Mord an Leipzigerin Jessica S.: Angeklagter stellt die Bluttat als Unfall dar

Im Mai 2024 soll der Leipziger Marcus K. seine Lebensgefährtin Jessica S. ermordet haben. Die Staatsanwaltschaft spricht von einer heimtückischen Tat. Am Donnerstag erzählte der Angeklagte vor Gericht jedoch eine ganz andere Geschichte.

Seine Aussage war mit Spannung erwartet worden: Als mutmaßlicher Mörder steht der 41-jährige Marcus K. seit Mitte Februar in Leipzig vor Gericht. Im Mai 2024 soll der Fliesenleger seine langjährige Lebensgefährtin Jessica S. (30) im Leipziger Stadtteil Paunsdorf heimtückisch erstochen haben. Zum zweiten Verhandlungstermin am Donnerstag stellte der Angeklagte die Bluttat jedoch völlig anders dar – als eine Art Unglück, einen Unfall. Schluchzend sagte er: „Ich wollte nicht, dass das passiert.“

Einige Stunden vor der Tat muss die Familie noch das Ende des Pfingstwochenendes genossen haben. Zunächst im Garten seiner Schwiegereltern, erinnerte sich Marcus K., später dann in einem Lokal. Man habe Wein, Bier und Cocktails getrunken, mit den Kindern gespielt. Ihr gemeinsamer Sohn ist fünf Jahre alt. Aus einer früheren Beziehung hat die Frau noch eine zehnjährige Tochter. Zu Marcus K. sagt das Mädchen „Papa“.

Achtjährige Beziehung soll zerrüttet gewesen sein

Zu diesem Zeitpunkt soll die achtjährige Beziehung bereits zerrüttet gewesen sein. „Jessica sonnte sich, war mir gegenüber abweisend“, erklärte der Angeklagte. Später sei es in der Küche der gemeinsamen Plattenbauwohnung in der Heiterblickallee zu einem Streitgespräch gekommen. Jessica S. habe dann Decke und Kopfkissen genommen, um auf dem Sofa im Wohnzimmer zu schlafen.

Am nächsten Morgen, 6 Uhr, seien sie aufgestanden, weil sie arbeiten mussten. Marcus K. hatte sich als Fliesenleger selbstständig gemacht, Jessica S. war in einem Modegeschäft im Paunsdorf-Center tätig. Sie habe auf dem Sofa gesessen, als er sie gefragt habe, wie es weitergehen soll. Kühl soll sie entgegnet haben, dass er bei einem Motorradunfall einige Wochen zuvor besser ums Leben gekommen wäre. Er bringe es nicht mehr als Mann.

„Sie gab kein Lebenszeichen mehr von sich“

Und dann habe sie plötzlich ein Messer unter ihrer Bettdecke hervorgezogen und auf ihn gerichtet. Er sei sehr erschrocken gewesen, habe ihr das Messer entreißen wollen. Nach einem kurzen Hin und Her sei sie seitlich aufs Kopfkissen gefallen. „Dabei muss es passiert sein, dass sie am Hals getroffen wurde“, sagte Marcus K., „alles war voller Blut.“ Sie soll sich sogar das Messer noch selbst aus dem Hals gezogen haben. Er habe ihren Namen gerufen und versucht, die Blutung zu stillen. „Aber sie gab kein Lebenszeichen mehr von sich.“

Danach sei er ins Bad gegangen, um sich ihr Blut abzuwaschen. „Ich ging zurück und deckte sie zu“, berichtete er vor Gericht. „Auch die Kinderzimmertür habe ich zugemacht, weil ich nicht wollte, dass die Kinder sie so sehen.“ Schließlich sei er dann mit den Kleinen zu seiner Mutter gefahren. Noch immer sind die Geschwister dort untergebracht.

Staatsanwalt sieht anderen Tathergang

Aber kann das wirklich so gewesen sein? Gab es zwischen dem 95 Kilogramm schweren Angeklagten und der eher zierlichen Frau tatsächlich ein Gerangel, weil sie ein Messer bei sich versteckt hatte, und er in einem Akt der Notwehr reagierte? Aus Sicht der Staatsanwaltschaft gibt es dafür keinerlei Anhaltspunkte.

Der Anklage zufolge soll Marcus K. die Frau im Schlaf überrascht und mit einem Stich einer mindestens sieben Zentimeter langen Messerklinge in die rechte Halsseite getötet haben. Dabei seien die Halsschlagader und eine Vene getroffen worden, Jessica S. verblutete.

Der Handwerker habe den wehrlosen Zustand seiner Lebensgefährtin bewusst ausgenutzt, so Anklagevertreterin Vanessa Fink zum Prozessauftakt. Er habe die bereits vor einiger Zeit ausgesprochene Trennung und ihren Wunsch nach einem neuen und selbstbestimmten Leben nicht akzeptiert.

Die 16. Strafkammer hat für den Prozess insgesamt 15 Verhandlungstermine bis Ende Mai geplant. Dabei soll auch die Tochter der getöteten Frau vernommen werden.