Streit um WGT-Konzert im Leipziger Schauspiel – Mitarbeiter fordern Absage

Zum Wave-Gotik-Treffen findet auch ein Konzert im Schauspiel Leipzig statt. Mitarbeitende sehen rechtsextreme Verbindungen und wollen Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke zur Absage bewegen.

Mitarbeiter des Schauspiels Leipzig wehren sich gegen den Auftritt einer italienischen Band anlässlich des diesjährigen Wave-Gotik-Treffens (WGT) im Haus. Der Gruppe werden Verbindungen in die rechtsextreme Szene vorgeworfen. Sie forderten Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke (Linke) am Freitag auf, das Konzert abzusagen. Diese sieht dafür keinen Handlungsspielraum. Die Leitung des Kulturbetriebs selbst erklärte, sie nehme die Bedenken ernst, habe Strafanzeige bei der Polizei gestellt.

Konkret geht es offenbar um die Band Camerata Mediolanense, die laut WGT-Programm am Samstagabend im Schauspiel Leipzig auftreten soll. Die städtische Bühne vermiete seit Jahren ihre Räumlichkeiten an das Festival, teilte die Pressestelle des Schauspiels auf LVZ-Anfrage mit. Allerdings ohne das Programm vorab zu kennen. „Dem Schauspiel Leipzig wird durch das WGT erst sehr knapp vorher mitgeteilt, welche Bands hier auftreten werden.“

Vorwurf: SS-Symbol bei früherem Auftritt im Schauspiel

Nachdem Anfang April 2024 der Name der Gruppe öffentlich wurde, hätten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses bei der Geschäftsleitung Vorbehalte geäußert, „dass diese Band dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen sei und bei einem Auftritt unter der vorherigen Intendanz vor über zehn Jahren ein Mitglied der Band ein verfassungsfeindliches Symbol (SS-Koppel) getragen habe“, so das Schauspiel weiter.

Am Freitag veröffentlichte auch die Gewerkschaft Verdi einen offenen Brief, gezeichnet von der Schauspiel-Belegschaft und gerichtet an Leipzigs Kulturbürgermeisterin. In diesem ist unter anderem von einem Interview mit der Neonazi-Organisation „Blood & Honour“ die Rede. Dem Magazin der in Deutschland verbotenen Gruppierung habe Camerata Mediolanense ein Interview gegeben, später sei die Band auch auf rechten Festivals aufgetreten. Die Schauspiel-Mitarbeiter könnten das nicht ignorieren und empfänden es als problematisch, dass solch einer Band eine kommunale Bühne geboten wird, heißt es im offenen Brief weiter.

Camerata Mediolanense selbst bestreiten, rechtsextreme Verbindungen zu haben. In einem Interview mit dem belgischen „Peek a Boo Magazine“ bestätigten sie zwar Einladungen zu rechtsextremen Treffen in der Vergangenheit. Allerdings hätten die Band diese nie angenommen. Vielmehr versuche man, politische Kontexte zu vermeiden.

WGT stuft Vorwürfe als unbegründet ein

„Aus unserer Sicht sind die Vorwürfe unbegründet“, teilte die Pressestelle des WGT am Freitag in Reaktion auf LVZ-Anfrage mit. „Die Band ist mehrfach beim WGT aufgetreten, darunter auch schon 2009 im Schauspielhaus. Und dort gab es keinerlei politischen Inhalte, die von der Band vermittelt wurden.“

Die Band sei vom WGT-Team mit dem Vorwurf zum letzten Auftritt im Schauspielhaus konfrontiert worden, so die Pressestelle. Die Gruppe habe dies abgestritten und auch mit Bildmaterial vom Auftritt belegen können. „Wir können die Vorwürfe nicht nachvollziehen. Das Auftrittsverbot, das hier gefordert wird, ist ungeheuerlich.“ Darüber hinaus wollte sich das Team nicht äußern.

Theaterbühne stellt Anzeige wegen Sicherheitsgefährdung

Das Schauspiel Leipzig habe nach Bekanntwerden des Line-ups das Gespräch mit dem Wave-Gotik-Treffen gesucht, sagte eine Schauspiel-Sprecherin. Die dortige Geschäftsführung habe jedoch ablehnend reagiert. „Zudem bat das WGT um Bekanntgabe der Personalien unserer Mitarbeitenden, um juristisch gegen diese vorzugehen“, hieß es weiter. Mitte April habe das Schauspiel deshalb eine Anzeige bei der Polizei „wegen einer möglichen Sicherheitsgefährdung“ gestellt. Inzwischen werde das Verfahren von der Staatsanwaltschaft Leipzig geführt.

Klar scheint: Zumindest in den Polizeiakten gebe es bisher keine Einträge zur Band, sagt die Schauspiel-Leitung. Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke erklärte am Freitag: „Eine Abfrage bei der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz in Bonn, welche für eine mögliche Indizierung zuständig wäre, verlief ohne Ergebnis. Es liegen also derzeit keine Erkenntnisse hinsichtlich eines strafrechtlich relevanten Handelns vor.“ Entsprechend habe das Schauspiel Leipzig auch keine juristische Grundlage, den Auftritt der Band zu unterbinden. „Die Programmhoheit über das Festival obliegt dem WGT“, sagte Jennicke.

Schauspiel fordert von Kommune Umdenken beim WGT

Im Schauspiel wollen die Verantwortlichen den Auftritt von Camerata Mediolanense am Samstag – wie es heißt – mit erhöhter Wachsamkeit begleiten und mögliche verfassungsfeindliche Vorgänge auch aufzeichnen, um sie der Polizei zu übergeben. Generell wünscht sich Leipzigs größte Theaterbühne aber auch ein grundsätzliches Umdenken beim Umgang mit dem Wave-Gotik-Treffen in der Stadtverwaltung. „Dem Festival sollte die Verpflichtung auferlegt werden, sich an die gängigen demokratischen Normen zu halten und bereits weit im Vorfeld die geplanten Konzerte zu kommunizieren, um verfassungsfeindliche Ansätze bei diesem Festival zu vermeiden und im Vorfeld zu verhindern“, so das Schauspiel gegenüber der LVZ.

In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Vorwürfe an das Wave-Gotik-Treffen, dass dort auch Bands aus dem rechten Musikspektrum spielen würden. Konkret ging es dabei vor allem um Künstlerinnen und Künstler der Musikrichtung „Neofolk“, denen zum Teil eine Anlehnung an Ästhetik und Inhalte des Nationalsozialismus vorgeworfen wird. Die Band Camerata Mediolansense bezeichnet den eigenen Stil aus Elementen von klassischer Musik, EBM und Industrial als „Neoklassik“. Seit 1999 sind die Italiener bereits mehrfach beim WGT in Leipzig aufgetreten.


Offener Brief der Beschäftigten am Leipziger Schauspiel

Pressemitteilung vom 17.05.2024

ver.di-Mitglieder am Schauspiel Leipzig äußern Bedenken wegen des geplanten Auftritts der Band Camerata Mediolanense

Sehr geehrte Frau Dr. Jennicke, sehr geehrte Intendanz, sehr geehrte Damen und Herren,

wir, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Schauspiel Leipzig, sehen uns heute gezwungen, uns mit diesem offenen Brief an Sie zu wenden, um unsere Bedenken wegen des bevorstehenden Auftritts der Band Camerata Mediolanense am morgigen Samstag zum Ausdruck zu bringen. Dies tun wir nicht nur als Mitarbeitende, sondern auch als aktive ver.di-Mitglieder, die die grundlegenden Werte von Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und Solidarität vertreten.

Als Menschen, die Tag für Tag gemeinsam an diesem Ort arbeiten, empfinden wir einen starken Zusammenhalt untereinander und stehen gemeinsam für Werte ein, die für eine menschenwürdige Gesellschaft essenziell sind. Die Idee, dass in unseren Räumlichkeiten nun eine Band auftritt, die in der Vergangenheit – aus unserer Sicht – mit rechtsextremen oder neonazistischen Zusammenhängen in Erscheinung getreten ist und unter anderem bereits Aufsehen erregte, als sie dem „Blood&Honour Magazin Deutschland“ ein Interview gab, * beunruhigt uns zutiefst und entspricht in keiner Weise unseren Werten.

Als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die für das Wohl unserer Gäste, also der breiten Gesellschaft verantwortlich sind, können wir nicht einfach ignorieren, welche Botschaften der Auftritt dieser Band möglicherweise vermitteln kann und welche Art von Publikum sie sogar anziehen könnte.

In Zeiten von steigender rechter Gewalt und der Zunahme von Bedrohungen der Demokratie in einem der Bundesländer, welches vor bedeutenden Wahlen steht, kann eine Unterstützung dieses Auftritts nicht im Sinne des Schauspiel Leipzig als Eigenbetrieb der Stadt Leipzig sein.

Damit möchten wir unsere Besorgnis zum Ausdruck bringen, wie ein solcher Auftritt unser Ansehen als Schauspiel Leipzig beeinträchtigen könnte. Wir sind stolz darauf, in einer Kultureinrichtung zu arbeiten, die Vielfalt, Toleranz und Inklusion fördert. Die Assoziation mit einer solchen Band steht im krassen Widerspruch zu diesen Werten und könnte potenziell langfristige Schäden für unser Ansehen und unsere Beziehung zu unserer Gesellschaft bedeuten.

Es ist uns bewusst, dass die Entscheidung, einen solchen Auftritt abzusagen, nicht leichtfertig getroffen werden kann und möglicherweise rechtliche und finanzielle Konsequenzen mit sich bringt. Dennoch möchten wir Sie nachdrücklich dazu ermutigen, dahingehend alle verfügbaren Optionen zu prüfen, um sicherzustellen, dass unser Schauspiel Leipzig ein Ort bleibt, an dem wir uns sicher und respektiert fühlen können und der die Werte widerspiegelt, die wir als Mitarbeitende und ver.di Mitglieder vertreten.

Wir hoffen sehr, dass Sie unsere Bedenken ernst nehmen und entsprechende Maßnahmen ergreifen werden.

Mit freundlichen Grüßen

ver.di Mitglieder und Mitarbeitende des Schauspiel Leipzig

*Quelle: www.endstation-rechts.de/news/nacht-und-nebel