Lößniger Kita vor Schließung: „Wir wurden angelogen und hintergangen“
Wegen des Geburtenrückgangs sollen zwei Leipziger Kitas schließen – hieß es bislang. Doch Eltern aus Lößnig halten das für eine Lüge: Ihre Kita sei Nummer drei. Die Stadt spricht von „Zusammenlegung“.
Das Jugendamt spricht von einer Zusammenlegung, aber für die Eltern ist es eine Schließung: Von zwei benachbarten Lößniger Kindertagesstätten wird die eine Einrichtung, in die sie ihre Kleinen jeden Tag bringen, bald nicht mehr da sein.
„Die beiden Kitas teilen sich nichts außer einer gemeinsamen Wand“, betont Anke Bley aus dem Elternrat. Andere Erzieherinnen, verschiedene Essenszeiten, unterschiedliche pädagogische Konzepte – bislang. Doch ab August teilen sie alles. Die Kita in der Hans-Otto-Straße 2a und die Kita in der Hans-Otto-Straße 2b, so informiert das Jugendamt, sind jeweils nur hälftig belegt: zusammen rund 120 Kinder. 61 davon sind in der 2b angemeldet, aber sie sollen dort raus.
Schließung trotz frischer Sanierung
Das grundsätzliche Problem ist seit Jahresbeginn bekannt und hat zu Schlagzeilen und Stadtratsdebatten geführt. Leipzig steckt seit einigen Jahren einerseits viel Kraft in Bau und Sanierung von Kitas; andererseits geht die Zahl der Geburten zurück: 2024 gibt es rechnerisch rund 4000 Betreuungsplätze zu viel. Mit weniger Kindern geht allerdings der Landeszuschuss zurück. Im Betreuungsschlüssel hinkt Sachsen bundesweit hinterher.
Dennoch wolle man die Infrastruktur weitgehend erhalten, sicherte Jugendbürgermeisterin Vicki Felthaus (Bündnis 90/Grüne) Ende April im Stadtrat zu. Lediglich zwei Kitas in baufälligen Gebäuden in Neustadt-Neuschönefeld und in Leutzsch wolle man aufgeben. Nur zwei Tage später waren jedoch die Eltern der beiden Lößniger Einrichtungen zu einem Elternabend eingeladen. „Frau Felthaus’ Aussage entspricht nicht der Realität“, sagt Bley. „Die Stadt spricht offiziell nur von zwei Schließungen, aber plötzlich betrifft es auch uns als frisch sanierte Kita.“
Versetzung von sechs Erzieherinnen bereits beschlossen
Auf LVZ-Anfrage beschreibt das Jugendamt den Plan so: „Die Begleitung der Kinder der Einrichtung Hans-Otto-Straße 2b zur Hausseite 2a erfolgt schrittweise und beginnt ab sofort.“ Um den Übergang zu erleichtern, sei auf dem Elternabend ein Personalplus von vier Vollzeitstellen „für den Zeitraum der Zusammenlegung und auch im Anschluss“ in Aussicht gestellt worden.
Erst nach dem Elternabend habe sich ergeben, so das Jugendamt, dass von den zwölf pädagogischen Fachkräften der 2b vorerst sechs in die 2a und sechs in andere Einrichtungen wechseln. Wann die Erzieherinnen weggehen, sei noch offen. „Die Begleitung der Kinder hat oberste Priorität.“ Soweit die Ankündigung.
Eltern-Mail ans Jugendamt
„Man kann der Stadt überhaupt nicht vertrauen“, beklagt jedoch Cornelia Gerth. Auch sie gehört dem Kita-Elternrat an. Beim Elternabend hätten sich die Pläne noch akzeptabel angehört. „Aber keines der Versprechen bewahrheitet sich“, ärgert sie sich. Der Elternrat hat eine Mail an Jugendamt und Jugendbürgermeisterin geschickt. Der Elternabend erscheint darin in einem anderen Licht: „Seitens der Stadt wurde uns versichert, dass alle Erzieher übernommen werden und die Kinder in die 2a begleiten und eingewöhnen“, heißt es darin. „Ihnen würde mindestens ein halbes Jahr Zeit gegeben werden, um sich an die neue Situation zu gewöhnen, und erst dann werden Erzieher versetzt.“
Die Mütter fürchten, dass ihre Kinder ausgerechnet die Betreuerinnen verlieren, zu denen sie Vertrauen aufgebaut haben. „Bindungsabbrüche können in Kinderseelen sehr viel Schaden anrichten“, sorgt sich Anke Bley. Dass die Bezugserzieherin ihrer vierjährigen Tochter nicht übernommen werde, sei bereits klar. „Und das, obwohl sie selbst den Wunsch hat, mit in die 2a zu kommen.“ Die Eltern würden ungefragt vor vollendete Tatsachen gestellt. In der Mail schreiben sie: „Eltern und Erzieher wurden angelogen und hintergangen.“
Franziska Lange, die sich ebenfalls im Elternrat engagiert, spricht vom Gefühl, allein gelassen zu werden. „Das geht uns ebenso wie den Erzieherinnen. Auch die Kinder merken es.“ Zumal sich die benachbarten Kitas in ihren pädagogischen Konzepten unterscheiden.
In der 2b werden die Kinder weitgehend in Gruppen mit festen Erzieherinnen betreut. Nur im Garten, in den Randzeiten, zum Mittagessen und zur Ruhezeit werden sie anders zusammengewürfelt, je nachdem ob sie Mittagschlaf halten oder nicht: ein sogenanntes teiloffenes Konzept. „Als Eltern haben wir uns bewusst für diese Betreuungsform entschieden“, sagt Lange.
Leipzig setzt auf offenes Betreuungskonzept
Dagegen verfolgt die 2a ein offenes Konzept: Die Kinder bleiben nicht im Gruppenverband, sondern suchen sich aus übergreifenden Angeboten aus, wie sie den Tag verbringen: ein Bastelprojekt? Bewegungsspiele? Oder einfach nur mit den Freunden im Garten quatschen? Das Jugendamt spricht von „Kindzentrierung“, „Bedürfnisorientierung“ und der „Arbeit in Bildungsräumen“: Im Dezember 2023 habe man beschlossen, in allen städtischen Kitas verbindliche Mindeststandards in diese Richtung zu setzen. „Das hätte auch für den Standort Hans-Otto-Straße 2b eine Veränderung in der pädagogischen Arbeit mit sich gebracht.“
Franziska Lange wundert sich darüber: „Leipzig rühmt sich doch immer für die Vielfalt der Kitas und die Wahlfreiheit der Eltern.“ Ihre Kritik: „Nicht für jedes Kind eignet sich das offene Konzept.“ Nicht für die sieben Kinder der 2b-Kita, bei denen ein besonderer Förderbedarf festgestellt sei, vermutet sie. Ebenso wenig für Kinder aus Flüchtlingsfamilien und für Kinder, die das Jugendamt aus ihren ursprünglichen Familien genommen habe.
Eltern suchen nach anderen Kita-Plätzen
„Die Stadt könnte doch wenigstens beide Haushälften weiternutzen, statt eine zu schließen“, findet Anke Bley. Mit 120 Kindern in der 2a werde es „eng, laut und infektiös“, befürchtet sie. „Die Wirtschaftlichkeit steht über allem, auch wenn das Jugendamt etwas anderes behauptet.“
Indes hat die Abstimmung mit den Füßen bereits begonnen: Cornelia Gerth hat für ihren vierjährigen Sohn einen Platz in einer anderen Kita gefunden. Franziska Lange hat Besichtigungstermine vereinbart und wird ihre drei Kinder möglicherweise ebenfalls anderswo anmelden. Es gehe ihr vor allem um ihre einjährige Tochter, deren Eingewöhnung gerade erst abgeschlossen sei: „Wenn ihre Erzieherin weg ist“, seufzt sie, „dann gehen wir auch“.