Rechte Kampfsportgruppe. „Bullenschwein“: Diese Gruppe machte Jagd auf Polizisten

https://www.t-online.de/nachrichten/panorama/justiz/id_100089446/neonazi-gruppe-knockout-51-und-die-polizei-jagd-auf-bullenschweine-.html

Sie bedrohten Polizisten und planten in Eisenach einen „Nazi-Kiez“. Dokumente zeigen, wie straff organisiert und brutal eine rechtsextreme Kampfsportgruppe war.

Es ist der Abend des 4. Februar 2022, als sich zwei Männer auf den Weg machen zu einem Eisenacher Garagenhof. Ihre Haare sind kurz, sie sind durchtrainiert und im Faustkampf erfahren. Eric K. und sein Freund sind stadtbekannte Rechtsextreme. In dem Garagenhof findet eine Party statt, unter den Gästen ist ein junger Polizist – privat. Das wissen Eric K. und sein Freund, auf ihn haben sie es abgesehen. Auf das „Bullenschwein“, wie sie ihn nennen.

Abgepasst im Garagenhof

Im Garagenhof gehen sie gezielt auf den Polizisten zu, schubsen ihn aus der Garage. Eric K. schlägt ihm fünfmal kräftig ins Gesicht, bricht ihm den Kieferknochen, das Jochbein und die Augenhöhle. Im Weglaufen sieht der Polizist noch, wie Eric K. ein Messer zückt, ihm hinterherruft, er werde ihn finden und dafür sorgen, dass er wegziehe. Nur mit einer Leiter kann der Polizist über einen Zaun fliehen.

Sollte sich die Darstellung des Generalbundesanwalts bestätigen, dann hat sich diese Jagd auf einen Polizisten in Eisenach so abgespielt. Bekannt wurde sie jetzt durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Denn Eric K. ist angeblich Mitglied einer rechtsextremen Kampfsportgruppe aus Eisenach, die Verbindungen zu einer mutmaßlich internationalen Terrorgruppe haben soll, der „Atomwaffendivision Deutschland“. Seit April sitzt K. in Untersuchungshaft.

Polizei Hauptfeind der Gruppe

Das höchste deutsche Gericht hat die Untersuchungshaft für ihn und drei weitere Verdächtige Anfang November verlängert. Aus der Entscheidung gehen Details über Strukturen und weitere mutmaßliche Taten der Kampfsportgruppe hervor. Demnach zählten Polizeibeamte offenbar zu den Hauptfeinden der Gruppe. Einige dieser Taten waren ursprünglich der linken Szene zugeordnet worden.

Kampfsportübung von Knockout 51
Kampfsportveranstaltung „Kampf der Nibelungen“. Quelle: AGST

Im Februar 2021 etwa beschwerte sich die Mutter eines anderen Mitglieds der Gruppe bei ihrem Sohn, Leon R., über linke Jugendliche, die in einer Halle in der Nähe ihrer Wohnung randaliert hatten. Auch Leon R. sitzt inzwischen in Untersuchungshaft. Er trommelte den Gerichtsunterlagen zufolge damals weitere Mitglieder von „Knockout 51“, wie sich die Kampfsportgruppe nannte, zusammen und fuhr mit ihnen zu der Halle. Dort verprügelten sie die Jugendlichen. Mindestens einer soll laut Bundesgerichtshof (https://www.t-online.de/themen/bgh/) bewusstlos zu Boden gegangen sein und mehrere Knochenbrüche erlitten haben.

„Knockout 51“ bei Demos gegen Corona-Maßnahmen

Bekannt wurde nun auch, dass sich die Mitglieder von „Knockout 51“ wohl regelmäßig auf Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung (https://www.t-online.de/themen/bundesregierung/) getroffen haben. Dort sollen sie gezielt Auseinandersetzungen mit der Polizei (https://www.t-online.de/themen/polizei/) gesucht haben. Im November 2020 schmiss etwa Bastian A. bei einer Demo in Leipzig (https://www.t-online.de/region/leipzig/) mutmaßlich Glasflaschen auf Polizisten und verletzte eine andere Person am Kopf. t-online berichtete damals, dass bundesweit bekannte Neonazis für die „Querdenker“ den Weg frei prügelten. (https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_88904640/demo-in-leipzig-neonazis-machten-fuer-querdenken-die-drecksarbeit-.html)

„Knockout 51“ war laut Bundesgerichtshof kein loser Verbund von Mitgliedern, sondern eine Gruppe mit strengen Regeln, die Mitglieder länger binden wollte. Diese trafen sich regelmäßig in einer Halle in Eisenach, um zu trainieren. Anwärter mussten mindestens 80 Kilogramm wiegen und sich über ein halbes Jahr bewähren, heißt es in den Gerichtsunterlagen – gezielte Angriffe auf Polizisten sollen dabei hilfreich gewesen sein. Erst danach bekamen sie Kleidung mit dem Schriftzug „Knockout 51“, die sie als Mitglieder auswies.

Selbstinszenierung von Knockout 51 vor ihrem Trainingsort, der NPD-Zentrale in Eisenach
Selbstinszenierung von „Knockout 51“ vor ihrem Trainingsort, der NPD-Zentrale in Eisenach. Quelle: AGST (Quelle: Antifaschistische Gruppen Südthüringen)

Straffe Organisationsstrukturen

Der Mitgliedsbeitrag betrug angeblich 20 Euro (https://www.t-online.de/finanzen/boerse/waehrung/eur-usd/eu0009652759/) pro Monat. Das alles erinnert an kriminelle Rockergruppierungen – nur ohne Motorräder. Laut Bundesgerichtshof wollten die „Knockout 51“-Mitglieder einen „Nazi-Kiez“ in Eisenach aufbauen. Die Stadt gilt schon lange als ein Hotspot für Rechtsextreme.

Leon R. soll Rädelsführer von „Knockout 51“ gewesen sein. Ihm wird vorgeworfen, zudem in einer internationalen Terrorgruppe aktiv gewesen zu sein, der sogenannten „Atomwaffendivision“. t-online identifizierte ihn lange vor den Ermittlungserfolgen als mutmaßlich Beteiligten. (https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_86790692/neonazi-forum-spuren-zur-atomwaffen-division-fuehren-nach-thueringen.html) Auch über das Verfahren des Generalbundesanwalts berichtete t-online exklusiv. (https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_91967398/bundesweite-razzien-gegen-neonazi-netzwerk-atomwaffen-division-vier-festnahmen.html)

Verbindung zur „Atomwaffendivision“

Die „Atomwaffendivision“ (AWD) hat ihren Ursprung in den USA und wurde dort 2015 von internetaffinen jungen Rassisten gegründet. Inzwischen werfen US-Behörden AWD-Anhängern fünf Morde vor. 2018 etablierten Rechtsextremisten einen AWD-Ableger in Deutschland. Leon R. soll Teil davon gewesen sein, Flugblätter verteilt und die Gruppe organisiert haben. Und noch mehr.

In dem Neonaziforum „Ironmarch“ registrierte sich im April 2017 ein User, der die Namen „antidemokrat“ und „subcprsk“ verwendete und schrieb, „Deutschland“ sei seine Religion, „Hitler“ sein Prophet. Dieser User stand wohl in Verbindung mit der „Atomwaffendivision“ und war sehr interessiert an deren Aktivitäten – unter anderem daran, Propagandavideos für die „Atomwaffendivision“ zu erstellen.

Persönliche Nachrichten von Leon R., die durch ein Leak öffentlich wurden, nährten den Verdacht, er könnte hinter dem Benutzernamen „antidemokrat“ stecken. Dazu passte auch, dass das deutsche Propagandavideo der Gruppe laut Recherchen von t-online Aufnahmen einer Neonazigruppe enthielt, für die R. nach eigenen Angaben ebenfalls Videos produzierte. (https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_83032114/deutsche-neonazis-in-kontakt-mit-britischer-terrorgruppe.html)

Handys wurden überwacht

Möglicherweise wurde die Bundesanwaltschaft über diese Verbindung auf Leon R. und seine Aktivitäten in der Kampfsportgruppe „Knockout 51“ aufmerksam. Am Anfang stand ein Hinweis des Verfassungsschutzes. Aus der Entscheidung des BGH geht jetzt aber hervor, dass Leon R. abgehört wurde. „Der dringende Tatverdacht beruht wesentlich auf Erkenntnissen aus Telekommunikations- und Pkw-Innenraumüberwachungen und auf gesicherten Chatnachrichten“, schreiben die Richter. Diese waren offenbar auch Anlass für eine Razzia in elf Bundesländern im April dieses Jahres, bei der vier Verdächtige festgenommen wurden – unter ihnen Leon R., Eric K. und Bastian A.

  • Brief an Außenministerium: „Atomwaffendivision“ im Visier des US-Außenministeriums
  • Nach Drohungen mit Mord und Terror: Bundesanwaltschaft ermittelt gegen die „Atomwaffendivision“
  • Ermittlungen gegen „Atomwaffendivision“: „Brauner Sumpf“

Die Untersuchungshaft für alle vier wurde nun bis Anfang Februar verlängert. Es bestehe sonst „Flucht- und Verdunklungsgefahr“. Dann wird noch einmal geprüft, ob sie freikommen oder ob die Bundesanwaltschaft sie anklagt. Sollten sie wegen Gründung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung oder schwerer Körperverletzung verurteilt werden, drohen ihnen Haftstrafen bis zu fünf Jahren.