Erinnerung – Gedenkweg soll zu Spuren der KZ-Gewalt im Flößberger Wald führen

Dieser Gedenkweg wäre ganz im Sinne von Manny Drukier: Als 16-Jähriger musste der junge Pole 1945 im KZ bei Flößberg Panzerfäuste bauen. Er überlebte das Grauen, mehrere Hundert nicht.

Frohburg/Flößberg. Mit einem Lehrpfad will die Geschichtswerkstatt Flößberg an das KZ-Außenlager Flößberg erinnern. „Er soll den Ort der Verbrechen, die im Großen Fürstenholz geschahen, entlang vorhandener Spuren erfahrbar machen“, sagt Katrin Henzel, 2. Vorsitzende und Sprecherin des Vereins, der sich seit vielen Jahren gegen das Vergessen engagiert. Hunderte jüdischer Häftlinge, vor allem des Konzentrationslagers Buchenwald, mussten hier in den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges unter unmenschlichen Bedingungen Rüstungsgüter produzieren. An die mehreren Hundert, die dabei ihr Leben verloren, erinnert ein Häftlingsfriedhof im Wald.

Drukier litt als 16-Jähriger in Flößberg

„Mit Manny Drukier starb 2022 der vielleicht letzte Überlebende des KZ-Außenlagers Flößberg. Mit dem Verstummen des Zeitzeugen braucht es neue Wege des Erinnerns an den Holocaust“, so Henzel. Drukier, ein Pole, war als 16-Jähriger in das Lager verschleppt worden. Sein Vater starb. Er selbst überlebte die Torturen, wanderte nach Kanada aus. Im hohen Alter kam er 2017 wieder nach Flößberg, traf sich mit Heranwachsenden, um über seine Leidenszeit zu sprechen. Der geplante Weg soll den Ort des Verbrechens erfahrbar machen. „Spuren gibt es auf dem ehemaligen Lagergelände. Sie liegen abseits befestigter Waldwege“, sagt Henze. Sichtbar seien etwa Erdwälle, die von Häftlingen unter schwierigsten Bedingungen errichtet wurden. Sie umgaben Baracken, in denen Panzerfäuste montiert werden sollten. Über geschotterte Gleisbetten führte einst ein lagerinternes Schienennetz. Reste von Fundamenten liegen oft verdeckt unter der Grasnarbe.

Gedenkweg verbindet Lagerspuren

„Unser Verein verfolgt seit Längerem das Ziel, die zentralen Punkte des ehemaligen Lagers zu verbinden. Mit Hilfe eines Geschichtslehrpfades soll das ehemalige Lager für interessierte Besucherinnen und Besucher besser erfahrbar gemacht werden“, sagt die Sprecherin. Man freue sich, dass die Frohburger SPD-Bundestagsabgeordnete Franziska Maschek das Vorhaben unterstütze. Gemeinsam mit dem Förderverein Gedenkstätte Flößberg legte der Verein einige Abschnitte des geplanten Pfades frei, ehe Corona die Arbeiten zum Erliegen brachte. 2023 soll ein erneuter Anlauf dafür genommen werden. Dazu braucht es viele freiwillige Hände, aber auch politische Unterstützung.“ Das entspräche dem Wunsch von Manny Drukier. Er hatte auf die Frage, was er sich für die Zukunft wünschte, Schülern gesagt: Erinnert an uns.


25.01.2022 LVZ

Gedenken im Fürstenholz – Holocaust: Manny Drukier – letzter Überlebender vom KZ-Außenlager Flößberg stirbt

Als 16-Jähriger musste Manny Drukier 1945 im Flößberger Wald (Stadt Frohburg) Panzerfäuste herstellen für den Krieg. Der junge Pole überlebte das KZ-Außenlager. Nun ist der letzte Insasse gestorben. Es bleiben aufgezeichnete Erinnerungen.

Frohburg/Flößberg. Zu einer Gedenkstunde auf dem Häftlingsfriedhof des KZ-Außenlagers Flößberg anlässlich des Holocaust-Gedenktages trafen sich am Sonntagnachmittag 38 Menschen. Eingeladen hatte der Förderverein Gedenkstätte Flößberg. Unter den Besuchern waren Landrat Henry Graichen (CDU) und die SPD-Bundestagsabgeordnete Franziska Mascheck.

Häftlingsfriedhof erinnert an die Opfer

Tina Höhle, Halina Jordan und Torsten Wünsche vom Förderverein erinnerten an das Leiden derer, die hier im Fürstenholz kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges für die Leipziger Firma Hugo Schneider AG Panzerfäuste produzieren mussten. Von den insgesamt 1900 Inhaftierten fanden nachweislich 235 im Lager den Tod. Mindestens noch einmal so viele Opfer forderte die Evakuierung nach Mauthausen in Österreich.

„Wir stehen hier auf einem Friedhof, auf dem 38 Opfer dieses Lagers nach der Exhumierung aus einem Massengrab beerdigt worden sind“, sagt Wünsche. Der Schwesterverein Geschichtswerkstatt Flößberg habe dafür gesorgt, dass aus den 235 Toten dieses Lagers 235 Namen wurden, die an der Gedenktafel in Stein gehauen sind.

Manny Drukier trifft sich 2017 mit Schülern

Zu denen, die das Lager durchlitten und überlebten, zählte Manny Drukier. Vor 77 Jahren hieß Manny, ein gebürtiger Pole, noch Moniek Drukier. Da war er 16 Jahre alt. Sein Vater war 44, er starb an Hunger, Kälte und Entkräftung während des Evakuierungstransports.

Im Herbst 2017 besuchte der Sohn die Gedenkstätte bei Flößberg. „Er traf Schüler unserer Region, um ihnen aus erster Hand zu erzählen, was 77 Jahren hier in Flößberg passiert ist“, so Wünsche. „Die Schüler, die das Glück hatten, Manny zu erleben, hatten natürlich bereits im Geschichtsunterricht die Judenverfolgung besprochen. Sie kannten bereits die Jahreszahlen und Statistiken – aber erst bei der Begegnung mit Manny entstand eine persönliche Relevanz.“

Drukier, der mutmaßlich letzte Überlebende des Lagers Flößberg, ist Anfang Januar 92-jährig in Kanada gestorben. Die Zeitung „Toronto Star“ schreibt in einem Nachruf über den vierfachen Vater, siebenfachen Großvater und zweifachen Urgroßvater: „Er war ein erfolgreicher, autodidaktischer Unternehmer mit breit gefächerten Geschäftsinteressen, darunter der Verkauf und die Herstellung von Möbeln.

Seine ersten Erfahrungen im Verlagswesen machte er 1984 mit der Zeitschrift ‚La Carte‘, und er wurde zu einem engagierten Förderer der Literatur- und Kunstszene Torontos. Außerdem gab er von 1986 bis 1989 die Zeitschrift ‚The Idler‘ heraus und betrieb 15 Jahre lang den Idler-Pub (‚die einzige zivilisierte Bar in Toronto‘), eine lokale Kunst- und Literaturinstitution, um seinem großen Kreis von Künstlern, Schriftstellern, Lesern und Anhängern einen Ort der Begegnung zu bieten.“

16-Jähriger beschreibt die Qualen des Lagers

Wie Drukier seine Zeit als Jugendlicher im Lager reflektierte, trug Halina Jordan vor: „Anfang März 1945 erreichten wir Flößberg. Der Zug hielt auf einem Seitengleis in einem jungen Nadelwald. In Viererreihen marschierten wir zum Lager. Die neuen Wachmänner waren nicht viele, einige ziemlich jung, manche viel älter. Ihr Kommandeur war ein älterer Mann, groß, verkniffen, er sprach laut und schwang eine Reitpeitsche. Er lief neben uns her und forderte uns auf, unsere Köpfe hochzuhalten: ‚Köppe hoch, zack, zack!‘ (…)

Wir wurden ausgesucht, um in einem Zwölferteam schwere Eisenbahnschwellen zu einem Nebengleis zu bringen, das gerade gebaut wurde. Das war vielleicht die schwerste aller möglichen Arbeiten. (…) Den ganzen Tag hatte keiner von uns irgendetwas gegessen, und schon nachmittags konnten wir uns kaum noch bewegen. (…) Die Läuse, der Dreck, die Arbeit und das spärliche Essen forderten ihren Zoll. Täglich landeten arbeitsunfähige Männer im Lazarett. Keiner kehrte zur Arbeit zurück.“

Von Ekkehard Schulreich


19.01.2022 LVZ

Am 23. Januar Flößberg: Gedenken auf dem Häftlingsfriedhof

Der Holocaust-Gedenktag ist Jahr für Jahr Menschen Anlass, sich der in einem KZ-Außenlager nahe Flößberg Getöteten zu erinnern. Das Gedenken findet diesmal am 23. Januar statt.

Frohburg/Flößberg. Die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz jährt sich am 27. Januar zum 77. Mal. Dieser Tag ist als Holocaust-Gedenktag weltweit Anlass für Erinnerungsveranstaltungen und Schweigeminuten. Der Förderverein Gedenkstätte Flößberg führt bereits am Wochenende zuvor, am 23. Januar ab 15 Uhr, eine Gedenkstunde auf dem Häftlingsfriedhof des KZ-Außenlagers Flößberg im Großen Fürstenholz in der Nähe des Frohburger Ortsteiles durch. Er lädt die Bürger der Region ein, daran teilzunehmen.

Fußmarsch zum Häftlingsfriedhof

Der Ende 2014 völlig neu gestaltete Häftlingsfriedhof ist in rund 25 Minuten fußläufig erreichbar von der zwischen Beucha und Flößberg gelegenen Waldsiedlung aus. Der Weg ist beschildert. Eine Wegeskizze ist online verfügbar unter der Adresse http://bit.ly/KZ-Friedhof. Es ist Brauch, als Mann auf einem jüdischen Friedhof eine Kopfbedeckung zu tragen. Für den Fall, dass ein Mindestabstand von 1,50 Meter zwischen den Besuchern unterschritten wird, bitten die Veranstalter, einen medizinischen Mund-Nasen-Schutz mitzuführen.

Zwangsarbeit im Außenlager Flößberg

Zwischen Dezember 1944 und April 1945 wurde im Fürstenholz ein Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald betrieben. Insgesamt wurden hier rund 1900 Menschen zur Zwangsarbeit gezwungen. Eingebunden waren sie in die Herstellung von Panzerfäusten für die Wehrmacht. 38 der 235 Lagertoten sind auf dem Häftlingsfriedhof begraben.