Linksextreme Gruppe randaliert in Leipzig-Schleußig: Anwohner und Bürgermeister entsetzt
Unbekannte haben am Mittwoch im Leipziger Westen unter anderem Filialen der Volksbank und Sparkasse sowie eine LVB-Haltestelle angegriffen. In einem Bekennerschreiben solidarisieren sie sich mit der Hausbesetzergruppe Abeta.
Leipzig. Am Tag danach herrscht auf der Könneritzstraße vor allem eines: Unverständnis. Passantinnen und Passanten sprechen von „Zerstörungswut“, „Vandalismus“ und „Sinnlosigkeit“. Auf der Straße sind die Spuren der Nacht noch sichtbar: eine verbrannte Mülltonne, zerstörte Scheiben bei Banken und Versicherungen, Graffiti an den Fassaden.
Was ist passiert?
Etwa 15 Personen haben am Mittwochabend im Leipziger Stadtteil Schleußig randaliert. Kurz darauf tauchte auf dem Portal Indymedia eine Mitteilung auf, die die Taten in Zusammenhang mit mehreren Hausbesetzungen der vergangenen Wochen stellt. Die Polizei geht von einem linksextremen Hintergrund aus.
OBM Jung: „Das hat mit Protest und Demonstrationsrecht nichts zu tun“
Auch Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) ist außer sich. „Proteste zum Thema bezahlbares Wohnen sind legitim, Straftaten sind es nicht. Was wir in Leipzig seit einigen Wochen erleben, hat mit Protest und dem freien Demonstrationsrecht nichts zu tun“, sagt er und stellt klar: „Hier geht es um Randale, um Brandstiftung, Sachbeschädigung und schweren Landfriedensbruch. Die Taten müssen aufgeklärt, die Täter bestraft werden.“
Die Täter griffen auch die Haltestelle „Stieglitzstraße” der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) an und zerstörten auch dort mehrere Scheiben.
Die Täter griffen auch die Haltestelle „Stieglitzstraße” der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) an und zerstörten auch dort mehrere Scheiben.
Laut Polizei gingen gegen 23.10 Uhr mehrere Notrufe ein. Demnach zog eine teilweise vermummte Gruppe über die Könneritzstraße, zündete Pyrotechnik, schlug Scheiben ein und sprühte politische Parolen. Es brannten Mülleimer und Baustellenabsicherungen. Außerdem sei ein Hyundai-Elektroauto in Brand gesetzt und stark beschädigt worden.
Linksextreme Gruppe zerstört Sparkasse und ÖPNV-Haltestelle
Auch die Filiale der Leipziger Sparkasse wurde beschädigt. Es ist nicht der erste Angriff, die Fensterscheiben wurden erst vor Kurzem erneuert. Neben zerstörten Scheiben sind diesmal auch die Geldautomaten stark in Mitleidenschaft gezogen – sie sind außer Betrieb. „Der SB-Bereich der Filiale ist aktuell nicht nutzbar, Service und Beratung laufen jedoch weiter“, erklärte Sparkassen-Sprecherin Meike Eisod. Die Schalter blieben geöffnet, Kundinnen und Kunden würden per Aushang informiert. Zur Schadenshöhe und zu möglichen Hintergründen machte sie keine Angaben und verwies auf laufende Ermittlungen.
Fast alle Fensterscheiben der Sparkasse wurden beschädigt.
Immer wieder bleiben Menschen am Donnerstag vor dem Gebäude stehen, lesen die Aushänge, schütteln den Kopf. „Schlimm“, sagt eine Kundin. Den Protest gegen hohe Mieten könne sie grundsätzlich nachvollziehen, „aber das hier hat damit nichts mehr zu tun“.
Auch die Filiale der Leipziger Volksbank nebenan ist betroffen. Mehrere kreisrunde Einschlaglöcher zeugen von der nächtlichen Gewalt, Scheiben sind zersplittert, notdürftig mit Folien abgeklebt.
Proteste zum Thema bezahlbares Wohnen sind legitim, Straftaten sind es nicht.
Die in der Nacht zerstörte Straßenbahn-Haltestelle Stieglitzstraße ist dagegen schon wieder vollständig instandgesetzt, wirkt wie neu. „Sie ist auch neu“, sagt ein Sprecher der Firma Ströer. Gegen 6 Uhr seien die Glasscherben beseitigt, am Vormittag neue Scheiben eingesetzt worden. Über die Kosten machte das Unternehmen keine Angaben.
„Ich verstehe das nicht“
Während an der Haltestelle schon alles repariert ist, wird an anderer Stelle noch aufgeräumt. In einem Versicherungs- und Vermittlungsbüro zwei Straßen weiter muss die Glastür mit äußerster Vorsicht geöffnet werden – sie ist zersplittert. Auf den verbliebenen Scheiben prangen lilafarbene Graffiti.
Falk Noack kann die Randalierer nicht verstehen: „Es trifft die Falschen.“
„Ich finde es auch nicht gut, dass Gewerbetreibende hier 20 Euro pro Quadratmeter zahlen müssen. Ich bin genauso gegen Mietwucher – aber das hier ist Zerstörung, das ist völlig sinnlos“, sagt Agenturleiter Falk Noack. Das Haus, in dem er arbeitet, gehört einem 84-jährigen Schleußiger. „Unsere Kundinnen und Kunden sind Menschen von hier. Keine Großverdiener, keine Investoren, normale Leute. Diese Aktion trifft die Falschen.“
Seit einem Jahr betreibt Noack seine Agentur in dem Gebäude, das zuvor jahrelang leer stand. „Wenn die Aktivisten wirklich dem Allianz-Konzern schaden wollen, müssten sie das Stammhaus in München angreifen und nicht mein kleines Büro. Der Konzern wird mir bei den Reparaturkosten nicht helfen. Das müssen wir allein stemmen.“ Was bei Noack bleibt, sind neben den provisorischen Spanplatten vor den zerstörten Fenstern Unverständnis und Wut. „Ich verstehe das nicht.“
Bekennerschreiben stellt Zusammenhang zu Hausbesetzungen her
Laut Polizei deuten die Schriftzüge darauf hin, „dass die Straftaten im Kontext der Hausbesetzungen der letzten Woche in Leipzig stehen“. Der Staatsschutz ermittelt wegen schweren Landfriedensbruchs.
Mehrere Unbekannte haben am Mittwochabend in Leipzig-Schleußig randaliert. Sie beschädigten zwei Bankfilialen, einen LVB-Halt und zündeten ein Auto an.
Die Polizei traf wenige Minuten nach dem ersten Hinweis am Tatort ein. „Jedoch verstreute sich die Gruppierung noch vor Eintreffen in unbekannte Richtung. Eine sofort durchgeführte Fahndung blieb erfolglos“, so ein Sprecher. Anschließend wurden kriminaltechnische Untersuchungen eingeleitet.
Noch in der Nacht, gegen 0.35 Uhr, wurde auf Indymedia eine Art Bekennerschreiben veröffentlicht. Form und Sprache unterscheiden sich deutlich von den bisherigen Mitteilungen der Hausbesetzergruppe „Autonome Besetzungstage Leipzig“ (Abeta).
In dem Schreiben heißt es (Fehler im Original): „Vorhin sind wir kurz durch Schleußig spaziert und durften mit ansehen, wie nach und nach alle Scheiben der vielen Banken und Versicherungen der Könneritzstr. auf den Gehweg gerieselt sind.“ Auch brennende Barrikaden, Autos und gesprühte Parolen werden erwähnt. Weiter steht dort: „Wenn alle konstruktiven Vorschläge und offenen Angebote für die Nachbarschaften ausgeschlagen werden, kommt halt wer in eure Schicki-Micki-Straßen.“ Die Verfasser, die sich „einige Mitrandalierer*innen“ nennen, drohen: „Nehmt ihr uns die Häuser hab – machen wir die City platt.“
Seit dem 11. Oktober gab es in Leipzig mehrere Versuche, seit Langem leer stehende Gebäude zu besetzen und dort preiswerte Wohnungen sowie Cafés und Freiräume einzurichten. Die Gruppe Abeta machte ihr Vorgehen auf einer eigenen Webseite öffentlich und trat bei den Räumungen durch die Polizei nicht gewalttätig auf.