, bis der Letzte raus war“, sagte Demmler. Der Kessel befand sich in einem kleinen Park, unter Bäumen und zwischen Gebüschen. Hätte man die tatsächliche Größenordnung erkannt, dann hätte man sich für eine verkürzte Identitätsfeststellung entschieden. Die Frage, wie man besser zählen und schätzen könne, sei aber schwierig zu beantworten.

Auch die Kommunikation mit den Menschen im Kessel habe nicht geklappt. Das räume er „unumwunden“ ein, sagte Demmler. „Eine klare und nachvollziehbare Kommunikation der Polizei ist in dem Bereich nicht gelungen.“ Hier gebe es Handlungsbedarf. Der Polizeichef wies allerdings auch darauf hin, dass die Eingeschlossenen nicht kooperativ waren. „Es wollte niemand mit uns reden.“

Kritik an der Versorgung weist die Polizei von sich

Zur Kritik an der Versorgung sagte Demmler, dass sowohl ein Anhänger mit 1000 Liter Trinkwasser als auch ein Toilettenwagen bereitstanden – allerdings außerhalb des Kessels. Auch Decken und Nahrung seien vorhanden gewesen. Letztlich hätten jedoch Demosanitäter die Versorgung der Menschen übernommen. Dafür bedanke er sich, sagte Demmler. Die Polizeiführung habe entschieden, die Sanitäter agieren zu lassen, allerdings auch das nicht klar kommuniziert.

Der Polizeieinsatz zum „Tag X“ hatte am 31. Mai mit dem Urteil gegen die Linksextremistin Lina E. begonnen. An dem Mittwoch sowie am Freitag und am Samstag kam es jeweils zu Ausschreitungen in Leipzig. Polizisten wurden mit Steinen, Böllern und Flaschen beworfen, am Samstag vor Beginn der Einkesselung war auch ein Molotow-Cocktail geworfen worden.

Der „Tag X“ sollte eine Reaktion der linken Szene auf das Lina-E.-Urteil sein. Die eigentliche Demo war von der Stadt Leipzig verboten worden, zwei Verwaltungsgerichte und das Bundesverfassungsgericht hatten das Verbot bestätigt.


Berliner Zeitung

Der „Tag X“ nach dem Urteil gegen die Linksextremistin Lina E. hat Leipzig in einen Ausnahmezustand versetzt. Am Polizeieinsatz wurde viel Kritik laut.

Leipzig-Der Leipziger Polizeipräsident René Demmler stuft den massiven Einsatz am linksradikalen „Tag X“ im Rückblick als rechtmäßig ein, sieht aber auch Handlungsbedarf. Es sei ein großes Problem gewesen, dass die Polizei die Zahl der Menschen erheblich unterschätzt habe, die am 3. Juni viele Stunden lang in einem Kessel festgesetzt worden waren, sagte Demmler.

Auch die Kommunikation mit den Eingeschlossenen habe nicht funktioniert. Die Polizei hat das Geschehen rund um den „Tag X“ minutiös aufgearbeitet, Demmler stellte die Ergebnisse am Donnerstag im Innenausschuss des sächsischen Landtags vor.

Mehr als 3000 Polizistinnen und Polizisten im Einsatz

„Wir sind nach wie vor der Meinung, dass das alles rechtmäßig ist“, sagte Demmler. An dem Einsatz mit mehr als 3000 Beamtinnen und Beamten war im Nachhinein viel kritisiert worden. Vor allem der Kessel, in dem 1043 Menschen teilweise bis zum Morgengrauen festgehalten worden waren, stand dabei im Fokus. Es wurden Vorwürfe erhoben, dass die Betroffenen schlecht versorgt wurden und dass sich auch 87 Jugendliche und zwei 13-jährige Kinder in dem Areal befanden. Die Polizei stellte von jedem Einzelnen die Identität fest. Es habe der Anfangsverdacht des schweren Landfriedensbruchs bestanden.

„Ein Riesenproblem hatten wir beim Bestimmen der Personenanzahl in der Umschließung“, sagte der Polizeipräsident. Dass sich dort mehr als 1000 statt wie angenommen 300 bis 400 Menschen aufhielten, sei lange nicht klar gewesen. „Wir haben es bis zuletzt nicht gewusst, bis der Letzte raus war“, sagte Demmler. Der Kessel befand sich in einem kleinen Park, unter Bäumen und zwischen Gebüschen. Hätte man die tatsächliche Größenordnung erkannt, dann hätte man sich für eine verkürzte Identitätsfeststellung entschieden. Die Frage, wie man besser zählen und schätzen könne, sei aber schwierig zu beantworten.

Polizeichef: „Es wollte niemand mit uns reden“

Auch die Kommunikation mit den Menschen im Kessel habe nicht geklappt. Das räume er „unumwunden“ ein, sagte Demmler. „Eine klare und nachvollziehbare Kommunikation der Polizei ist in dem Bereich nicht gelungen.“ Hier gebe es Handlungsbedarf. Der Polizeichef wies allerdings auch darauf hin, dass die Eingeschlossenen nicht kooperativ waren. „Es wollte niemand mit uns reden.“

Zur Kritik an der Versorgung sagte Demmler, dass sowohl ein Anhänger mit 1000 Liter Trinkwasser als auch ein Toilettenwagen bereitstanden – allerdings außerhalb des Kessels. Auch Decken und Nahrung seien vorhanden gewesen. Letztlich hätten jedoch Demosanitäter die Versorgung der Menschen übernommen. Dafür bedanke er sich, sagte Demmler. Die Polizeiführung habe entschieden, die Sanitäter agieren zu lassen, allerdings auch das nicht klar kommuniziert.

Die Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz (Linke) zeigte sich im Anschluss an die Ausschusssitzung positiv überrascht, dass die Polizei bei einigen Aspekten Fehler einräumte. Es blieben aber noch immer Fragen offen, deren Beantwortung nun auf schriftlichem Wege erfolgen soll, sagte Köditz der Deutschen Presse-Agentur.

„Es ist wichtig, solche Einsätze parlamentarisch aufzuarbeiten. Wenn Unbeteiligte in so großer Anzahl durch polizeiliche Maßnahmen gegen eine viel kleinere Gruppe betroffen sind, muss man schon die Frage stellen dürfen, ob die Einsatzstrategie die richtige war“, erklärte Albrecht Pallas (SPD). Es seien massive Grundrechtsverletzungen geschehen: „Mein Eindruck bleibt, dass zu sehr eskaliert wurde.“

Kritik an Einkesselung

Grünen-Politiker Valentin Lippmann sah sich nachher in seiner Auffassung bestätigt, dass die Einkesselung der Demonstranten unverhältnismäßig war. „Es ist weiterhin davon auszugehen, dass sich eine große Zahl von Menschen im Kessel befand, die zu keiner Zeit tatverdächtig waren.“ Man erwarte eine weitere Aufarbeitung des Einsatzes, Erkenntnisse müssten in die künftige Arbeit einfließen.

Anders fiel das Urteil der CDU aus. Sie sprach von einer „starken Leistung der Polizei“. „Versammlungsbehörde und Polizei haben bestmöglich dafür gesorgt, dass Leipzig am ‚Tag X‘ sicher blieb (…). Die ergriffenen Maßnahmen waren notwendig“, betonte CDU- Innenexperte Ronny Wähner. Die Umschließung habe sich konkret gegen eine Gruppe gerichtet, aus der heraus Gewalttaten begangen wurden. Unbeteiligte seien zuvor mehrfach aufgefordert, sich zu entfernen. „Dass die Polizei dann die Personalien potenzieller Straftäter aufnimmt, erwarten wir von ihr.“

Ausschreitungen in Leipzig nach Urteil

Der Polizeieinsatz zum „Tag X“ hatte am 31. Mai mit dem Urteil gegen die Linksextremistin Lina E. begonnen. An dem Mittwoch sowie am Freitag und am Samstag kam es jeweils zu Ausschreitungen in Leipzig. Polizisten wurden mit Steinen, Böllern und Flaschen beworfen, am Samstag vor Beginn der Einkesselung war auch ein Molotow-Cocktail aus den Reihen der Demonstranten geworfen worden. Die Staatsanwaltschaft sieht darin ein versuchtes Tötungsdelikt, sie ermittelt wegen versuchten Mordes gegen eine noch unbekannte Person, wie ein Sprecher sagte.

Der „Tag X“ sollte eine Reaktion der linken Szene auf das Lina-E.-Urteil sein. Die eigentliche Demo war von der Stadt Leipzig verboten worden, zwei Verwaltungsgerichte und das Bundesverfassungsgericht hatten das Verbot bestätigt