Leipziger Café 15-mal angegriffen: „Unsere Mitarbeiter haben Angst“

Leipzig – Im September 2023 eröffnete das Café „STAY – bleibdochnoch“ in Reudnitz. Kein Jahr später wurde das Lokal bereits 15-mal von Unbekannten angegriffen. Der Vorwurf: Das „STAY“ werde von einer homophoben Freikirche betrieben mit Verbindungen zu erzkonservativen Organisationen in den USA. TAG24 hat vor Ort mit Pastor René Wagner gesprochen.

Die Angreifer kamen mitten in der Nacht. Sie schlugen mit Hämmern auf die Scheiben des Cafés ein, hinterließen allein bei dieser Attacke 82 Einschläge. „Ein Nachbar war aufgewacht und hatte sie bemerkt, kurz bevor sie flüchteten. Er hatte uns erzählt, was vorgefallen war“, berichtet René Wagner über den jüngsten Angriff auf sein Lokal Ende Juli.

René Wagner und seine Frau Deborah sind beide Pastoren, die die sogenannte „Zeal Church“ leiten, eine in Mitteldeutschland aktive Freikirche. Die Räume an der Dresdner Straße, in denen sich jetzt das „STAY“ befindet, nutzen sie bereits seit ihrer Gründung 2014.

„Drei Jahre lang haben wir hier Gottesdienste veranstaltet, unter der Woche andere Events. Auch unsere Büros waren lange Zeit hier. Wir hatten riesige Flaggen vor der Tür. Es war eindeutig, dass wir hier Gottesdienste gefeiert haben.“ Probleme habe es zu diesem Zeitpunkt keine gegeben.

Zuvor habe sich an der Stelle bereits ein christliches Kulturcafé befunden, wie sich der junge Pastor erinnert. „Von Anfang an schlug unser Herz dafür, daraus irgendwann wieder ein Café zu machen.“ Im September 2023 war es dann so weit: Das „STAY“ öffnete seine Türen an der Dresdner Straße.

Was dem „STAY“ vorgeworfen wird

Betreiber des „STAY“ ist die Zeal Services GmbH, deren alleiniger Gesellschafter die „Zeal Church“ der Wagners ist. Auf die christliche Symbolik wird im Café jedoch verzichtet. Geboten werden stattdessen modernes Design und Wohlfühlcharme. Ein Lokal, wie man es vielerorts in Leipzig vorfindet.

René Wagner wolle niemanden mit dem „STAY“ bekehren. „Wir wollten einfach nur ein Wohnzimmer in einem Teil von Leipzig haben, in dem es aktuell noch nicht allzu viele Cafés gibt“, so der Pastor.

Die Einnahmen würden zwar in die GmbH fließen, in der die Mitarbeiter angestellt sind, von dort aus jedoch nicht in die „Zeal Church“, versicherte Wagner.

Kritiker gerade in den sozialen Netzwerken sehen in dem hippen Look und dem Verzicht auf die Symbolik hingegen den Versuch, die Hintergründe des „STAY“, den Betrieb durch die Freikirche, verheimlichen zu wollen.

Es ist nur eine von vielen Anschuldigungen, derer sich Wagner und das Team des „STAY“ seit Monaten ausgesetzt sehen. In einem Bekennerschreiben, das nach dem jüngsten Angriff auf der Plattform „indymedia“ veröffentlicht wurde, wird der von Wagner geleiteten „Zeal Church“ Queerfeindlichkeit vorgeworfen. Die Kirche weigere sich, homosexuelle Paare zu verheiraten, und soll zudem Verbindungen zu erzkonservativen Organisationen in den USA pflegen.

Pastor äußert sich zu den Vorwürfen

Sowohl die International Christian Fellowship (ICF) als auch die Traders Point Christian Church, beides ebenfalls Freikirchen, lehnen Abtreibungen und die gleichgeschlechtliche Ehe ab. Darüber hinaus, so heißt es im Bekennerschreiben, propagiere die ICF Konversionstherapien.

Dabei handelt es sich um umstrittene, pseudopsychologische Methoden, die homosexuelle Neigungen in Menschen austreiben sollen, damit diese ein heterosexuelles Leben führen können. In Deutschland sind derartige „Behandlungen“ seit 2020 per Gesetz verboten.

Auf die Vorwürfe angesprochen erklärte Wagner, dass er Konversionstherapien klar ablehne. Die „Zeal Church“ traue aktuell keine homosexuellen Paare, gleichzeitig setze man sich weiterhin mit dem Thema auseinander.

„Man muss ja sagen, dass sich die Kirche gegenüber Homosexualität vor einigen Jahren erst geöffnet hat“, so der Pastor. „Die Zeal Church heißt alle Menschen willkommen. Wir haben homosexuelle und transgeschlechtliche Mitglieder und alle fühlen sich wohl. Und trotzdem tragen wir als Kirche natürlich immer ein theologisches, konservatives Erbe und dazu gehört auch die Aufgabe, die Werte und die Ideologie, die seit Tausenden von Jahren besteht, nicht einfach so über Bord zu werfen.“

Seine Kirche werde sich auch in Zukunft mit dem Thema befassen. „Aber ich bin auch nicht bereit, jetzt morgen meine Meinung einfach so zu ändern, nur weil Leute mir die Fensterscheiben einschmeißen.“

Mitarbeiter bereits im Café bedroht

15-mal wurde das „STAY“ seit seiner Eröffnung im September vergangenen Jahres angegriffen. Beim ersten Angriff kurz nach dem Start besprühten die Täter nicht nur die Fassade, sondern warfen auch die Scheiben ein, wie in einem Instagram-Video zu sehen ist.

Die Polizei bestätigte auf TAG24-Anfrage, dass es Attacken gegen das Café gab. Die Ermittlungen dazu laufen. 14 Anzeigen wurden bisher zur Anzeige gebracht. Der Staatsschutz ermittelt. „In einem Fall haben wir in Absprache mit einer Mitarbeiterin, die damals im Café bedroht wurde, keine Anzeige erstattet“, erklärte René Wagner.

Der Pastor hofft darauf, dass die Gewalt gegenüber seinem Café ein Ende findet. „Das, was hier passiert, ist mutwillige Zerstörung. Unsere Mitarbeiter haben Angst, sind im Café schon bedroht worden. Das macht ja auch was mit den Menschen. Ich finde das vollkommen unangebracht.“

Den Dialog mit den Kritikern habe er bereits gesucht, bislang jedoch ohne Erfolg. Dennoch zeigte er sich nach wie offen für Gespräche.

„Wir sind immer bereit, in den Dialog zu treten. Wir lieben Leipzig, wir lieben diesen Stadtteil. Wir haben ganz bewusst die christliche Flagge weggelassen. Nicht, weil wir etwas verheimlichen wollen, sondern weil das hier ein Ort für alle sein soll. Und wir wünschen uns, hier in Frieden miteinander leben zu können.“

https://www.tag24.de/leipzig/lokales/leipziger-cafe-15-mal-angegriffen-unsere-mitarbeiter-haben-angst-3305194, 07.08.2024 05:34