„Das ist komplett katastrophal“: Welche Probleme Geflüchtete mit der Bezahlkarte in Zwickau haben

Seit Ende April gibt der Landkreis Zwickau eine Bezahlkarte an Geflüchtete aus. Die „Freie Presse“ hat sich mit Geflüchteten und Helfern unterhalten, wie das System im Alltag an seine Grenzen kommt.
Zwickau.

Wenn Felipe Infante einkaufen geht, versteckt er seine Bezahlkarte. Er zieht sie aus einer roten Hülle und zeigt der Kassiererin nur die Rückseite. Er sagt, dass die Leute ihn abschätzig oder unfreundlich anschauen, sobald sie erkennen, dass er eine Karte für Geflüchtete hat.

Infante heißt eigentlich anders und lacht, als er von der Situation erzählt. „Aber eigentlich ist es nicht zum Lachen“, sagt Neydi Villamizar. Villamizar arbeitet beim Projekt „Bienvenidos“ des Sächsischen Flüchtlingsrates, das Geflüchteten aus Venezuela hilft. Sie hat den Kontakt zu Infante und zwei weiteren Geflüchteten aus Venezuela hergestellt. Die „Freie Presse“ hat sich mit ihnen in einem Café in der Zwickauer Innenstadt getroffen, um über ihre Erfahrungen mit der Karte zu sprechen.

Kein Flohmarkt ohne Bargeld

Seit dem 23. April gibt der Landkreis Zwickau die Bezahlkarte an Geflüchtete aus. Erwachsene erhalten pro Monat 460 Euro und können mit der Karte in Sachsen und einigen Landkreisen in Thüringen bezahlen. Überweisungen gibt das Sozialamt auf Antrag hin frei. Pro Monat können die Geflüchteten maximal 50 Euro Bargeld abheben, für Kinder sind es noch einmal zehn. Landrat Carsten Michaels (CDU) hofft, dass durch die Bezahlkarte kein Geld mehr in die Heimat überwiesen wird und Deutschland als Zielland für Geflüchtete unattraktiver wird.

„Ich verstehe, dass die Bürger wissen wollen, wo genau das Geld hingeht“, sagt Felipe Infante. Er ist aus politischen Gründen zusammen mit seiner Frau aus Venezuela geflohen und seit 15 Monaten in Deutschland. Der 30-Jährige ist nicht grundsätzlich gegen die Karte: „Die Bezahlkarte ist kein Problem, aber das Bargeldlimit.“ Früher ging Infante einmal im Monat zum Flohmarkt, wo er viele Gebrauchsgegenstände für einen Bruchteil des Ladenpreises kriegt. Aber Kartenzahlung ist dort nicht möglich. „Das kann ich jetzt nicht mehr machen.“ Auch Eis essen zu gehen sei ohne Bargeld oft schwierig. Aus Venezuela kennen die Männer das nicht: Dort können sie alles mit Karte zahlen, auch auf kleinen Märkten. Wie lange reichen 50 Euro Bargeld in Zwickau aus? „Prinzipiell die ersten drei Tage, dann haben wir kein Bargeld mehr“, sagt Infante. Carlos Alberto, der eigentlich anders heißt, sieht das ähnlich: „Das ist komplett katastrophal.“ Infante fände es besser, wenn er 30 bis 35 Prozent des Geldes abheben könnte. Beraterin Neydi Villamizar vom Projekt „Bienvenidos“ erzählt von einem Geschäft in Zwickau, das Geflüchteten zwar Bargeld auszahlt, aber 15 Prozent des Geldes einbehält.

Überweisungen muss das Landratsamt genehmigen

Juilo Oberto erlebt es manchmal, dass in einem Geschäft Kartenzahlung prinzipiell möglich ist, es aber mit seiner Bezahlkarte nicht funktioniert. Er traut sich deshalb zurzeit nicht, zum Friseur zu gehen. „Ich habe immer im Kopf, dass die Karte nicht funktionieren könnte.“ Dem Landratsamt sind solche Fälle bisher nicht bekannt. „Das Funktionieren der Bezahlkarte setzt natürlich störungsfreie Systeme und Guthaben auf der Karte voraus“, teilt Kreissprecher Sebastian Brückner auf Anfrage mit.

Überweisungen oder Lastschriftverfahren müssen Geflüchtete schriftlich oder persönlich beim Sozialamt beantragen. Für einige regelmäßige Zahlungen erhalten sie eine generelle Freigabe. Carlos Alberto hat zum Beispiel eine Freigabe für die Zahlungen an seinen Anwalt. Aber für seinen Handyvertrag muss er monatlich einen neuen Antrag stellen. Es sei bei ihm vorgekommen, dass das Sozialamt eine Zahlung nicht schnell genug genehmigte und er Strafe zahlen musste. Die Zahlung der Strafe musste er ebenfalls neu beantragen. Als die Genehmigung kam, sei die Strafe jedoch schon wieder höher gewesen.

Landratsamt verweist auf Sozialamt

Das Zwickauer Landratsamt weiß von dem konkreten Fall allerdings nichts. Die Betroffenen sollen sich in solchen Fällen an das Sozialamt wenden, heißt es aus der Behörde.

Nach dem Gespräch stehen die drei Geflüchteten nacheinander auf und gehen. Auf dem Tresen der Bäckerei steht ein Schild: „Aus technischen Gründen gerade keine Kartenzahlung möglich.“