Geflüchtete in Sachsen: Bitte nicht bei uns

 

Eigentlich würde Maria Euchler lieber über andere Dinge sprechen. Die bekannte Ritterburg aus dem 14. Jahrhundert zum Beispiel oder die Papierfabrik, ein wirtschaftliches Vorzeigeobjekt. „Das ist eine wirklich schöne Ecke hier“, sagt die Bürgermeisterin der mittelsächsischen Gemeinde Kriebstein, zu der auch das Dorf Kriebethal gehört. „Ich möchte nicht, dass wir als brauner Fleck wahrgenommen werden.“

Doch gerade macht das Dorf Kriebethal mit seinen 600 Einwohnern nicht wegen seiner Schönheit Schlagzeilen. Gerade geht es hier um Wut und Widerwillen. Es geht um einen erbitterten Streit wegen zwölf junger Geflüchteter, die in einem ehemaligen Pflegeheim im Ort wohnen sollen. Es geht um Kinder und Jugendliche, die im Dorf abgelehnt werden, noch bevor sie überhaupt angekommen sind. Und Euchler kommt dabei die Aufgabe zu, zwischen der Wut ihrer Bürger und der Fassungslosigkeit der Außenwelt zu balancieren.

Der Landkreis Mittelsachsen muss, wie alle Regionen in Deutschland, Geflüchtete unterbringen. Die Suche nach Unterkünften ist überall kompliziert und aufwendig, in etlichen Orten Sachsens aber machen Proteste die Sache noch schwieriger. Seit einer Weile wird wieder vor geplanten Heimen demonstriert, in Bautzen erregte der CDU-Landrat Udo Witschas kurz vor Weihnachten Aufsehen mit einem Video, in dem er davon sprach, Geflüchtete weder in Turnhallen noch in Wohnungen in Mehrfamilienhäusern unterbringen zu wollen, weil sie „unsere Kultur nicht kennen“ und den sozialen Frieden gefährden würden.
In diesem Haus des Deutschen Roten Kreuzes sollen die Jugendlichen untergebracht werden. © Thomas Victor für ZEIT ONLINE

In Kriebethal waren in den vergangenen Jahren keine Geflüchteten untergebracht. Das liegt auch an der kargen ländlichen Infrastruktur: Im Ort gibt es keinen Laden mehr, der Bus fährt nur ein paarmal am Tag. Im Frühjahr 2022 kamen das erste Mal sechs Menschen aus der Ukraine nach Kriebethal, die privat aufgenommen wurden. Probleme sind nicht bekannt. Ende 2022 machte dann im Dorf die Nachricht die Runde, dass Menschen aus Syrien und Afghanistan kommen sollten. Darauf hatten sich der Landkreis und das Deutsche Rote Kreuz geeinigt, das im Ort ein ehemaliges Pflegeheim besitzt. Seit der Plan öffentlich ist, hat sich in Kriebethal ein Widerstandsbündnis gegen die Aufnahme der Jugendlichen gebildet.

Im Dorf liegt alles eng beieinander. Das ehemalige Pflegeheim ist klein, nur ein paar Schritte von einer Wohnsiedlung und der Gemeindeverwaltung entfernt. In der oberen Etage ist eine Kurzzeitpflege eingemietet; in der unteren Etage sollen, abgetrennt von den anderen Räumen, die Geflüchteten wohnen. Noch im Januar sollen sie nach Kriebethal kommen. Vorgesehen sind zehn, maximal zwölf Plätze für Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 17 Jahren. Im Behördendeutsch heißen sie umA, unbegleitete minderjährige Ausländer. Es geht um eine sogenannte Inobhutnahme für einige Wochen oder Monate, bis eine dauerhafte Unterbringung in einem Wohnprojekt oder bei Pflegeeltern gefunden ist. Im Heim sollen sie rund um die Uhr von Betreuern versorgt werden, zwei sollen tagsüber da sein, einer nachts. Kurz vor Weihnachten gab es zu all dem eine Informationsveranstaltung, viele Anwohner waren da. Doch die Ablehnung blieb.