Über die Bedeutung der aktuellen Repression gegen Antifaschist:innen

Spätestens seit dem Antifa-Ost-Verfahren und der öffentlichen Fahndung nach Antifaschist:innen, die sich an militanten Aktionen gegen Nazis beim Tag der Ehre in Budapest beteiligt haben sollen, scheint sich der Eindruck zu verbreiten: Die Repression gegen die antifaschistische Bewegung wächst, sie nimmt zu; Antifaschismus im Allgemeinen wird immer weiter kriminalisiert. Statt in der aktuellen Lage, wo sich der Faschismus europaweit auf dem Vormarsch befindet, dem Antifaschismus die Bahn frei zu machen, wendet sich die bürgerliche Gesellschaft in Deutschland gegen die radikale Linke und dämonisiert den Antifaschismus. Dies, so die landläufige Meinung, ist ein Ausdruck einer politische Bewegung nach rechts, verursacht von der Bedrohung durch den Rechtspopulismus. Anstatt rechter Propaganda, nach der „Antifaschisten die wahren Faschisten“ seien, etwas entgegenzusetzen, wird dieser Propaganda durch den Staat ein repressiver Ausdruck verliehen. In dieser Situation finden wir uns als Antifaschist:innen von zwei Seiten bedroht: durch die Nazis einerseits und durch staatliche Repression andererseits. Neben der Konfrontation mit Nazis steht ein weiteres wichtiges Betätigungsfeld ins Haus: die Beschäftigung mit Repression, wie nicht zuletzt in einer 19-seitigen Broschüre der Gruppe „Kappa“ aus Leipzig stark gemacht wurde, die dann gekürzt auch im September 2023 im Antifa Infoblatt veröffentlicht wurde. Das Thema ist also von allgemeinem Interesse über Leipzig hinaus. So schrieb auch redical (m) zum Leipziger Kessel an Tag X: „Militante antifaschistische Praxis und jede Solidarität mit dieser, sollte staatlicherseits gnadenlos unterbunden werden.“ Dabei sollten, so sind sich diejenigen, die sich an der Repression gegen antifaschistische Strukturen abarbeiten, sicher, ja nicht linke und antifaschistische Strukturen das Problem sein, sondern die Faschisten; der Staat begeht also einen Fehler.

Natürlich sind wir auch der Auffassung, dass die Faschisten das Problem sind und nicht wir, aber trotzdem wollen wir die geschilderte Perspektive kritisch beleuchten. Dabei geht es nicht darum, die Bedeutung von Repression herunterzuspielen, sondern vielmehr darum, den Blick zu schärfen und das Verständnis darüber zu erhöhen, wieso es aktuell zu mehr Repression kommt.

1.) Alles wird überall immer beschissener – Die Repression nimmt zu

Antifa-Ost-Verfahren, Budapest, Tag X, Hausdurchsuchungen, 129er Verfahren: es lässt sich gar nicht leugnen, dass es aktuell viel Repression gegen antifaschistische Strukturen gibt. Es ist wohl schon eine ganze Weile her, dass so viele Antifas zeitgleich im Knast saßen und eine Fahndung wie zuletzt nach Johann G., dem so etwas wie eine Anführerrolle hinsichtlich der „Hammerbande“ zugesprochen wird, hat es wohl zuvor auf diese Weise für aktive Antifaschist:innen noch gar nicht gegeben.

Wieso ist das so? Die gängige Antwort lautet, dies sei eine Folge der Diskursverschiebung nach rechts durch AfD und CDU. So zum Beispiel auch in der oben schon erwähnten Broschüre von Kappa: „Die notwendige Legitimation für das Vorgehen der Repressionsbehörden liefert eine allgemein geteilte ‚… aber der Linksextremismus‘ – Linie, die insbesondere von der rechtskonservativen CDU-Regierung in Sachsen konsequent geführt wird. Diese wird nicht müde zum Kampf gegen ‚Linksextreme‘ aufzurufen“.

Damit ist natürlich schon etwas gesagt, aber noch lange nicht alles, zumal ja die Frage sich aufdrängt, wieso die CDU den Repressionsorganen eine „notwendige Legitimation“ liefern muss. Wenn wir diesem Gedanken folgen, so müsste ja ohne diese „notwendige Legitimation“ die Repression dann ebenso notwendig ausbleiben oder eben viel schwächer ausfallen, soll heißen: die Repressionsorgane würden von sich aus keinen solchen Verfolgungseifer an den Tag legen, wie sie ihn zuletzt gezeigt haben. Auch hierin ist ein Teil richtig: Repression und Verfolgung durch die Behörden richtet sich nicht nur einfach nach dem reinen Gesetzestext, sondern richtet sich ebenso nach so etwas wie der gesellschaftlichen Stimmung, die sich nach Kappa im „gesamtgesellschaftlichen Antikommunismus, der sich im Hass auf alles Linke und Emanzipatorische äußert“ zeigt. Die Frage ist aber damit nur erneut verlagert, denn: Wieso kommt es zu dieser gesellschaftlichen Stimmung? Hierfür liefert aktuell jedes x-beliebeige Nachrichtenportal eine Antwort: Schuld daran ist die AfD und sie kann das unter anderem, weil sie die sozialen Medien so geschickt zu nutzen weiß.

Aber in diesem Denken steckt schon der Antikommunismus, den Kappa moniert. Denn hier wird der gesellschaftliche Zustand von den gesellschaftlichen Bedingungen abgekoppelt. Es wird gesagt, dass irgendjemand (in diesem Fall AfD und CDU) den gesellschaftlichen Zustand erzeugen kann und zwar durch trickreiche Meinungsmanipulation und dass die gesellschaftlichen Bedingungen die Folge sind von einem subjektiven Anliegen, zu dem sich schlechte Menschen aus schlechten Gründen entscheiden. Es verkennt, dass die gesellschaftlichen Bedingungen eben nicht willkürlich, also von den Subjekten frei entscheidbar sind, sondern sich wesentlich aus den materiellen Bedingungen und Produktionsverhältnissen ergeben.

Für unsere Frage nach „wieso nimmt die Repression zu?“ bedeutet dies, dass die Repression nicht wegen irgendwelchen Hetzern zunimmt, sondern weil die Gesellschaft dabei ist, in eine krisenhafte Phase einzutreten. Das führt aber nicht dazu, dass sich Repression insbesondere gegen Linke steigert, sondern dazu, dass die Repression im Allgemeinen ansteigt. Dies ist auch ein Phänomen, dass wir beobachten können: Nicht nur gegen Antifaschist:innen hat die Repression zugenommen, sondern gegen alle Gruppierungen und Strömungen in der Gesellschaft, die in ihren jeweiligen spezifischen Bereichen Gründe haben, sich nicht an die Gesetze zu halten, um die eigenen Interessen zu verfolgen. So hat beispielsweise ebenfalls die Repression gegen Nazistrukturen zugenommen und eine Reihe von ihnen in die Untersuchungshaft befördert, wie auch die Repression gegen „Clans“, „Islamisten“ oder „Kriminelle Ausländer“ im Allgemeinen zugenommen hat.

Hierzu ist es sinnvoll, sich vor Augen zu führen, dass nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion eine für Europa und die USA stabile (d.h. profitable) Phase eintrat, in welcher die Repression insgesamt zunächst abgenommen hat, insbesondere gegenüber linken und antifaschistischen Strukturen. Diese hatten ihre Bedrohlichkeit mit dem Ende des Staatskommunismus erst einmal verloren und konnten hinsichtlich ihrer progressiven und gesellschaftlich nützlichen Aspekte abgeschöpft werden.

2.) Hinter der Maske der Feind – Der staatliche Antifaschismus

Repression gegen linke Bewegungen hat in der bundesdeutschen Geschichte eine Tradition. Nach dem Ende des Nationalsozialismus war es eine Melange aus alten Nazis und Vertretern des bürgerlichen Westens, die – wenn auch aus unterschiedlichen Motiven – gegen linke und vor allem linksradikale Strukturen mobil machten. Diese wurden als verlängerter Arm Moskaus betrachtet und als solcher ebenso wie die Sowjetunion bekämpft. Das deutlichste Beispiel hierfür war neben dem sog. Radikalenerlass von 1972 schon das KPD-Verbot 1956, welches begründet wurde mit der Absicht der KPD, das Grundgesetz abzuschaffen und eine Diktatur des Proletariats nach den Vorstellungen des Marxismus-Leninismus errichten zu wollen. Dies änderte sich deutlich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. So äußerte sich die damalige Verfassungsrichterin Jutta Limbach bezüglich des KPD-Verbots, dass diese nach dem Zusammenbruch nicht mehr zu verbieten wäre. Ein weiteres Beispiel für ein Abnehmen der Repression ist der Umgang mit den Mitgliedern der Gruppe Ralf Förster: diese war eine paramilitärische Gruppe innerhalb der DKP, die auf Betreiben der SED aufgebaut wurde, um im Kriegsfall Sabotageakte u.ä. vornehmen zu können. Zwar wurden nach deren Bekanntwerden einige Mitglieder angeklagt, aber alle gingen trotz einer paramilitärischen Ausbildung für Sprengstoffanschläge u.ä. durch die NVA straffrei aus, z.T. wurden die Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße von 1.500 bis 5.000 DM eingestellt. Kurz gesagt: Der Staat der BRD fühlte sich selbst von gut ausgebildeten Kommunist:innen nicht mehr bedroht, spätestens nach der Auflösungserklärung der RAF nahm das staatliche Verfolgungsinteresse bezüglich linker Strukturen deutlich ab. Und nicht nur das: Nachdem im Oktober 2000 ein Brandanschlag auf eine Düsseldorfer Synagoge verübt worden war, rief der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder den „Aufstand der Anständigen“ aus und machte den Kampf gegen den Rechtsextremismus zur staatlich finanzierten Angelegenheit. Daran änderte sich auch nichts, als bekannt wurde, dass der Anschlag von einem Marokkaner und einem Palästinenser begangen worden war, die Rache für einen im Gazastreifen umgekommenen Jungen hatten nehmen wollen. Vielmehr wurde daran festgehalten, dass der Kampf gegen rechts Teil der deutschen Staatsräson sei. Dies bedeutete einen deutlichen Wandel des Verhältnisses zwischen dem autonomen, d.h. nicht an staatliche oder andere Strukturen angekoppelten Antifaschismus und dem Staat. Waren noch die 1990er Jahre insbesondere davon geprägt, dass die Gefahr und Bedeutung von Nazis durch den Staat heruntergespielt wurden und der Kampf gegen sie wesentlich durch autonome Antifaschst:innen aller Art geführt werden musste, übernahm ab den 2000ern der Staat in Teilen selbst diese Aufgabe (u.a. durch das Fördern der Beratungsstellen für Opfer von rechtsextremer Gewalt, in die nicht wenige autonome Antifaschist:innen wechselten, um sich ihre politische Arbeit bezahlen zu lassen) und versuchte die damals noch für rechte Organisation bedeutungsstarke NPD durch ein Verbot zu zerschlagen.

Diese beiden Entwicklungen sind es, die dazu beitrugen, dass die Strafverfolgung gegenüber Antifaschist:innen abnahm, nachdem man sie zuvor als Teil einer – ob tatsächlichen oder nur behaupteten – kommunistischen Bedrohung gesehen hatte, die zu bekämpfen war. Die letzten Ausläufer dieser Politik waren zu sehen, als die Pegida-Bewegung zustandekam und Gerhard Schröder aus dem Off den Aufruf nach einem „Aufstand der Anständigen“ wiederholte.
Dabei war die Übernahme antifaschistischen Engagements als Teil der Staatsräson nicht ohne Einschränkungen möglich: So wurde die finanzielle Förderung und auch Anstellung in bezahlte Arbeitsstellen gekoppelt an eine Erklärung der Verfassungstreue sowie dem Verzicht auf Gewalt; Antifaschismus wurde nur so lange als legitim betrachtet, wie er in der Öffentlichkeit als gewaltfrei darstellbar blieb. Das bedeutete nicht, dass dies auch tatsächlich so sein musste, aber es bedeutete, dass mindestens die Selbstdarstellung daran gekoppelt wurde. So waren auch die Diskussionen in der Vorbereitung antifaschistischer Großereignisse immer davon geprägt, wie offensiv mit der Absicht, die Nazis anzugreifen, umgegangen werden konnte. Gerade in Hinblick auf Großmobilisierungen wurde weniger der Spruch „Nazis angreifen“ für die Mobilisierung genutzt, sondern von Blockaden oder Sabotage gesprochen, was dem damals allgemeinen Sprachgebrauch nach ausreichte, um eine ausreichende Friedfertigkeit zu signalisieren.

Das verband sich ohnehin gut mit der fehlenden Perspektive linker Bewegungen in Hinblick auf eine revolutionäre Veränderung der gesellschaftlichen Lage. Die Anpassung an einen staatstreuen Jargon korrespondierte mit der Einrichtung in den Verhältnissen, die bis auf Weiteres unabänderlich erschienen, insbesondere nachdem in der Folge der tödlichen Schüsse auf Carlo Giuliani bei den militanten Auseinandersetzungen anlässlich des Treffens der G8 in Genua, welche das Ende der Gloablisierungsbewegung einläuteten, die wesentlich als große und internationale Hoffnungsträgerin nach dem Ende der Sowjetunion galt. Nach ihrem Ende schien die Welt auch aus einer linken Perspektive zwar immer noch in einem falschen, aber nichtsdestotrotz stabilen Zustand eingetreten zu sein, der wesentlich durch eine sich ungestört entfaltende Globalisierung geprägt gewesen war.

3.) Goldene Türme – Das Ende der Globalisierung

Wie es aber allgemein bekannt sein dürfte, verlief diese Entwicklung anders, als die Apologeten des Kapitalismus dies gerne gehabt hätten. Vielmehr kam die Globalisierung aus vielerlei Gründen ins Stocken, die hier auszuführen den Rahmen sprengen würde. Für die erneute Zunahme der Repression fokussieren wir uns hier auf ein paar dafür wesentliche Aspekte.

Dass die Globalisierung ins Stocken kam, zeigte sich nicht nur jüngst in aller Deutlichkeit mit dem Einbrechen der Lieferketten im Rahmen der Corona-Pandemie. Zuvor kam es bereits für den hier diskutieren Aspekt zu wichtigen Veränderungen: selbst Länder aus dem von der Globalisierung eigentlich profitierenden Europa wurden plötzlich von den negativen und wirtschaftlich destruktiven Auswirkungen getroffen, wie etwa Spanien, Italien und vor allem Griechenland. Die sog. Eurokrise und der daraufhin eingeschlagene Kurs der Austeritätspolitik innerhalb der Eurozone kann als einer der augenscheinlichsten Wendepunkte in der „Erfolgsgeschichte Globalisierung“ nach 1990 angesehen werden. In der Folge wuchs die Jugendarbeitslosigkeit auf ein Rekordniveau an und brachte insbesondere in Griechenland eine neue widerständige Aufstandsbewegung in Gang, die sich auch in anderen Ländern Europas zeigte und international in linken Kreisen positiv aufgenommen wurde. Neben einem Bereisen widerständiger Regionen zwecks Unterstützung der lokalen Strukturen und Befriedigung des eigenen Wunsches, an Revolten teilzunehmen, verbreitete sich hieraus eine neue Bereitschaft, auch in den eigentlich als stabil geltenden Ländern, wie eben auch Deutschland, zur offen staatsfeindlichen Politik zurückzukehren und sich verstärkt auf anarchistische und andere rebellische Theorien zu fokussieren. Der im vorangegangenen Abschnitt beschriebene Frieden mit den Verhältnissen wurde in Teilen wieder aufgekündigt. Und auch wenn Deutschland bis heute wirtschaftlich weitestgehend unbeschadet durch die meisten der aktuellen Krisen gekommen ist, so zeigt sich doch der gesellschaftliche Friede erschüttert, im Gesamtverhältnis, aber auch im Verhältnis zwischen Staat und einer linken Bewegung, aber und das ist wichtig: insbesondere einer linken Bewegung, die das Gewaltmonopol des Staates nicht mehr anerkennt.

4.) Was juckt es die Eiche, wenn sich die Sau an ihr kratzt – Das Gewaltmonopol

Aus dem bisher Erläuterten sollte deutlich geworden sein, dass der Staat umso toleranter ist, je sicherer und gefestigter er ist. Geht es dem Staat gut, ist die Opposition unbedeutend, dann wird der Opposition, auch der außerparlamentarischen, einiges an Freiheit zugestanden. Gegenüber Dissidenz, abweichendem Verhalten und Subkultur schaltet er auf „akzeptierende Sozialarbeit“; diejenigen, die nicht recht dazupassen wollen, sollen durch wohlwollendes Gewährenlassen an den Staat herangeführt werden.

Das bedeutet auch, dass ein bloßes Aufkündigen des Friedens mit dem Staat noch gar keine große Reaktion hervorruft. Dies geschieht erst in dem Moment, wo der Staat sich seiner selbst (aus tatsächlichen oder eingebildeten Gründen) nicht mehr sicher ist, er also eben nicht mehr fest steht wie eine Eiche. Kommt es aber dazu, dass die Gesellschaft in eine krisenhafte Phase eintritt, reagiert der Staat deutlich weniger milde. Er muss sich im Angesicht der Krise mit seinem Gewaltmonopol behaupten und reagiert feindseliger auf ein Infragestellen dessen. Ist dies der Fall, endet die Toleranz gegenüber Abweichungen von der Norm. Auf ein theoretisches Infragestellen des Gewaltmonopols wird mit Einschränkungen der Meinungsfreiheit reagiert, auf ein praktisches Infragestellen mit Repression.

Es ist aber eben erst im Moment der Krise überhaupt so, dass der Staat das Gewaltmonopol braucht. Der Staat hat seine wesentliche Funktion darin, dass er die Gesellschaft kompetent steuert, d.h. Krisen abwendet oder an ihnen vorbeiführt. In dem Maße, wie er diese Qualität verliert, muss er den Mangel an Kompetenz, Krisen zu vermeiden, durch Repression und Unterdrückung konkurrierender Strömungen wettmachen. Denn für die Fähigkeiten Krisen zu vermeiden, ist der Staat auf gesellschaftliche Ressourcen angewiesen. Werden diese ihm entzogen, etwa weil das Vertrauen der Gesellschaft in den Staat schwindet, verliert der Staat weitere Kompetenzen, die er zum Bewältigen der Krise braucht und seine Macht beginnt zu erodieren. Das bedeutet, dass da, wo es nicht mehr gelingt, durch Einschmeicheln die gesellschaftliche Zuarbeit zu festigen, vor allem hart gegen die vorgegangen wird, die die Feindschaft durch Wort und Tat ausdrücken, insbesondere da, wo sie einen tatsächlichen staatlichen Mangel aufdecken und berühren können. Zugleich schafft ab einem bestimmten Punkt dies der Staat nicht mehr alleine, er ist auf die Unterstützung durch die Gesellschaft angewiesen. Bezüglich des linksradikalen Antifaschismus bringt das den Staat in eine schwierige Lage.

5.) Den Teufel mit dem Beelzebub I – Mit allen gegen alle

Der linksradikale Antifaschismus ist ein Problem für den Staat, aber insbesondere da, wo er die Feindschaft mit dem Staat durch Wort und Tat signalisiert. Da, wo er dies nicht tut, ist er kein Problem, im Gegenteil: akzeptiert er die führende Rolle des Staates im Kampf gegen rechts, wird der Antifaschismus sogar explizit begrüßt und sogar eingefordert, wie zuletzt in den bundesweiten Massenmobilisierungen gegen die AfD deutlich zu sehen war. Bei diesen wurden sich liebgewonnene Parolen durch die bürgerliche Mitte angeeignet, wie etwa „alle zusammen gegen den Faschismus“, aber es bedeutet eben etwas ganz anderes, wenn dies nicht mehr als Ruf der Sammlung linksradikaler Kräfte gegen den faschistischen Feind gerufen wird, sondern als Forderung an alle Demokrat:innen, sich gegenüber der AfD zu sammeln. „Alle zusammen“ ist hier ja auch immer mit dem stummen Verweis auf das Grundgesetz versehen, dass sich zwar alle zusammen versammeln sollen, aber eben friedlich und ohne Waffen; ausgeschlossen aus dem „alle“ bleiben eben alle, die militant agieren oder dies zumindest bejahen. Denn ein Bündnis mit denen, die den Staat bedrohen, erscheint im Anblick des Versuchs, Feinde des Staates zu bekämpfen, als wolle man den Teufel mit dem Beelzebub austreiben.

Umgekehrt bedient sich der Staat auch derer, die sich von rechts mobilisieren lassen, um gegen den militanten Antifaschismus Stellung zu beziehen. Dies zwar weniger auf der Straße, umso mehr aber auf der inhaltlichen Ebene. Rechte Hetze gegen den Antifaschismus wird insbesondere da adaptiert, wo er taugt, militanten Antifaschismus und überhaupt militant und staatsfeindlich agierende linksradikale Bewegung zu diskreditieren; ähnliches gilt da, wo es darum geht, migrantisches Dissidententum zu kriminalisieren und den Kampf dagegen moralisch zu entlasten. Tatsächlich ist dies aber nicht, wie es erscheint, eine Einflussnahme von rechts auf den Staat; auch lässt der Staat sich nicht von rechts instrumentalisieren oder verfolgt die gleichen Ziele wie der faschistische Feind, sondern er gebraucht diesen, um seine zahlreichen Gegner:innen im Moment der Krise abwehren zu können. Hierfür ist jedes Bündnis und jeder Pakt recht, immer so weit, wie er für den eigenen Machterhalt tauglich und zugleich ungefährlich ist. In rechten Kreisen mag hierüber zwar kein wesentliches Bewusstsein bestehen, aber im Rahmen einer pragmatischen Schläue wird dies trotzdem antizipiert, was sich darin zeigt, dass rechte Agitatoren gegenüber der Exekutive immer sprechen, als ob sie Kreide gefressen hätten und nie vergessen, sich bei den Schlägern des Staates zu bedanken, ungeachtet der Frage, ob man sich zuvor oder in der Folge selbst mit ihnen anlegt. Gerade dieser Umstand zeugt davon, dass die neue Rechte sehr viel Wert darauf legt, dem Staat und auch der Gesellschaft gegenüber eben gerade nicht als Feind zu erscheinen und eben andersherum gerade daran zu arbeiten, dass die radikale Linke als ein solcher Feind erscheint.

Es ist also wichtig, sich in Bezug auf Repression klarzumachen, dass der Staat nicht wegen eines Rechtsrucks repressiver gegen Antifas vorgeht, sondern dass er sich aufgrund einer Schwächephase in Anbetracht zahlreicher gesellschaftlicher Probleme gegen seine erklärten und tatsächlichen Feinde behaupten muss und je nach Feind einen passenden Bündnispartner wählt, der ihn mit der ihm fehlenden Kraft und den fehlenden Ressourcen ausstatten kann. Repression richtet sich aktuell eben in alle Richtungen verstärkt, wie ja nicht zuletzt zu sehen ist darin, mit welchem Tamtam gegen die AfD mobilisiert wird. Ob ein Feind der bürgerliche Demokratie dabei links, rechts, islamistisch oder irgendetwas anderes ist, spielt keine wesentliche Rolle.

6.) Den Teufel mit dem Beelzebub II – Standpunkt klären

Die radikale Linke und der linksradikale Antifaschismus müssen sich in der aktuellen Lage auch selbst mit einer ähnlichen Frage beschäftigen: Will man mit Gesellschaft und Staat gegen den Faschismus vorgehen oder will man den Kampf weiter gegen die Wurzeln des Faschismus führen und also in der Opposition gegen den Staat verweilen? Hierzu ist es unabdingbar, sich klarer über die Ursachen des Faschismus zu werden und seine Ursachen erkennen und verstehen lernen, ebenso zu verstehen, dass nicht die Faschisten die Ursache für den Faschismus sind, sondern eine bestimmte gesellschaftliche Lage den Faschismus erstarken lässt. Es ist unausweichlich zu erkennen, dass die Ursache für mehr Repression gegen militante Antifaschist:innen auf die Intensität der gesellschaftlichen Krise hinweist. Hier ist eben das, was als Rechtsruck interpretiert wird, nicht die Ursache für mehr Repression, sondern vielmehr ist mehr Repression Ausdruck einer Schwächung staatlicher Macht. Darüber hinaus muss man verstehen, dass ein „Es wird der Kampf gegen den Antifaschismus geführt, getroffen hat es wenige, aber gemeint sind wir alle“ zwar als Propaganda taugt, aber nicht der Wirklichkeit entspricht: vielmehr wird Antifaschismus sogar gesellschaftlich und staatlich gewürdigt, wenn er sich klar zum Gewaltmonopol des Staates bekennt. Dass dies der Fall ist, zeigt sich auch darin, dass ja gerade rechte Verschwörungsaufdecker ein Bündnis zwischen „der Antifa“ und „der Regierung“ wittern, ein Bündnis, was nicht imaginiert, sondern unter den genannten Bedingungen durchaus möglich ist. Die Zeit jedenfalls, wo man mit seinem Radikalismus kokettieren konnte, ohne sich dafür Ärger einzuhandeln, ist vorbei. Es stellt sich die Frage, ob man den gesellschaftlichen Status Quo verteidigen und erhalten will oder ob man die Schwäche des Staates nutzen will, um eine andere gesellschaftliche Ordnung zu etablieren. Sollte die Entscheidung für Ersteres fallen, dann ist dies zwangsläufig mit einem (und sei es nur vorgetäuschten) Anerkennen des staatlichen Gewaltmonopols verbunden. Fällt sie für Zweiteres, dann ist ein ernstgemeintes Klagen über Repression wohl fehl am Platz. Klagen mag dann noch für Propaganda taugen, alles andere ist selbstgerechte Selbsttäuschung.

 

7.) Alles ist ernst – Zum Umgang mit Repression

„Die Repression wirkt, reden wir darüber“. Das ist natürlich ein richtiger Satz, denn Repression wirkt und es ist sicherlich irgendwie hilfreich darüber zu reden. Aber eines muss man sich doch sehr klar machen: Reden wird die Wirksamkeit von Repression nicht mindern, auch nicht, dass sie auf die Psyche wirkt, auf den Freundeskreis, auf die politische Praxis und was nicht sonst noch im Text von Kappa aufgelistet wurde. Das ist die Wirkung von Repression und das bleibt sie auch, egal wieviele Worte wir darüber verlieren. Reden und reflektieren kann daran nichts ändern. Und es ist auch nicht möglich, einen Zustand herzustellen, wo Repression nicht auf einen wirkt, außer, man schafft es, sich vollkommen abzustumpfen oder mit einem so starken Bild aufzuladen, dass man den Eindruck hat, in den vollkommenen und endlosen Kampf einzutreten, wo selbst noch das Leben im Knast einen nicht zu brechen vermag, wo die politische Praxis die Antwort auf alles ist und es abseits des Kampfes nichts mehr gibt, wo also die Abwesenheit des Kampfes, das Erlöschen der Handlungsfähigkeit schwerer wiegt, als zum Ziel staatlicher Repression zu werden. Das nennt man im Allgemeinen Ideologie und sie hat ein Problem, nämlich, dass sie notwendig unwahr ist und wer sie predigt, lobt das Unrecht.

Ein Gespräch über Repression sollte demgegenüber gerade von Ideologien befreien, damit alle wissen, worauf sie sich einlassen. Dabei ist es von besonderer Wichtigkeit, dass es eine Sache in Deutschland aktuell noch nicht gibt: Eine institutionalisierte und staatlich organisierte Verfolgung Unschuldiger. Wem die Repression zu gefährlich ist, der sollte sich von bestimmten Arten der Praxis fernhalten. Und alle sollten Abstand davon nehmen, dieses irgendwie zu diskreditieren oder schwach zu machen, weil es genau dieses Verhalten ist, was dazu führt, dass Menschen sich zu etwas hinreißen lassen, was über ihr Limit geht und wenn dann die Repression zuschlägt, dann ist es einfach alles zu viel.

Des Weiteren sollten sich alle klarmachen, dass die Zeit, wo einem allerlei durchgelassen wird, vorbei ist. Die sich beispielsweise in Leipzig ausweitende und vielfach auch bejubelte militante Praxis der letzten Jahre, wird nun stärker verfolgt. Vielleicht kommt eine Zeit, in der sich viele insgeheim fragten, wo denn eigentlich die Bullen bleiben nochmal wieder, vielleicht aber auch nicht. Diese und andere Entwicklungen werden sich daran orientieren, welchen Verlauf die Krisen nehmen und nicht daran, wie unsere Einstellung oder schwärmerische Vorstellung darüber ist. Aktuell ist die Lage so: Die Anspannung innerhalb von Staat und Gesellschaft ist hoch, auch für kleinere Vergehen gibt es Strafen. Laxheit und Unvorsicht können einem schnell Probleme bringen, deswegen ist es unabdingbar, sich darüber zu informieren, wie die Rechtslage ist und wie sie derzeit ausgeschöpft wird. Nur das sollte als Praxis gewählt werden, mit dessen Konsequenzen man leben kann – dafür ist es Voraussetzung, diese zu kennen.

Abstand sollte genommen werden von einer Haltung: Wie können wir immer weiter machen, wie bleiben wir handlungsfähig? Damit werden einige Fragen übersprungen, unter anderem die, ob es gerade sinnvolle Handlungen gibt und wie diese aussehen.
Und noch ein Letztes zum Darüber-Reden: die Welt ist ein übler, gefährlicher und düsterer Ort, nur ein Schleier vermag dies zu verdecken. In Anbetracht dieses Schleiers mag man sich täuschen lassen und das macht uns naiv; Repression reißt uns hinter den Schleier. Wenn Reden darauf abzielt, dass man wieder in den Bereich zurückkehrt, wo man sich wohlfühlen kann und so tut, als ob man das Schlechte nicht mehr kennt, dann ist das Reden falsches Geschwätz. Reden können wir nur, wenn wir hinter den Schleier blicken und nur wer sich an das Scheußliche herantraut, was hinter dem Schleier liegt, kann die Fähigkeit entwickeln, es zu verändern.

Die Welt, die gegen den Faschismus verteidigt werden kann, muss erst noch werden.

Hier der Link zur Kappa-Broschüre: https://kappaleipzig.noblogs.org/files/2023/05/KAPPA-Repression-Broschuere.pdf


alea • antifaschistisch & autonom (Leipzig, Juni 2024)