Zur Fußball-EM: Fans von Chemie Leipzig klagen gegen Gefährderschreiben

Die Polizei Leipzig hat zahlreiche Gefährderanschreiben an Fußballfans im Zusammenhang mit der Fußball-EM verschickt. Die Betroffenen wollen rechtlich dagegen vorgehen.

Mehrere Fans des Fußball-Regionalligisten Chemie Leipzig gehen vor Beginn der Fußball-EM juristisch gegen die Einstufung als sogenannte Gefährder vor. Die Polizeidirektion Leipzig hat im Vorfeld des internationalen Tunieres mehr als 200 Gefährderanschreiben versendet. Diese, so Polizeisprecher Olaf Hoppe, seien an Personen gerichtet, die nach Recherchen im Auskunftssystem der Polizei im Tatverdacht zu Straftaten bei vergangenen Fußballspielen stehen.

Auch einige Fans von Chemie Leipzig sind offenbar betroffen. Wie das Rechtshilfekollektiv des Vereins mitteilte, wollen einige von ihnen rechtlich dagegen vorgehen. Den Adressaten sei vorgeworfen worden, bereits ein rechtswidriges Verhalten während des anstehenden EM-Turniers zu planen.

Die Schreiben der Polizei seien auf Grundlage von Einträgen in einer bundesweiten Datenbank erstellt worden, der sogenannten „Gewalttäter Sport-Datei“, heißt es weiter. In dieser werden Informationen über Personen erfasst, die im Zusammenhang mit Ausschreitungen bei Fußballspielen identifiziert wurden. Die Datei ist in den Fußballfanszenen seit Jahren umstritten, wird in Fachkreisen auch als zu pauschal angesehen.

Rechtshilfe kritisiert Vorgehen der Polizei

Die aktuelle Vorgehensweise der Polizei kritisiert das Rechtshilfekollektiv nun als „systematisch, pauschal, populistisch und zumeist ohne wirkliche Kenntnisse über Fanszenen und Gefahren“. Die Aufnahme einer Person in die „Gewalttäter Sport-Datei“ sei von subjektiven Beurteilungen einzelner Polizeibeamter abhängig. „Dass hier teils völlig unbescholtene und nicht vorbestrafte Fans durch die Polizei eingeschüchtert und als potenzielle Straftäterinnen und Straftäter markiert werden, ist für uns ein erheblicher Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und entbehrt außerdem jedweder Verhältnismäßigkeit“, so Miriam Feldmann, Sprecherin des Rechtshilfekollektivs.

Von der Polizei heißt es, die Gefährderansprachen seien ein polizeiliches Mittel der Prävention. „Die Polizeidirektion Leipzig musste leider immer wieder von Fußballspielen berichten, bei denen es zu Ausschreitungen gekommen ist“, so Sprecher Olaf Hoppe. „Am Handeln dieser Fans, einer Minderheit, liegt es, dass ein polizeilicher Schwerpunkt auf der Absicherung in den unterschiedlichen Ligen gibt.“ Ob weitere präventive Maßnahmen wie Aufenthaltsverbote nötig seien, werde geprüft.

Das erfasst die Datei Gewalttäter Sport

Die „Datei Gewalttäter Sport wird“ vom Bundeskriminalamt geführt und speichert spezifische Daten einzelner Personen. Um darin registriert zu werden, ist eine Verurteilung für eine Straftat nicht zwingend notwendig, wie das zuständige Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste Nordrhein-Westfalen informiert. Die Regeln gelten bundesweit.

Daten von Personen, deren Personalien festgestellt, gegen die Platzverweise erteilt, Verfahren eingeleitet oder die in Gewahrsam genommen wurden, können in der Datei gespeichert werden, „wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigten“, dass diese Personen bei weiteren Sportveranstaltungen bedeutsame Straftaten begehen werden, heißt es. Die Speicherung könne auch nach Beobachtungen im Stadionumfeld, bei An- und Abreise zu Spielen und an anderen Treffpunkten erfolgen. Im Dezember 2020 erfasste die Datei etwa 7900 Personen bundesweit.