Passierschein mit Nazi-Symbolen beim Hagener Ordnungsamt
Der Staatsschutz der Polizei ermittelt aufgrund von WDR-Recherchen gegen Mitarbeiter des Ordnungsamtes Hagen. Sie sollen sich einen Passierschein mit Nazi-Symbolen ausgestellt haben. Und zwar aus dem „Führerhauptquartier“ und unterschrieben von Adolf Hitler.
Der Passierschein ist selbstgemacht. Inklusive Reichsadler und Hakenkreuz. Ein Mitarbeiter des Hagener Ordnungsamts ist dort namentlich eingetragen. Nach WDR-Recherchen soll ein Arbeitskollege diesen Schein angefertigt haben. Jetzt ermittelt die Polizei wegen des Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole.
Aufgefallen ist der Mann auch, weil sich Menschen mit ausländischen Wurzeln von ihm schikaniert fühlen. Es sind schwere Vorwürfe, die Hagener Bürger gegen ihn erheben. Er lasse Autos ohne triftigen Grund abschleppen, schreibe Knöllchen und das fast täglich. Auch die Worte „Scheiß Ausländer“ sollen gefallen sein.
Es ist die Geschichte einer monatelangen Recherche:
Der Fall Morena
Filippo Morena lebt seit 54 Jahren in Deutschland, die meiste Zeit davon in Hagen. Dort betreibt er seit zwölf Jahren eine Kfz-Werkstatt. Bis Anfang 2021 hat er das gerne gemacht. Dann fingen die „Besuche“ eines Mitarbeiters des Hagener Ordnungsamtes an, erzählt er mir. Der Hof von Herrn Morenas Werkstatt ist klein. So klein, dass er immer wieder mal einen Wagen außerhalb der Einfahrt des Werkstattgeländes parken muss, um Autos, die dort stehen, zu rangieren. Außerhalb bedeutet, dass die Autos dann auf der Zufahrt zu seinem Hof stehen, die an dieser Stelle gleichzeitig auch Gehweg ist. Obwohl dann für Fußgänger immer noch genug Platz ist, leitet der Hagener Ordnungsamtsmitarbeiter immer wieder Bußgeldverfahren wegen der dort abgestellten Autos ein.
Herr Morena sagt, der Mann tauche regelmäßig auf. Mehrfach habe er dort auch schon Autos abschleppen lassen. Dabei gehört das nach WDR-Recherchen nicht zu seinen Aufgaben, ebenso wenig wie das Verteilen von Knöllchen. Mitte April soll ein „Besuch“ dann eskaliert sein. Der Ordnungsamtsmitarbeiter nennt Filippo Morena und seinen Sohn „Scheiß Ausländer“, erzählen sie. Sie zeigen ihn an. Mittlerweile hat die Hagener Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren aber eingestellt. Es steht Aussage gegen Aussage. Die der Morenas gegen die des Ordnungsamtsmitarbeiters und dessen Kollegen. Der Kollege ist übrigens der, der das Schreiben aus dem Führerhauptquartier angefertigt haben soll.
Der Fall Margiotta
Anfang November meldet sich Angelo Margiotta bei mir. Er habe von meinen Recherchen zu dem Ordnungsamtsmitarbeiter gehört. Und auch „Ärger“ mit ihm gehabt. Er habe seinen Wagen abschleppen lassen, nur weil dieser nicht abgeschlossen war. Und obwohl sein Vater sofort angeboten hatte, den Wagen mit einem Zweitschlüssel abzuschließen. Auf das Angebot habe der städtische Angestellte gar nicht reagiert, sondern sich Lederhandschuhe angezogen. Sein Vater habe sich in dem Moment bedroht gefühlt, sagt Angelo Margiotta. Dann habe sein Vater eine Zigarette geraucht.
Dafür, dass er die dann auf dem Gehweg ausgemacht habe, habe der Ordnungshüter das nächste Knöllchen verteilt: 128,50 Euro inklusive Gebühren. Dabei habe sein Vater die Kippe nicht auf dem Boden liegen lassen, sondern sie in seine Tasche gesteckt, erzählt mir Angelo Margiotta. Trotz einer schriftlichen Beschwerde bei der Stadt mussten die Margiottas zahlen. Auch sie glauben, dass der Ordnungsdienstmitarbeiter das getan hat, weil sie einen Migrationshintergrund haben.
Fünf weitere Fälle und die Reaktion der Stadt
Das glauben fast alle, mit denen ich spreche. Meine Recherchen führen mich zu insgesamt sieben Hagener Bürgern, die alle ähnliche Erfahrungen mit dem Mann gemacht haben wollen. Nur einer davon hat keinen Migrationshintergrund. Einige wollen nicht genannt werden. Zu groß ist bei ihnen mittlerweile die Angst vor dem Außendienstmitarbeiter.
Andere haben sich schon beschwert, bei der Stadt, auch beim Oberbürgermeister, aber es passiere nichts. Uns antwortet die Pressestelle der Stadt nur knapp: Die Ahndungen durch die Mitarbeiter des Stadtordnungsdienstes bewegten sich im geltenden rechtlichen Rahmen. Das gelte auch für die von uns konkret genannten Fälle. Fast alle unsere Fragen bleiben unbeantwortet.
Gerne hätte ich zu den Vorwürfen gegen den städtischen Angestellten auch mit Hagens Oberbürgermeister Erik O. Schulz (parteilos) gesprochen. Immerhin geht es hier um einen Mann, der tagtäglich die Stadt als Außendienstmitarbeiter repräsentiert. Doch der Oberbürgermeister möchte dazu kein Interview geben.
Auch zu dem falschen Nazi-Dokument will die Stadt sich nicht während der laufenden Staatsschutz-Ermittlungen äußern.
„Passierschein“ aus dem „Führerhauptquartier“
Auch aus dem Arbeitsumfeld des Ordnungsamtsmitarbeiters höre ich, er habe im Dienst mehrfach von „Scheiß Ausländern“ gesprochen. Die Quelle sagt auch, dass er Knöllchen immer nur an Menschen mit Migrationshintergrund verteile. Von ihr stammt auch das Foto des „Passierscheins“ aus dem „Führerhauptquartier“. Der habe „relativ zu Beginn der Pandemie“ dort auf einem Schreibtisch gelegen.
Darauf ist ein Reichsadler mit Hakenkreuz zu sehen, unterzeichnet ist der Schein mit der Unterschrift „Adolf Hitler“ und dem gedruckten Kürzel „Adolf H.“. Im Text bescheinigt der Unterzeichner: „Herrn XXX, beschäftigt bei O-Amt die dienstliche und kriegsentscheidende Erfordernis, seinen Arbeitsplatz trotz Ausgangssperre erreichen zu müssen.“
Es ist der Name des besagten Ordnungsamtsmitarbeiters, der dort in Sütterlinschrift zu lesen ist. Jetzt interessiert sich auch die Hagener Polizei für diesen „Passierschein“ und ermittelt wegen des Anfangsverdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen. Eine Straftat könne in Betracht kommen, „wenn das Tatbestandsmerkmal „Öffentlichkeit“ bejaht werden kann.“ Hierzu seien aber weitere Ermittlungen, insbesondere Zeugenvernehmungen, erforderlich.
Mann ist im Besitz von Waffen
Und auch ein weiterer Umstand beschäftigt die Polizei: Der Mann ist Jäger und besitzt Waffen. Außerdem ist er in der Schießausbildung tätig. Zuständig für seine Waffenbesitzkarte ist die Polizei im Ennepe-Ruhr-Kreis. Die steht jetzt in engem Kontakt mit dem Hagener Staatsschutz, erzählt mir die Pressesprecherin und fügt an:
„Von deren Ermittlungsergebnissen hängt es ab, ob es bei dem Mann eine erneute Überprüfung seiner Eignung zum Führen von Waffen gibt. Das könne auch dazu führen, dass entschieden wird, ihm die Waffenbesitzkarte zu entziehen.“