Fast jeder zweite Leipziger Stadtrat scheidet aus dem Parlament aus
Großes Stühlerücken: So viele ehrenamtliche Kommunalpolitiker wie nie zuvor müssen sich aus der Leipziger Ratsversammlung verabschieden. Dabei haben auch mehrere erfahrene „Polit-Hasen“ den Wiedereinzug verpasst.
Leipzigs Kommunalpolitik steht vor dem größten Umbruch der vergangenen Jahrzehnte. Fast die Hälfte der 70 Plätze in der Ratsversammlung muss nach der Wahl vom Sonntag neu besetzt werden.
16 derzeitige Stadträtinnen und Stadträte hatten sich nicht mehr um eine Fortsetzung ihres Mandats beworben. 17 Mandatsträger bekamen für eine Wiederwahl nicht genügend Stimmen, darunter der dienstälteste Leipziger Stadtrat Christian Schulze (SPD), der dem Kommunalparlament seit 1990 angehört.
„Ein Stadtratsmandat ist kein Erbhof“
Er hätte gern noch „eine Runde weitergemacht und sicher auch noch etwas einbringen“ können, so der 61-Jährige gegenüber der LVZ. „Doch so ist Demokratie nun mal. Ein Stadtratsmandat ist kein Erbhof“, sagte Schulze, der nach 34 Jahren seine Stadtratskarriere beendet.
Er könne sich nun noch intensiver seinem Beruf widmen. Als Leiter eines Pflegeheimes trage er Verantwortung für 100 alte Menschen, für 75 Mitarbeiter und ein Millionenbudget. Auf jeden Fall werde er nun auch Zeit finden, um intensiv Englisch zu lernen, damit er sich mit seinem Schwiegersohn endlich fließend unterhalten kann.
Sein Mandat hat auch Konrad Riedel verloren. Ihm ist die Enttäuschung selbst am zweiten Tag nach der Wahl noch anzumerken. Seit 25 Jahren sitzt er ununterbrochen für die CDU im Stadtrat. „Ich habe das gerne und mit Herzblut gemacht“, sagte der 75-Jährige, der vor allem die Interessen von Kleingärtnern, Senioren und Behinderten vertritt.
So hatte er sich unter anderem dafür eingesetzt, dass nach der Eröffnung des City-Tunnels in der Unterführung von der Nikolaistraße zu den Promenaden im Hauptbahnhof ein barrierefreier Zugang entstand und ein Fahrstuhl nachträglich eingebaut wurde.
Mit Bilanz der Arbeit im Stadtrat zufrieden
Auch Steffen Wehmann von der Linksfraktion wird im August zum letzten Mal im Plenarsaal sitzen, im September soll sich dort bereits der neue Rat konstituieren. Der 60-jährige Haushaltsexperte gehört der Ratsversammlung seit 2009 an, ist Vorsitzender des Finanz- und des Haushaltsausschusses. Mittlerweile arbeitet er in insgesamt 13 Gremien ehrenamtlich mit.
„Ich hätte gerne noch ein paar Jahre weitergemacht“, gestand er. Aber es habe trotz eines „Top-Ergebnisses“ der Linken in seinem Wahlkreis Nordost nicht gereicht. Er freue sich trotzdem, dass er verschiedenen Projekten in seinem Wahlkreis mit aufs Gleis helfen konnte, so unter anderem der Sanierung der Astrid-Lindgren-Schule, dem Start des Umbaus der Gorkistraße und der Umgestaltung des Abtnaundorfer Parkteiches.
Von Grünen-Fraktion nur noch drei Stadträte übrig
Von der jetzigen Linksfraktion wird in der nächsten Wahlperiode nur noch die Hälfte der Mitglieder dem Rat angehören. Auch der Chef der Leipziger Linken, Adam Bednarsky, verpasste den Wiedereinzug.
Noch größer fällt der Umbruch allerdings bei Bündnis 90/Die Grünen aus. Von ihren derzeitigen 15 Stadträten können gerade mal noch drei weitermachen. Fünf waren gar nicht mehr angetreten, sieben schafften die Wiederwahl nicht.
Bei der Stadtratswahl am Sonntag hatte die CDU mit 18,9 Prozent das beste Ergebnis erzielt. Dann folgten Die Linke mit 17,5 Prozent und die AfD mit 17 Prozent. Die Grünen fielen auf 15 Prozent zurück, die SPD auf 12,1 Prozent. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) erreichte 9,6 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 67,4 Prozent.
Wer nicht mehr im neuen Stadtrat vertreten ist
Linke: Adam Bednarsky, Michael Neuhaus, William Rambow und Steffen Wehmann bekamen nicht genug Stimmen. Oliver Gebhardt, Marianne Küng-Vildebrand, Mathias Weber und Marcus Weiss waren nicht mehr angetreten.
Grüne: Andreas Dohrn, Jürgen Kasek, Martin Meißner, Bert Sander, Michael Schmidt, Anna Schneider Kaleri und Norman Volger wurden nicht wiedergewählt. Martin Biederstedt, Tim Elschner, Annette Körner, Monika Lazar und Anne Sehl traten nicht mehr an.
CDU: Marcus Mündlein und Konrad Riedel erreichten nicht genug Stimmen. Andrea Niermann, Claus Uwe Rothkegel und Siegrun Seidel traten nicht mehr an.
AfD: Falk-Gert Pasemann wurde nicht wiedergewählt. Karl-Heinz Obser kandidierte nicht erneut für den Stadtrat.
SPD: Christian Schulze bekam nicht genug Stimmen. Heike Böhm trat nicht mehr an, ebenso wie Heiko Bär, der zuvor schon aus der SPD ausgetreten war.
Piraten: Ute Elisabeth Gabelmann wurde nicht wiedergewählt.
FDP: Sascha Matzke erhielt nicht genug Stimmen.
Fraktionslos: Nuria Silvestre Fernandez, die im vergangenen Jahr aus der Grünen-Partei ausgetreten war, hatte sich nicht erneut um ein Mandat beworben.