Flüchtlingshilfe in Chemnitz: Stadt will Mittel dafür streichen

In Chemnitz betreuen Sozialarbeiter aktuell knapp 1460 Asylsuchende – künftig mit rund einer halben Million Euro weniger als bisher. Betroffene Träger warnen vor den Folgen für die Stadt.

Chemnitz bereitet sich auf die Aufnahme weiterer geflüchteter Menschen vor, hieß es Anfang November. Jetzt wird bekannt: Bei deren Betreuung soll gespart werden.

Nach den geplanten Kürzungen bei der Jugendhilfe im Umfang von einer Million Euro ist das die nächste Hiobsbotschaft. Nach jetzigem Stand geht es um eine halbe Million Euro, die die Stadt im kommenden Jahr bei der Flüchtlingssozialarbeit einsparen will. Unterm Strich heißt das: Das Sozialamt plant aus der Finanzierung auszusteigen, denn die Summe entspricht dem kommunalen Anteil der bisher auch mit Landesmitteln co-finanzierten Flüchtlingssozialarbeit. Insgesamt standen dafür laut Stadtverwaltung in diesem Jahr 1,29 Millionen Euro zur Verfügung. Für die betroffenen Träger bedeutet das, die finanzielle Ausstattung für diese Aufgabe wird um ein Drittel bis zur Hälfte gekürzt.

„Unverantwortlich!“ nennt das die Fraktionsgemeinschaft Die Linke/Die Partei. In einer Mitteilung machen deren sozialpolitische Sprecher Carolin Juler und Hans-Joachim Siegel auf die Pläne aufmerksam. Beide warnen vor den Folgen: Circa einem Drittel der Sozialarbeiter müsse gekündigt, Flüchtlinge könnten nicht mehr adäquat betreut werden. Das zuständige Dezernat für Soziales bestätigt auf Anfrage, dass man bei diesem freiwilligen Posten Einsparpotenzial sieht. Dabei verweist der von Bürgermeisterin Dagmar Ruscheinsky geleitet Fachbereich auf „eine hoch angespannte Haushaltslage 2023/24“.

Die Details für den neuen Doppelhaushalt werden inzwischen mit Spannung erwartet. Fest steht: Bereits vor Energiekrise und Inflation war für dieses Jahr mit einem Minus von 20 Millionen Euro im städtischen Haushalt gerechnet worden.

Für Ukraineflüchtlinge stockte die Stadt dieses Jahr noch auf

Zum jetzigen Stand werden in Chemnitz 1459 Personen in der Flüchtlingssozialhilfe betreut – zugewiesen vom Sozialamt und ausgeführt von drei Trägen. Namentlich sind das die Awo Chemnitz, der Verein Agiua und das FSZ Förderzentrum. Insgesamt werden knapp 24 Vollzeitstellen finanziert.

Dieses Jahr beträgt der kommunale Anteil an der Flüchtlingssozialarbeit 560.000 Euro. Allerdings variiert die Summe von Jahr zu Jahr. Wegen der Ukrainekrise sei sie dieses Jahr aufgestockt worden.

Die Aufstockung ausgeklammert rechnet man bei der Awo damit, dass von bisher 5,5 Vollzeitstellen nur 3,25 übrig bleiben. „Im schlimmsten Fall verdoppelt sich der Betreuungsschlüssel“, befürchtet Awo-Mitarbeiterin Tanja Boutschek. Mit bisher 80 Klienten pro Betreuer beziehungsweise insgesamt etwa 440 pro Jahr sei man bereits jetzt an der Kapazitätsgrenze angelangt.

Bei Agiua weist man auf ein weiteres Problem hin: Der Verein betreut nach eigenen Angaben den größten Teil, der vom Amt zugewiesenen Asylbewerber. 660 seien es dieses Jahr, sagt die zuständige Projektleiterin Josephine Schwittek. Bisher sei die Zuteilung der Finanzen proportional erfolgt. Die verbliebenen Landesmittel sollen nun zu gleichen Teilen ausgereicht werden, berichtet Schwittek. Von aktuell zwölf Betreuern (inklusive temporärer Ukraineflüchtlinge-Aufstockung) würden ab Januar nur fünf auf 30-Stunden-Basis übrig bleiben.

Die Arbeit werde damit nur noch „Feuerlöschen“ umfassen. Bei der Awo warnt man vor den Folgen versäumter Integration. „Nichtdemokratische Parteien werden noch stärker Zulauf bekommen.“