Angriff auf Leipziger Linken-Wahlstand: „Erst bepöbelt, dann getreten“
Auch in Leipzig nimmt die Bedrohung von Wahlkämpfern zu. Ein Team der Linken wurde am Lindenauer Markt angegriffen. Eine Wahlhelferin aus dem Team berichtet über den Abend, der in Gewalt endete und die Folgen.
Es ging um Wahlkampf, aber auch um Nachbarschaftshilfe und sozialen Austausch. Tatort Lindenauer Markt in Leipzig: Wie seit einigen Wochen hat das Wahlkampf-Team der Linken für den Westen und Südwesten der Stadt am Montagabend damit begonnen, kostenloses Essen auszugeben. Vor der dm-Drogerie verteilt Joanna Sammler (34) Flyer für die Kommunalwahl am 9. Juni. Die Biochemikerin, die für die Linke im Wahlkreis 7 kandidiert, gehört zum Team um den Landtagsabgeordneten Marco Böhme. Der Vize-Fraktionschef der Linken im sächsischen Landtag tritt im Wahlkreis 5 für den Leipziger Stadtrat an und auch für die kommende Landtagswahl am 1. September.
Eigentlich ein ganz normaler Abend auf einem beliebten Platz im Leipziger Westen. Doch dann wird Joana Sammler von einem „älteren Herrn“ das erste Mal angepöbelt und beschimpft. „Er war verbal aggressiv und erklärte uns schreiend, dass alle anderen Parteien sowieso Sch … seien und die AfD die einzig wahre Partei“, erzählt die Linken-Kandidatin, die am Mittwoch als Augenzeugin in einem Café am Lindenauer Markt ihre Eindrücke von der Attacke schildert.
Wahlhelfer gezielt ins Visier genommen
Nachdem sich die Lage kurz beruhigt hat, kehrt der Pöbler zurück und nimmt Kurs auf den Essensstand der Linken in der Mitte des Platzes, an dem zwei weitere Wahlhelfer im Einsatz sind. Auf antisemitische und sexuelle Schimpfworte folgen erste Handgreiflichkeiten, so Sammler. „Ich bin dazwischen gegangen, um zu schlichten. Auch einige Passanten wollten das Schlimmste verhindern.“
Doch es hilft nicht viel. Die junge Frau muss miterleben, wie zwei Helfer aus ihrem Wahlkampfteam am Essensstand gezielt ins Visier genommen werden. „Einem Genossen wurde das Basecap vom Kopf geschlagen und er wurde im Gesicht getroffen“, berichtet Sammler. Als sein Freund helfen will, wird er „mit den Füßen in den Bauch getreten“. Man habe den Angreifer wegführen wollen, doch er habe weiter geschrien und mit Beleidigungen reagiert, so die Linken-Kandidatin. Als Ausweg habe nur noch ein Anruf bei der Polizei geholfen. „Die war schnell am Ort des Angriffs“, sagt Sammler. Der Angreifer kann allerdings zwischen den Häuserzeilen rund um den Lindenauer Markt unerkannt entkommen. Die Polizei, die die Attacke bestätigte, sucht nach ihm.
Linken-Kandidatin; „Gewaltpotenzial war erschreckend“
Fast parallel mit den Sicherheitskräften trifft auch der Rettungsdienst ein. Das am Bauch getroffene Opfer wird nach einer Erstversorgung zur Beobachtung in eine Leipziger Klinik eingeliefert, in der Nacht wird der Linken-Wahlhelfer entlassen. Es gehe ihm den Umständen entsprechend gut, so Sammler über ihren verletzten Genossen. Auch die Wahlhelferin muss diesen Gewaltausbruch erst noch verarbeiten. „Pöbeleien im Wahlkampf sind wir ja gewohnt“, sagt sie, „aber dieses Gewaltpotenzial war schon erschreckend.“
Und lässt sie sich davon beeindrucken? Was löst so eine körperliche Attacke im Kopf einer jungen Wahlhelferin aus? Natürlich sitze jetzt die Angst ein bisschen im Hinterkopf, räumt Sammler ein. Aber sie und ihr Team lassen sich davon nicht beeindrucken. „Wir sind alle hoch motiviert und machen natürlich weiter“, sagt sie. Schon am Donnerstag sei man wieder mit einem Wahlstand in Alt-Lindenau vertreten. Und nach der Kommunalwahl gehe es mit der Landtagswahl weiter.
Auch Sachsens Parteizentrale der Linken reagiert auf die Attacke in Leipzig kämpferisch. „Der anhaltende Hass, der uns in diesen Tagen entgegenschlägt, kann nur eine Reaktion hervorrufen: Jetzt erst recht!“, sagt Landesvorsitzender Stefan Hartmann. „Wir lassen uns nicht einschüchtern und werden auch am kommenden Montag wieder auf dem Lindenauer Markt stehen und Essen verteilen.“