Sachsen – Europas Rechte profitiert nicht generell von Corona-Krise
Rechtspopulistische Parteien in Europa nutzen die Pandemie, um Wähler zu mobilisieren. Klare Profiteure der Krise sind sie dennoch nicht, wie eine Studie des Mercator Forums Migration und Demokratie (MIDEM) herausgefunden hat.
Rechtspopulistische Parteien in Europa nutzen die Corona-Pandemie laut einer aktuellen Analyse zur gezielten Mobilisierung von Wählern – können jedoch keineswegs überall von der Krise profitieren. Zu diesem Ergebnis kommt die am Mittwoch vorgestellte vierte Jahresstudie des Mercator Forums Migration und Demokratie (MIDEM) an der Technischen Universität Dresden mit dem Titel „Corona und Rechtspopulismus“. Untersucht wurden soziale Medien und populistische Einstellungen in Zeiten der Pandemie in zwölf europäischen Ländern.
MIDEM-Direktor Hans Vorländer sagte: „Im Kern geht es für die meisten Rechtspopulisten auch in der Pandemie darum, sich als einzige Alternative zu den bestehenden Parteien zu inszenieren.“ Auch deswegen hätten oppositionelle Rechtspopulisten in Europa einen radikalen Kurswechsel zu Beginn der Pandemie vollzogen, von Befürwortern zu scharfen Kritikern der Schutzmaßnahmen. Staatliche Maßnahmen seien Ziel polemischer und emotional aufgeladener Regierungskritik durch Rechtspopulisten. Lediglich rechte Parteien in Regierungsverantwortung versuchten, das Thema Corona zu entpolitisieren, sagte Vorländer.
Klare Nutznießer der Corona-Krise seien die Rechtspopulisten aber nicht. Sie hätten durch die Krise kaum Zulauf erfahren, befänden sich aber auch nicht in einem Abwärtstrend. Der Studie zufolge zeigen sich jedoch regionale Unterschiede. So habe die AfD vor allem in Regionen Erfolg, wo Corona-Maßnahmen kritisch betrachtet werden und niedrige Impfquoten zu verzeichnen sind.
Thema Migration auch in der Pandemie populär
Der populistische Stil der Partei sei ausschlaggebend dafür, dass sich zahlreiche Corona-Skeptiker hinter der AfD versammelten, hieß es weiter. Eine repräsentative Befragung zu den Corona-Maßnahmen in Sachsen ergab zudem, dass Menschen, die Corona-Maßnahmen ablehnen, sich von Politik und Institutionen häufig schlecht oder gar nicht repräsentiert sehen.
Das Thema Migration spielt der Studie zufolge für die Rechtspopulisten auch während der Pandemie eine wichtige Rolle – vor allem in Nordeuropa. Corona werde in sozialen Medien häufig mit Migration verbunden, etwa wenn vor der Verbreitung des Virus durch Migranten gewarnt werde. Für rechtspopulistische Parteien in Mittel-, Ost- und Südeuropa habe Migration hingegen während der Pandemie weniger Bedeutung.
Meinungsspektrum wird selektiv erweitert
Auch eine grundsätzliche Infragestellung der Expertise von Gesundheitsexperten durch rechtspopulistische Parteien stellte die Untersuchung nicht fest, wie Vorländer sagte. Allerdings werde versucht, das Meinungsspektrum selektiv um Positionen zu erweitern, die angeblich kein Gehör finden: „Es wird Gegenexpertise mobilisiert.“ Verschwörungstheoretische Inhalte würden zumeist nicht über offizielle Facebook-Kanäle verbreitet, sondern über andere rechtspopulistische und rechtsextreme Plattformen und Einzelpersonen.
Die vierte MIDEM-Jahresstudie hat die Social-Media-Kommunikation rechtspopulistischer Parteien in zwölf europäischen Ländern untersucht, darunter Deutschland, Polen, Frankreich, Ungarn, Schweden und Tschechien. Ausgewertet wurden demnach Daten der offiziellen Facebook-Accounts rechtspopulistischer Parteien. Die Studienergebnisse basieren zudem auf einer vom Meinungsforschungsinstitut Dimap durchgeführten repräsentativen Befragung von 1.008 Sachsen. (epd/mig)
gefunden auf: migazin.de