Berichte über Rechtsrockkonzerte – Eisenacher Polizei geht gegen Journalisten vor
Journalisten des Medienportals „Recherche Nord“ haben mehrfach kritisch über Rechtsrock-Konzerte in Eisenach berichtet. Nun ermittelt die Polizei gegen sie, weil sie auch Fotos mit verbotenen Symbolen veröffentlichten.
Die Eisenacher Polizei ermittelt gegen Journalisten, die im Zuge kritischer Berichterstattungen über Neonazi-Konzerte Fotos mit verbotenen Symbolen veröffentlicht haben. Dazu gehörten etwa Abzeichen der Waffen-SS wie SS-Totenköpfe oder die so genannte „Wolfsangel“, aber auch andere strafbare Runen. Nach MDR Investigativ-Informationen hatten die Reporter des Medienportals „Recherche Nord“ mehrfach Straftaten von Neonazis im Umfeld der rechtsextremen Konzerte dokumentiert und Fotostrecken davon online gestellt. Darin waren Teilnehmer der Rechtsrock-Konzerte mit strafbaren Neonazi-Tätowierungen zu sehen.
In ihrer Berichterstattung hatten die Journalisten mehrfach öffentlich kritisiert, dass die Eisenacher Polizei nicht konsequent genug gegen die Konzerte in der Neonazi-Immobilie „Flieder Volkshaus“ vorgegangen sein soll.
Beamte der Eisenacher Polizei hatten später Anzeigen wegen des Zeigens verbotener Symbole und wegen Verstoßes gegen das Recht am eigenen Bild gestellt. Während der Veranstaltungen hatte die Polizei auch Strafanzeigen gegen rechtsextreme Teilnehmer gestellt. Die Landespolizeiinspektion Gotha hatte dem MDR nach einem solchen Konzert im Juli 2023 mitgeteilt, dass die Beamten im Nachhinein Bildmaterial für Anzeigen genutzt hätten.
Innenministerium verweist an Polizei
Ein Polizeisprecher sagte dem MDR, die Verfahren seien von Amts wegen aufgrund gesicherter Beweismittel und der in den öffentlich zugänglichen Medien publizierten Informationen erfolgt. „Die Kriminalpolizeistation Eisenach führt derzeit Ermittlungen wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Kunsturhebergesetz sowie des Verdachtes der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.“ Von Amts wegen bedeutet dabei, dass die Polizei ein Verfahren eröffnet hat, unabhängig davon, ob Betroffenen selbst eine Anzeige gestellt haben.
„Recherche Nord“ hatte in den veröffentlichten Fotostrecken auch kritisiert, dass die Polizei vor Ort Straftaten durch Teilnehmende zum Teil nicht erfasst habe. Das Thüringer Innenministerium hatte eine MDR Investigativ-Anfrage zu den Vorwürfen an die Thüringer Landespolizeidirektion, der zentralen Einsatz- und Verwaltungsbehörde der Thüringer Polizei, weitergeleitet.
Sprecherin von „Recherche Nord“ nennt Vorwürfe „bizarr“
Eine Sprecherin von „Recherche Nord“ sagte dem MDR, das Ermittlungsverfahren gegen die Journalisten sei ebenso „bizarr“ wie das dahinterliegende Rechtsverständnis. „Im Grunde handelt es sich um einen schweren Angriff auf das Presserecht, um einen Angriff von Institutionen, die den demokratischen Rechtsstaat eigentlich verteidigen, und nicht, wie in diesem Fall, weiter aushöhlen sollten“, sagte die Sprecherin weiter. „Aufklärung und Informationen über die neonazistische Raumnahme in Eisenach scheinen nicht erwünscht“.
„Recherche Nord“ ist ein Medienprojekt freier Fotografen und Journalisten, die seit Jahren über Rechtsextremismus in Deutschland berichten. Foto- und Videomaterial sowie Recherchen des Projekts sind in der Vergangenheit immer wieder in bundesweiten Zeitungen wie „Die Zeit“ und „Süddeutsche Zeitung“ sowie in öffentlich-rechtlichen Medien erschienen.
„Reporter ohne Grenzen“: Polizei muss Journalisten schützen
Ein Sprecher der Nichtregierungsorganisation „Reporter ohne Grenzen“ sagte MDR Investigativ, Fotojournalisten hätten grundsätzlich das Recht, verbotene Symbole abzufotografieren und die Berichterstattung über rechtsextreme Zusammenkünfte damit zu illustrieren. Eine Abbildung solcher Kennzeichen sei nicht strafbar, wenn sie beispielsweise der Aufklärung oder der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen diente.
„Wenn die Behörden tatsächlich strafrechtlich gegen die Veröffentlichung von Fotostrecken durch ‚Recherche Nord‘ vorgehen, in denen strafbare Tätowierungen und Abzeichen von Teilnehmenden der Neonazi-Konzerte im ‚Flieder Volkshaus‘ in Eisenach dokumentiert wurden, ist das auf jeden Fall erschreckend“, so der Sprecher weiter. Es sei die Aufgabe der Polizei, „Medienschaffende, die von rechtsextremen Zusammenkünften berichten, bei ihrer Arbeit zu schützen und damit in ihrem Einsatz für die Demokratie zu unterstützen.“
„Flieder Volkshaus“ in Eisenach Treffpunkt der rechtsextremen Szene
Im so genannten „Flieder Volkshaus“ in Eisenach finden seit Jahren nahezu monatlich weitestgehend ungestört Rechtsrock-Konzerte und Liederabende statt. Mitglieder der verbotenen Netzwerke „Combat 18“, „Hammerskins“ und „Blood & Honour“ verkehren regelmäßig in der Immobilie. Die mutmaßlichen Neonazi-Schläger der Gruppe „Knockout 51“ trainierten dort für den Straßenkampf. 2022 wurde die Immobilie von der Polizei als kriminogener – also als „gefährlicher“ – Ort eingestuft. Das hat zur Folge, dass die Polizei dort ohne Anlass Personenkontrollen durchführen darf.
https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/west-thueringen/wartburgkreis/journalist-nazis-rechtsradikal-konzert-polizei-recherche-nord-100.html,
08. Februar 2024, 06:32 Uhr